Fabelverzeichnis
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Frauenlieder

Frauenlieder gehören zu den ältesten poetischen Zeugnissen, welche in
die schriftliche Überlieferung der volkssprachlichen Dichtung im Mittelalter
eingegangen sind, und schon allein aus diesem Grunde kommt ihnen eine
herausragende kultur- und literarhistorische Bedeutung zu.

Es sind Lieder, deren lyrisches Subjekt eine Frau ist.


 

klassische Texte
 

altfranzösische Texte
 

altprovenziale Texte
 

mittellateinische Texte
 

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Zu Beginn ein paar Lieder von Frauen geschrieben.
 

Herzogin Margarethe von Österreich
1480-1530

Sie war die Tochter des Erzherzogs Maximilian, des späteren Kaisers Maximilian I.
und der Maria von Burgund und die Tante von Kaiser Karl V. und regierte als
Statthalterin der Niederlande.

Margarethe besaß ein hohes Ansehen als Förderin der Künste.


Quelle mhd:
Deutsche Frauenlieder des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts/Hrsg. ©Albrecht Classen Rodopi 1999

 

1.
Myn hertken heeft alttijts verlanghen
Naer u, die alderliefste mijn.
U liefde hevet my so seer bevanghen!
U vry eighen willic sijn!

2.
Voor al di werlt, alghemeine,
Zo wie dat hoeret ofte siet,
Hebdy mijn hertken geheel alleine
Daerom, lief, bogheeft my niet!


~0~~0~~0~

1.
Ghequetst ben ic van binnen,
doorwont mijn hert so seer;
van uwer ganscher minnen
ghequetst so lanc so meer.

2.
Waer ic mi wend, waer mic mi heer,
ic en can gherusten dach noch nachte;
waer ic mi wend, waer ic mi keer,
ghi sijt alleen in min ghedachte.

 

1.
Mein Herzlein hat allzeit Verlangen
Nach dir, du Allerliebster mein!
Die Lieb zu dir hat mich so sehr befangen,
Deine Frei-Eigne will ich sein!

2.
Was immer auch die Welt mag geben,
Was Herrliches sie auch verspricht,
Du nur bleibst meiner Seele Leben,
Darum, Lieb, verlass mich nicht!


~0~~0~~0~

1.
Tief in den Herzen innen
bin ich verwundt so sehr,
quält mich viel süße Minne,
leid ich so lang so mehr.

2.
Bei Tag und Nacht kann ich nicht ruhn,
wo ich in Feld und Wald auch wanke;
bei Tag und Nacht kann ich nicht ruhn,
du bist allein nur mein Gedanke.

 

Die hochdeutsche Übersetzung stammt von K.C.Tenner (1861)
 


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Mechthild von Magdeburg
um 1207-ca.1282


Mechthild stammte aus niederen Adel, führte nach ihrer Flucht aus dem Elternhaus
ab 1230 in Magdeburg zuerst das Leben einer Begine, trat um 1270 in das Nonnenkloster
Helfta ein (damals ein Zentrum der Frauenmystik) und starb dort um 1282.
Ab 1250 schrieb sie ihre mystischen Visionen und Erfahrungen unter Anleitung ihres
dominikanischen Beichtvaters Heinrich von Halle auf.


Beginen und Begarden heißen in den Quellen des 12. bis 14. Jahrhunderts die Mitglieder
der Collegia Beguinarum, bzw. Beguinorum, religiöser Gemeinschaften,
die zwischen Ordensgemeinschaften und Laien angesiedelt waren.

 


Got liebkoset mit der sele an sehs dingen
 


Gott liebkost mit der Seele in sechs Dingen
 

Du bist min senftest legerkússin,
min minneklichest bette, min heimlichestú růwe,
min tiefeste derunge, min hœhste ere!
Du bist ein lust miner gotheit,
ein trost miner mœnscheit,
ein bach miner hitze!
Du bist min spiegelberg,
min ougenweide,
ein verlust min selbes,
ein sturm mines hertzen,
ein val und ein verzihunge miner gewalt,
min hœhste sicherheit!

~0~~0~~0~

 

Du bist mein sanftestes Liegekissen,
mein Liebesbett, meine heimlichste Ruhe,
mein tiefstes Begehren, meine höchste Ehre!
Du bist eine Lust meiner Gottheit,
ein Trost meiner Menschheit,
ein Bach meiner Hitze.
Du bist mein Spiegelberg,
meine Augenweide,
ein Verlieren meines Selbst,
ein Sturm meines Herzens,
ein Fall und ein Wegziehen meiner Kraft,
meine höchste Sicherheit.

~0~~0~~0~

 


Wie der von minnen ist wunt, wirt gesunt
 

Wie der von der Liebe Verwundete gesund wird
 
Swelch mensche wirt ze einer stunt
von warer minne reht wunt,
der wirt niemer me wol gesunt,
er enkússe noch den selben munt,
von dem sin sel ist worden wunt.

~0~~0~~0~

 
Welcher Mensch auf einmal
von wahrer Liebe richtig verwundet wird,
der wird nie mehr ganz gesund,
es sei denn, er küsse denselben Mund,
von dem  seine Seele verwundet worden ist.

~0~~0~~0~

 

Durnehtigú sele, vrœwe dich
 

Durchnächtige Seele, freue dich
 
Durnehtigú sele, vrœwe dich,
du bist alleine got gelich.
Ja es ist wol billich,
wan du trinkest mit gotlicher gedult
vil manig bitterkeit in dich ane schult.

~0~~0~~0~

 
Durchnächtige Seele, freue dich,
du allein bist Gott gleich.
Ja, es ist durchaus angemessen,
wenn du mit göttlicher Duldung
viel Bitterkeit schuldlos in dich trinkst.

~0~~0~~0~

 


Swenne ich schiene so muost du lühten
 


Wenn ich scheine, so mußt du leuchten
 

Swenne ich schiene so muost du lühten,
swenne ich vlüsse, so muost du wuethen,
swen du süfzest, so zühest du min götlich
herze in dich.
swenne du weinest na mir, so nim ich dich
an den aren min;
swenne du aber minnest, so werden wir zwöi ein,
und wenne wir zwöi alsust eines sin, so mag da
niemer geschehen scheiden,
mere ein wonenklich beiten wonet zwüschent
uns beiden.
herre, so beit ich denne mit hunger
und mit durste,
mit lagen und mit luste,
vnz an die spilenden stunde
das us dinem götlichen munde
vliessen die erwelten wort,
die von nieman sin gehort,
mere von der sele alleine,
die sich von der erde enkleidet
und leit ir ore für dinen munt —
ja die begriffet der minne funt.

O du brennender berg, o du userwelte sunne!
o du voller mane, o du grundeloser brunne!
o du unreichhaftiu höhi, o du klarheit ane maße!
o wisheit ane grunt!
o barmherzikeit ane hinderunge!
o sterki ane widersatzunge!
o crone aller eren!
doch lobet der minste, den du je geschueffe!

~0~~0~~0~

Du solt minnendas niht,
du solt vliehen das iht,
du solt alleine stan
und solt zuo nieman gan.

Do solt sere unmuessig sin
und von allen dingen wesen vri.
du solt die gevangenen enbinden
und die vrien twingen.
du solt die siechen laben
und solt doch selbe nit haben.
du solt das wasser der pine trinken
und das für der minne mit dem holtz
der tugende entzünden,
so wonest du in der waren wüstenunge.

 

Wenn ich scheine, so mußt du leuchten,
wenn ich fließe, so mußt du tosen,
wenn du seufzest, so ziehst du mein göttlich
Herz in dich hinein.
Wenn du weinst nach mir, so nehm ich dich
in meinen Arm;
wenn du aber liebst, so werden wir zwei eines,
und wenn wir zwei so eines sind, so kann da
nie mehr Trennung geschehen,
sondern ein lustvolles Harren wohnt zwischen
uns beiden.
Herr, so harre ich denn mit Hunger
und mit Durst,
mit Hasten und mit Lust
bis zur leuchtenden Stunde,
da aus deinem göttlichen Munde
fließen die erlesenen Worte,
die niemand gehört hat
als die Seele allein,
die sich von der Erde entblößt
und ihr Ohr legt an deinen Mund —
ja, die begreift das Ereignis der Liebe.

O du brennender Berg, o du auserlesene Sonne!
O du voller Mond, o du grundloser Quell!
O du unerreichbare Höhe, o du Klarheit ohne Maß!
O Weisheit ohne Grund!
O Barmherzigkeit ohne Einschränkung!
O Macht ohne Widerstand!
O Krone aller Ehren!
Dich lobt der geringste, den du je erschufst!

~0~~0~~0~

Du sollst lieben das Nichts,
du sollst fliehen das Etwas,
du sollst allein sein
und sollst zu niemanden gehen.

Du sollst dir sehr Mühe machen
und von allen Dingen frei sein.
Du sollst die Gefangenen entbinden
und die Freien bezwingen.
Du sollst die Kranken laben
und sollst doch selbst nichts haben.
Du sollst das Wasser der Pein trinken
und das Feuer der Liebe mit dem Holz
der Tugend entzünden,
dann wohnst du in der wahren Wüste.

 

Quelle:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters/Ausgewählt, übersetzt und erläutert ©Ulrich Müller/Gerlinde Weiss
 
Alsust sprichet dú minnende sele ze irme lieben herren
 
So spricht die liebende Seele zu ihrem geliebten Herrn
 
Were alle di welt min
und were si luter guldin,
und solte ich hie nach wúnsche eweklich sin
die alleredelste, die allerschœneste, die allerricheste Keyserin,
das were mir iemer unmere;
also vil gerne sehe ich Jhesum Christum, minen lieben herren,
in siner himelschen ere!
Prœvent, was si liden, die sin lange beiten!
 
Wäre die ganze Welt mein
und wäre sie aus lauterem Gold,
und sollte ich hier nach Wunsch auf ewige Zeit
die alleredelste, die allerschönste, die allermächtigste Kaiserin sein:
das wäre mir für immer gleichgültig
daß ich so gerne Jesus Christus, meines geliebten Herrn,
in seiner himmlischen Ehre sehe.
Erkennt, was die leiden, die lange auf ihn warten!
 
Quelle:
©Manesse Bibliothek 2001 Deutsche Lyrik des Mittelalters/Auswahl und Übersetzung ©Max Wehrli
 


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