Fabelverzeichnis

weiter
 

Friedrich Adolf Krummacher

geb. 13. Juli 1767 in Tecklenburg
gest. 4. April 1845 in Bremen

Er war ein deutscher evangelischer Theologe.
Krummacher gab drei Bändchen Parabeln, und 1809 "Apologen und Paramythien" heraus.

Apologen = Fabeln, lehrreiche Fabeln.
Paramythie = durch Herder eingeführte Dichtungsart, die mit Darstellungen
aus alten Mythen eine ethische oder religiöse Wahrheit ausspricht.


Quelle:
Friedrich August Krummacher/Apologen und Paramythien/Duisburg und Essen 1810 /bey Bädeker und Kürzel, Universitätsbuchhandlung
 

Fabeln 1-27
 

Der Hamster und die Lerche
Die Nelke und die Lilie
Der junge Adler
Die Salzquelle
Die beiden Eichen zu Dodona
Helios und der Schmetterling
Zeus und das Schaf
Der Marder, der Iltis und die...
Die Wölfin mit den Zwillingen
Der Negersklave und die Larve
Der Frosch und der Schwan
Der himmlische und der irdische...
Der Löwe und der Fuchs
Der Pfau und der Haushahn
Der Ziegenbock und der Hofhund
Der Schmetterling und das....
Der Kuckuck und die Turteltaube
Der Reiche und die Zikade
Der Affe und das Eichhorn
Der Löwe und der Esel in der...
Die alte und die junge Eiche
Zeus, Adler und der Lämmergeier
Die Königswahl der Tiere
Die großen und die kleinen...
Der Vampir und der Haushahn
Die Zedern auf Libanon
Der Nil und der Maulwurf

Der Hamster und die Lerche

Ein Ungewitter zog mit Donner, Sturm und Schlossen
Daher; es lag zerknickt die hohe Halmensaat,
Und banges Schweigen ruht' auf Höhen und Gefilden,
Doch im Gewölk erscholl der Lerche wirbelnd Lied.

Und singend schwebte sie aufs Saatenfeld hernieder.
Da kam aus seiner Höhl' ein Hamster und begann:
Sprich, wie vermagst du noch in solcher Zeit zu singen?
Verderben siehst du hier; die Zukunft dräuet Not. — —

Die Lerche sprach: vom Staub uns Himmelan zu heben,
Ward uns Gesang und Flügelschwung gegeben —
Sieh, durch die Wolken bricht des Himmels Strahl hervor.
So sang die Lerch' und schwang von neuem sich empor.

Die Nelke und die Lilie

Die rote Nelke und weiße Lilie blühten
Auf Einem Blumenbeet. — Die Nelke sprach:
Du solltest zu den Deinen dich gesellen!
Wir haben nichts gemein. Was will dein blasser Kelch
Zu meinem Farbenglanz? Dein Duft betäubet;
Gewürzig steigt mein Wohlgeruch empor.
Und doch erhebst du dich stolzierend neben mir! —

Die Lilie sprach darauf: Des Gartens Herr
Hat hier uns beid' auf Einem Beet vereinet.
Mein weißer Kelch soll deinen Glanz erheben,
Dein dunkles Rot mein einfach weißes Licht.
Ich soll von fern das Aug' erfreun; drum wurde
Mir zu dem hohen Wuchs der strenge Duft verliehn.
Gewürzig lockt dein Wohlgeruch zum nahen
Beschaun den Blick. Dann labet und ergötzt
Auch ihn dein Kleid und seiner Farben Schmelz.

So stehn wir streitend doch im Wechselbunde,
O, laß gemeinsam uns in Frieden blühn!

Der junge Adler

Es wollt' einmal ein junger Adler sich
In seiner Herrscherwürde sehen.
Er ließ demnach sofort ein königlich
Edikt durch sein Gebiet ergehen,
Worin bei schwerer Pön befohlen ward,
Daß alle Vogel nur auf eine Art
Nach einer Weise sollten singen.

Man staunte und begann. — Es wollte nicht gelingen.
Mein Himmel! rief ein aufgeklärter Star,
Der weit und breit gereiset war,
Wie kann der König unsern Kehlen
So etwas Tolles anbefehlen?
Fürwahr er macht uns noch Gesang und Lust zur Plage,
Und — singt doch selber nicht! —

Freund, fiel die Amsel ein,
Das möchte wohl auf deine Frage
Die allerbeste Antwort sein. —

Die Salzquelle

Gedrückt von Durst und Hitze hatt' ein Wandrer
Die Wüstenei zurückgelegt. Erquicklich
Erschienen endlich ihm des Landes Bäume. —

Nur noch ein Quell! so seufzt' er. Nicht vergebens.
Aus Hügeln quoll ein Bächlein. O gesegnet,
Sei mir die langersehnte süße Labung!

Er sprachs und legte sich aufs Knie und schlürfte
Aus hohler Hand des Baches milde Gabe. —
Doch schneller noch entströmte seinen Lippen
Der bittre Trank. — Er rief mit wildem Zürnen:
Verwünschte Flut! mich lockte deine Täuschung,
Und jetzt erfüllst du mir den Mund mit Ekel!
Auf ewig müsse dir dein Born versiegen!

Und im Kristallgewölb vernahm die Nymphe
Den harten Fluch. Sie trat hervor und sagte:
Verwünsche deinen Unmut, nicht die Quelle!

Des Salzes Born ist dieses Landes Segen.

Die beiden Eichen zu Dodona

Als man noch im Gesäusel heil'ger Blätter
Der Weisheit stillen Ruf vernahm,
Und aus Dodona's Hain das Wort der Götter
Zu Sterblichen hernieder kam,
Erhob sich aus dem niederen Gesträuche
Ein junger Baum am Fuß der heil'gen Eiche.

Wird mir, so sprach der Sprößling, nun auch bald
Das Heil von Jovis Odem widerfahren,
Daß auch aus mir, wie dir seit tausend Jahren,
Das Wort verborgner Weisheit schallt?
Und daß voll Ehrfurcht auch zu mir die Frommen
Aus Hellas Stamm mich zu befragen kommen?

Da säuselten der heil'gen Eiche Blätter,
Und im Gesäusel tönt' ihr Wunderspruch:
Seit Troja fiel, verschmähn sie ihre Retter,
Und dünken sich nun selber stark genug.
Es schwand ihr frommer Sinn, und nicht mehr wallen
Die Trotzigen zu uns — wir werden fallen!

Bald wird auch uns die kühne Axt zerhauen,
Sie werden nur aus totem Holz und Stein
Den Göttern kalte Tempelkerker bauen,
Und sie verscheuchen aus dem heil'gen Hain.
Denn mit der Einfalt ist für ihre Ohren
Das leise Wort des heil'gen Hains verloren.

Helios und der Schmetterling

Weshalb ward mir bei meiner Schwingen Pracht
Der Laut versagt, der tönend und von ferne
Der Biene Flug im Blütenbaum verkündet?
So klagt' ein Schmetterling dem Sonnengott. —

Sanftlächelnd sprach der heitre Helios:
Minervens Vöglein und dem regen Fleiß
Geziemet wohl das tönende Gesumm
Zur Arbeit in der Blume und dem Stock.
Dem geistigen Gebilde Psyche's ziemt
Der leise Flug im stillen Meer des Lichts.

Zeus und das Schaf

Vollendet hatte Zeus das Schöpfungswerk.
Auf seiner Tatze lag der Löw' und schlief,
Der Elephant hob drohend seinen Rüssel,
Ein Eber wetzte seinen Zahn; der Stier
Wies seines Hornes Kraft mit wildem Blick,
Rings um den Igel starrt' ein Stachelwald.

Nur flehend hob das neugeborne Lamm
Den Blick zu Jovis Thron. —Was fehlet dir?
Sprach Vater Zeus, du scheinst zu klagen, rede!
Da sprach das fromme Lamm: Was soll uns schützen?
Nur mir allein ward keine Waffe und Wehr. —

In deinen Augen ruht der Unschuld Blick,
Leicht kräuselt sich der Wolle weißes Vlies
In tausend Löckchen um den runden Leib.
So stehest du in Unschuld schön. Getrost!
Ein höher Herz nimmt Deiner wohl sich an. —

So sprach der Wesen Vater. — Sieh es kam,
Das erste Menschenpaar. Sie sahn das Lamm,
Und trugen es auf sanftem Arm zur Hütte,
Bereiteten ein Lager ihm und sagten:
Das hat gewißlich Zeus uns zugedacht,
Drum hat er ihm die Unschuld angebildet. —

So ward der Mensch des Lammes Schirm und Wehr.
Der Menschenunschuld Schirm und Wehr ist Gott.

Der Marder, der Iltis und die Henne

Ein Marder schlich sich in die Tenne,
Und raubte tückisch einer Henne,
Die sich zum Brüten fertig machte,
Zwei dutzend Eier, ging und lachte
Der armen Henne in ihrer Not,
Und fraß den Raub zum Morgenbrot.

Nur eines hatte er nicht genommen.
Sie sah es an und sprach beklommen:
Nun ist mein ganzer Trost zerstöret!
So seufzte sie. Ein Iltis höret
Die Henne klagen, schleicht hinzu,
Und spricht: Was, Liebe, weinest du?

Die Henne klagt' ihm ihre Leiden.
Der Heuchler sprach: Es fehlt an Freuden
Dem Frommen nie. Du mußt dich fassen!
Der Himmel wird dich nicht verlassen.
Getrost! Auch Trübsal eilt vorbei! —
Er sprachs und nahm das letzte Ei.

Da rief erfüllt von bitterm Grimme
Das arme Huhn mit lauter Stimme:
Nun soll kein Tröster mich mehr plagen!
Das, sprach der Schalk, hat nichts zu sagen!
Jetzt geht dich alle Welt vorbei,
Ich habe ja dein letztes Ei.

Die Wölfin mit den Zwillingen

Eh Roma sich, die Weltbeherrscherin,
Auf sieben Hügeln himmelan erhob,
Da floß die Tiberis durch wild Gestrüpp
Und dichten Wald dahin, und rings erscholl
Der wilden Tiere Kämpfen und Geheul.

Nur eine Stelle war am königlichen Strom
Befreit von ihrer Wut, vom hohen Wald umkränzt
War Still' und Schweigen hier. Ein schmaler Pfad
Geleitete zu diesem Sitz der Ruh,
Und keiner durfte sich dem Pfade nahn.
Denn eine Wölfin, furchtbar groß und hehr,
Stand vor dem Eingang und ihr Flammenblick
Bedräute schweigend jeden mit dem Tod,
Wer ihrem Sitz zu nahen sich vermaß.

Gemeine Wölfe, Hyänen, Füchse sahn
Von fern die Eine wandeln oder stehn,
Und fragten sich mit kleiner Neubegier:
Was mag sie denn bewachen im Asyl?

Wahrscheinlich hat, sprach ein Hyänentier
Die Tiberis eine Schar von totem Vieh,
Hirsch oder Büffel, oder auch ein Heer
Von Menschen, deren Schiff die Flut verschlang,
An jenen Ort gespült. Die Wölfin hat
Für Monden satt. Doch scheut ihr Eigennutz
Und Argwohn, daß ein andrer ihr sich naht,
So zehret sie den fetten Raub allein.

Ich meine, sprach ein Fuchs, sie sinnt vielmehr
Auf Herrschaft über uns. Dort sammelt sie
Ein Heer von Kämpfern, bildet sie zum Streit,
Und eh wir denken, dringt mit blinder Wut
Die Übermacht gewaltig auf uns ein,
Macht uns gesamt zum Sklavenvolk, beherrscht
Und unterjocht das ganze Land umher.
Erwäget denn mein Wort und die Gefahr! —

Bewachet sie, nahm itzt ein Luchs das Wort,
Vielleicht auch einen Schatz, ein golden Vlies,
Und was es sonst mag sein. Ihr Drachenblick
Verrät mir, irre ich nicht, des Drachen Sinn.

Ein Geier ließ jetzt rauschend sich hinab.
Ihr irret euch, so hub er an, vernehmt!
Als vom Soraktes ich zum Aventin
Hinüberflog, da sah mein scharfer Blick
Der Wölfin Lust, die sie uns schlau verbirgt.
Es kam ein Mensch, woher, das weiß ich nicht,
Zwei zarte Knäblein trug er auf dem Arm,
Er legte auf der Tiberis Strand sie hin
Und ging davon. Gern hätt' ich eins gehabt;
Ich flog hinzu. Da trat mit scheelem Blick
Die Wölfin vor sie hin, und fraß allein
Mit wilder Gier den Leckerbissen. Jetzt
Hat sie vielleicht zwei andre, deren Fleisch
Sie für den ersten Hunger sich erspart.
Durch welchen Zauber sie zu diesem Schoß
Des Landes Herrscher zwingt, das weiß ich nicht.
Das weiß ich wohl: ein junges zartes Lamm,
Noch mehr ein zartes Kind ist Götterkost.

So sprach das Pöbelvolk am Tiberisstrand.
Ein jeder sprach nach seines Herzens Art.
Die Wölfin aber säugte mit Lust
Das Zwillingspaar, von Göttern ihr vertraut.

Der Negersklave und die Larve

Ein Negersklav' auf einem Kirchhof fand
Einst eine Larve. Lange stand
Er sinnend da. Zuletzt mit scheuer Hand
Hob er sie auf und sprach: Wo kommst du her?
So glatt, so grinsend und so leer — —
Ei doch, es wird — nun fällt's mir ein —
Es muß des Pflanzers Schädel sein!
Er war nicht Bein von unserm Bein —
Ha! wie er noch der Qualen lacht,
Die seine Geißel uns gemacht! —
Still, daß er nicht vom Tod erwacht!

Der Schwarze sprachs, und warf mit Graus
Die Larve in das Schädelhaus.

Der Frosch und der Schwan

Uns allein und einzig von den Tieren,
Die nach alter Sitt' auf allen Vieren
Gehen, hüpfen, schleichen, springen,
Und den Kopf zur Erde neigen,
Uns allein von allen ist es eigen,
Obwohl vierbeinig, doch zu singen!

So rühmt ein Frosch dem Schwan. Apollons Vogel sprach:
Ihr singet auch danach.

Der himmlische und der irdische Adler

Zeus Adler kam vom Thron zur Erde einst hernieder,
Und saß auf Idas Höhn. Da trat zum Göttervogel
Ein irdischer, und sah ihn staunend an und schweigend.

Wes wunderst du dich? frug der kühne Donnerträger.

Da sprach der Erdenaar: Ich seh an deinem Wesen
Nichts, das dich eigens hebt vor unserem Geschlechte.
Dein Schnabel, Krall', und Farb', und Größe und Gefieder,
Ein jedes ward auch dir nach angeborner Weise.

Wie könnt' ich ohne dies ein Aar zu sein mich rühmen?
Sprach jener, und wie kann denn dieses dich befremden?

Des andern Antwort war: Bist du nicht, der von diesem
Gebirg den Königssohn durch Wolken bis zum Throne
Des Herrschers trug? Und hält nicht deine kühne Kralle
Den Blitz? — O sprich, woher dir solcher Mut und Stärke
In solcher Einfalt und gewöhnlicher Gebärde?

Antwortend sagte nun der edle Göttervogel:
Wie kannst du meiner Kraft und meines Muts dich wundern?
Ich weil' in Jovis' Näh' und schaue stets sein Antlitz.
So ward ich zum Gefäß erkoren.
Nicht ich, der Gott in mir vollbringt die Götterwerke.

Der Löwe und der Fuchs

Ein kranker Löwe, der sonst nie
An Stomachal und Magen dachte,
Verschmähte alle Speisen, die
Sein Küchenmeister Fuchs ihm brachte.
Und dieser sucht' ihm doch zu jedem Schmaus
Die besten Leckerbissen aus.
Bald bracht' er Wild, bald junge Ziegen
Und Lämmer, Gans und Auerhahn —
Umsonst, der Löwe ließ die Speise liegen,
Und grinste seinen Truchseß an.
Ei! rief zuletzt voll Ungeduld
Der Fuchs, das mag, wer will, ertragen!
Dein Ekel ist nicht meine Schuld,
Der Fehler steckt in deinem Magen. —

Der Pfau und der Haushahn

Ein eitler Pfau sprach einst zu einem Hahn:
Ein jeder schaut mich mit Bewundrung an;
Allein, wer hätte nicht auch etwas auszusetzen?
Der eine tadelt mein Geschrei,
Ein anderer sagt, mein Schenkel sei
Nicht schön, anstatt am Glanz sich zu ergötzen,
Womit mein Schweif im Sonnenschein
So herrlich prangt. Wie kann man so vermessen
Und ungerecht in seinem Urteil sein?
Man sollte dankbar sich des Schönen freun!

Mein lieber Pfau, fiel ihm der Haushahn ein,
Man würde gern Geschrei und Fuß vergessen,
Allein du willst gepriesen sein,
Und jedem mit Gewalt gefallen,
Und so, mein Freund, mißfällst du allen.

Der Ziegenbock und der Hofhund

Ein Ziegenbock betrat mit hoher Gravität
Den Meierhof, wo schon das andre Vieh
Versammelt war, und wie ein Völkerhirt
Des Griechenheeres schritt er auf und ab.

Man sah ihn schweigend an. Er aber tat
Sein wohlbehaartes Mundwerk auf und sprach:
Ich wäre wohl des Hofes Herr und Fürst,
Wenn dem Verdienst der Ehrenkranz gebührt.
Seht hier an meiner Stirn den hohen Hörnerschmuck,
Der Krone gleich, ein Zeichen meiner Kraft.
An meinem Kinne schaut den langen weißen Bart,
Der Würd' und Weisheit sicheres Symbol!
Leicht ist mein Schritt, und wenn der Lenz erscheint,
Die hohe Zeit, wo alles sich vermehrt
Dann duft' ich lieblich, gleich wie
Eigenlob! Fiel ihm der Hofhund ein, und faßt' am Bart
Den Helden. Dieser ließ des Kinnes halbe Zier
Zurück und floh zum Stall. Der Hof erscholl
Von lautem Beifall um des Barts zersausten Raub.

Das Räucherwerk, das man sich selber streut,
Wird doch zuletzt und immer zu Gestank.
Das zeiget euch der Fabel weises Wort.

Der Schmetterling und das Johanniswürmchen

Aus einem Blumenkelch sah einst mit Ruh
Ein Schmetterling den luft'gen Tänzen
Von einem Schwarm Johanniswürmchen zu.

So solltet ihr bei hellem Tage glänzen,
Begann der Schmetterling, fürwahr,
Dann würd' euch lauter Beifall kränzen!

O nein, antwortete vergnügt der Tänzer Schar,
Muß nicht der Sonne hohem Glanz und Pracht
Sogar das Heer der Himmelslichter weichen?
So würd' auch unser Licht vor ihrem Licht erbleichen.
Drum tanzen wir bei Sternenschein und Nacht!

So sprach der Schwarm, und strebte mit den Schwänzen
Stets glänzender zu glänzen. —

Der Demut und Bescheidenheit
Gewand ist oft des Dünkels Feierkleid.

Der Kuckuck und die Turteltaube

Der Kuckuck klagte einst im Rat der Vögel:
Mich achtet man gering, man schmähet meines Rufs,
Der nur mich selber nennt. Und seht, die Turteltaube,
Die gleiches tut, ist doch bei aller Welt beliebt.
Drum schaffet mir Gerechtigkeit und Ehre!

Der Adler sprach darauf: Die Turteltaube girret
Im dunkeln Wald ihr wehmutvolles Lied,
Wie es in Einfalt ihr des Herzens treue Liebe
Gebeut. Dir aber ward kein liebend Herz.
Selbstsüchtig schreiest du dich selber aus,
Und nennst der Straße deinen Nahmen.—
Ihr gab die Liebe selbst nach ihrem frommen Liede
Den Namen. Siehe Freund, den Unterschied.

Der Reiche und die Zikade

Von Elfenbein und feinem Golde ließ
Ein Reicher zu Korinth sich einen Käfig baun,
Zum neuen Schmuck in seinem Prunkgemach.
Und in des Käfigs glänzendem Gegitter
Ward sorgsam ein Zikadenpaar verschlossen,
Und ein Gefäß von Gold und Alabaster,
Erfüllet mit Hymettus duft'gem Honig,
Hineingestellt, den kleinen Sängerinnen
Zur Kost und Labung. Also stand der Käfig,
Ein kleiner Tempel, an Gestalt und Schönheit
Latonens Dom, dem weltberühmten, ähnlich.
Ehrysanthes — also hieß des Reichen Name —
Erlauschte nun mit seinen Tischgenossen
Der Musenvöglein süße Stimm' und Lieder.
Allein umsonst! Sie saßen stumm und trauernd.

Da zürnte sehr der reiche Mann und sagte:
Weshalb verschmäht ihr, uns mit euren Tönen,
Gleichwie des Landvolks Ohren, zu erquicken?
Hab ich nicht einen Palast euch erbauet,
Von Göttern selbst bewohnt zu werden, würdig?
Was kann euch mangeln? Sagt, was soll ich tun?

Nun öffneten die Vöglein ihre Lippen
Und sangen leis in trauervollen Tönen:
Es fehlet uns der goldne Tag der Freiheit.
Wir sollen dienend dir den Saal nur schmücken.
Willst du Gesang von uns, so pflanze Myrthen,
Und birg dich horchend in des Wäldchens Schatten.

Der Affe und das Eichhorn

Ein feister Affe sah in träger Ruh
Von einem Erker eines Eichhorns Sprüngen
Auf einer nahen Eiche zu.
Wie müßt' es dir, so hub er staunend an,
Bei dieser deiner Kunst gelingen,
Zum höchsten Glück dich schnell emporzuschwingen,
Wenn du nur wolltest! — Drum verlaß die kühne Bahn,
Und schone deiner schlanken Glieder,
Eh dich ein Unglück trifft, mein Bruder, komm hernieder.
Ich speise von des Herren Tische
Tagtäglich Braten, Wildbret, Fische
Und tausend andre schöne Gaben!
Das sollst auch Du, mein Lieber, haben.

Ei! sprach das Eichhorn, sage mir
Zuvor, womit Verdienst Du dir
Dies seltne Glück? Mußt Du des Herren Sachen
Vor Dieben bei dir Nacht bewachen?

Bewachen? sagte Petz, nein schönen Dank!
Von Wachen wird man müd' und krank.

Vielleicht, fuhr jenes fort zu fragen,
Mußt du des Herrn Gepäcke tragen?

Gar tragen? sprach der Grinser, — Nein!
Sein Lasttier mag ein andrer sein!
Ich hab es besser: Possen machen,
Verlacht von andern, selber lachen,
Das ist die Kunst, die mich ernährt,
Und ohne Mühe sich von selber lehrt.
Freund, nichts soll deinem Glücke fehlen —
So komm hinab! — Kannst du noch lange wählen?

Das Eichhorn sprach: Ich wähle nicht.
Mich jammert dein, du armer Wicht!

Der Löwe und der Esel in der Gefangenschaft

In Fesseln ward ein Löwe fortgezerrt,
Und neben ihm ein Esel eingesperrt.
Verzweiflung flammte aus des Löwen Blicken,
Er stieß sein Haupt und schlug den gelben Rücken.

Befremdet schaute ihn sein träger Nachbar an
Und sprach: Mein Freund, was man nicht ändern kann,
Das sollte man geduldig tragen.
Was frommet dir dein Zürnen und dein Klagen?
Dir mangelt nichts; man kommt dich zu besehn;
Man staunt dich an; man nennt dich groß und schön,
Und reichet dir des besten Fleisches Fülle. — —

Verstumme! sprach darauf des Löwen Zorngebrülle,
Wer unterjocht, der Freiheit nicht begehrt,
Ist auch der Antwort nicht des Freien wert!
Mit Sklavengeist zum Sklaventum geboren,
Geht ihm der Sinn des Würdigen verloren!

Die alte und die junge Eiche

Verächtlich Pöbelvolk, du grünst und blühest nach!
Rief zürnend eine junge Eiche
Zu eines Brombeers blühendem Gesträuche,
Das tief zu ihren Füßen kroch.

Die Alte sprach: In unsern Höhen
Muß man das Niedrige nicht sehen!

Zeus, Adler und der Lämmergeier

Einst ließ sich vom Olymp zur Erde Jovis Adler
Hernieder, sein Geschlecht, das irdische zu kennen.
In stiller Majestät auf einer Alpenspitze
Gelagert schaute nun sein Blick in weite Fernen.

Ein Lämmergeier sah den heil'gen Vogel, schwebte
Zu ihm hinauf, und als er nun den Zweck erforschet,
Weshalb er vom Olymp zur Erd' hinabgekommen,

Da sprach der Geier: Sieh, ich bin von deinem Blute,
Und göttliches Geschlechts. Das zeuget meine Kralle.
Doch soll es dir auch jetzt die kühne Tat beweisen.

Er sprach's, und wie ein Sturm, auf rauschendem Gefieder
Entschwebt ins niedre Tal der stolze Lämmergeier,
Allwo auf grüner Trift die Schafe sich des Frühlings
Erfreuten, doch noch mehr der neugebornen Lämmer,
Die wolligt, schlank und froh die Mütter schon umhüpften.

Doch plötzlich kam die Wut des Geiers auf sie nieder.
Er riß ein frommes Lamm von seiner Mutter Seite,
Und trug es durch die Luft bis zu der Alpe Koppen.
Hier legt er seinen Raub, den blutigen, zu den Füßen
Des Adlers, schon zuvor des Beifalls sich erfreuend,
Womit die stolze Tat Zeus Liebling krönen sollte.
Doch dieser wandte zürnend hinweg sein ernstes Antlitz,
Und schwebte empor zur heitern Himmelswohnung.

Die Königswahl der Tiere

König Löwe starb; da kamen um zu wählen
Die Reichsmagnaten all' aus ihren Höhlen.
In Afrika zum Tiersenat.
Ein Orang Utang hielt dem König eine Rede,
Erzählte seinen Ruhm, und sprach von mancher Fehde
Und mancher großen edlen Tat.

Jedoch — so fuhr er fort, seit langen Jahren haben
Nur Löwen uns beherrscht; sind denn Regentengaben
Allein ein Vorrecht seiner Art?
Berechtigt Mut und Kraft und scharfe Klaue und Zähne
Nicht ebenwohl zum Thron den Tiger, die Hyäne,
Den Panther, Bär und Leopard?

Der Schmeichler fand Gehör; man nahm dem Löwensohne
Das Recht zum Thron, und gab dem Leopard die Krone;
Der Elephant nur widersprach.
Wahr ist's, ihr habt des Löwen Zähn' und Krallen! —
Allein euch hat des Schmeichlers Wort gefallen —
So steht ihr ihm an Weisheit nach.

Wie mögen die des Staates Ruder lenken,
Die einem Utang Lob und Beifall schenken?
So sprach der weise Elephant.
Man höhnte sein, jedoch nach wenig Wochen
Ward über ihn der Bannfluch ausgesprochen,
Und unterm Druck erlag das Land.

Die großen und die kleinen Raubtiere

Der König Löw' und Herzog Leopard,
Fürst Tiger, Panther und Hyäne,
Graf Luchs und Bär und andre ihrer Art,
Kurz, die Gewaltigen der Krallen und der Zähne
Befahlen einst den kleinern Tieren,
In ihren Ländern und Revieren
Sich künftighin des Raubens zu enthalten,
Und niemals mehr, von schnöder Gier und Wut
Getrieben, mit dem Gut und Blut
Der Schwächeren so freventlich zu schalten,
Wie sie bishero sonder Fug und Recht
Sich angemaßt. — —

Erlaubet eurem Knecht,
Hub jetzt ein Hamster an, demütiglich zu fragen,
Warum ihr Mächtigen uns Kleineren geruht,
Das allergnädigst zu versagen,
Was ihr doch selber täglich tut?
Verzeiht, wenn euer Knecht den Grund nicht sieht,
Warum man uns denn ausgeschlossen? —

Was? brummt ein Bär ihn an, wir treiben es im Großen,
Und darin liegt der Unterschied.

Der Vampir und der Haushahn

Was mag dich doch in aller Welt bewegen,
Wenn alles auf dem Erdenrunde
Verstummt und schläft, in banger Geisterstunde
Mit lautem Ruf die Fittiche zu regen?

So sprach zum Haushahn ein Vampir,
Als jener auf dem Hof in dunkler Nachtzeit krähte.

Mein Ruf und Flügelschlag bekundet Mensch und Tier
Antwortete der Hahn, — die neue Morgenröte.
Mißfällt dir das? — Jedoch wie sollt' es nicht?
Mit deines Fittichs Wehn verschließest du die Augen,
Und wehrest lichtscheu jedem Licht,
Um ungestöret Blut zu saugen.

Die Zedern auf Libanon

Zwölf Männer zogen, mit des Eisens Schärfe
Gerüstet auf des Libanons hohen Gipfel.
Sie wählten sich der Tannen höchst' und standen
Umher. Beschlossen ward der Zeder Fall,
Die manch Jahrhundert schon dem Sturm getrotzet.

Da tönte aus den Wipfeln eine Stimme:
Verwegne, ehrt ihr nicht mein hohes Alter
Und meine Kraft, die durch die Wolken strebt?

Dies eben ist's, antworteten die Männer,
Was jetzt des Schicksals höhere Gewalt
Auf dich hernieder ruft. Willst du allein
Ihm trotzend stehn, ein kühner Spott des Wechsels,
Der über Rom und Babylon gewaltet?
Erfahr auch du des Geistes Übermacht,
Der mit des dunkeln Erzes Kraft sich rüstet.

*    *    *

Gewaltsam trafen jetzt des Eisens Schläge
Den alten Stamm. Die hohen Gipfel wankten.
Erschrocken stand die Schar der jungen Zedern,
Und tiefer drang ins Mark des Erzes Wut.
Da fiel der Baum, zerschmettert sanken rings
Der Zedern junges Volk, der Berg erbebte,
Und weithin scholl das donnernde Getöse.

So bleibt im Fall dem Großen noch die Größe.

*    *    *

Dem Sturze folgte Schweigen. Ein Gewimmer
Ertönte aus der jungen Zedern Wipfel,
Die mit zerrißnen Ästen standen, seufzend:
Wie trauert nun des Libanons öde Seite
Worauf sie fiel, des Waldes Königin!
Zerschmettert liegt der hohen Schwestern Blüte,
Die schlank und schön die Königin bedienten,
Und uns umhängt verdorrend das Gezweige,
Das sie zerschlug! Ihr Götter sagt, was haben
Wir und sie denn gefehlet und verbrochen?

Verbrochen! war die Antwort, wollt ihr denn
Des Schicksals tiefen Rat so kindisch richten,
Und seinen Schluß nach eurer Höhe messen!
Zu nah dem Großen ohne eigne Größe
Traf euch sein Fall. Zu klein um des Geschickes
Gewalt und Schluß mit hohem Mut zu tragen,
Sei euch vergönnt, nur euer Los zu klagen!

*    *    *

Da klagten sie: Wie hat des Libanons Königin
Ihr Haupt umsonst zum Himmelszelt erhoben!
Die Götterstimm' antwortete: Umsonst?
Hat sie euch nicht ein ewig Bild gegeben,
Gleich ihr, in Majestät gen Himmel euch zu heben!

*    *    *

Sie fiel! erscholl die Klage, ach, sie fiel!
Ihr Stamm bedeckt des Berges hohen Rücken,
Und niederwärts im Staube ruht ihr Haupt!

Die Stimme sprach: Nicht blinder Stürme Wut,
Des Geistes Kraft und Kunst hat sie bezwungen!
So wird der Geist auch wieder sie erhöhn,
Mag sie hinschweben auf des Meeres dunklen Wogen
Und Flagg' und Segel sie umwehn;
Mag sie aufstrebend zu der hohen Wölbung Bogen,
Des Tempels Zier und Stütze stehn. —
Was groß zu sein vom Himmel ward erkoren,
Bleibt ewig im Gebiet des Geistes unverloren.

Der Nil und der Maulwurf

Aus seinen Ufern trat der Nil und überschwemmte
Ägyptens Land, befruchtend, weit umher.
Sein Strom, den keine Kraft in seiner Laufbahn hemmte,
Stand auf der Fläche, wie ein Meer.

Ein Maulwurf, der vorsichtig eine Höhe
Zu seiner Wohnung sich erkor,
Vernahm des Stromes Brausen in der Nähe,
Und kroch ans Tageslicht hervor.
Ach! rief er aus, wie manche Maulwurfshöhle,
Zerstört jetzt deine Wut, Tyrann!
Und — hat von uns dir jemals eine Seele
Das Mindeste zu Leid getan?