Fabelverzeichnis
zurück
 

Fabeln 3
 
Die stolze Fliege
Die Spinne und die Schwalbe
Der verurteilte Soldat
Die junge Frau im Beichtstuhl
Der Bär und die Bienen
Der alte Reuter und seine Braut
Der Frosch ein Doktor
Der unvermutete Ehesegen
Die bußfertigen Tiere
Der Fuchs und der Habicht
Die Republik der Spinnen
Der Magister Legens
Der Hund und der Wolf
Der bestellte Gruß
Der Esel und der Hase
Der Schlei in der Fremde
Der Löwe und der Stier
Die Fliege und die Bienen
Der Säufer und seine Frau
Sankt Peter, der Gott sein wollte

 

Die stolze Fliege

Mach dich mit leerem Stolz nicht breit,
Man lacht nur deiner Eitelkeit.

Vier Pferde zogen einen Wagen,
Und ließen in dem schnellen Jagen
Gar einen großen Staub zurück.
Es schwang sich in dem Augenblick
Auch eine Fliege mit hinauf,
Und ruft bei des Wagens Lauf:
Ihr guten Leute, gebt doch Acht,
Den großen Staub hab ich gemacht!

Die Spinne und die Schwalbe

Die Spinne meinte, ganz allein
Das Recht zu haben, groß und klein
Der armen Fliegen zu berücken;
Und sah daher mit scheelen Blicken,
Daß auch die Schwalbe fliegen fing.
Wart, (dachte sie) ich will das Ding
In kurzem dir zu wehren wissen,
Du sollst mir dafür leiden müssen!
Sie war recht stolz auf ihre Künste,
Indem sie ein sehr fest Gespinste
Quer über vor ein Fenster zog,
Durch welches oft die Schwalbe flog.
Allein die Schwalbe kam gar bald,
Fuhr durch das Fenster mit Gewalt,
Riß Spinn und Netz mit übers Dach;
Da schrie die Spinne: Weh mir! Ach!
Ich denke Vögel umzubringen,
Und konnte Fliegen kaum bezwingen!

Der verurteilte Soldat

Ein junger, tapferer Soldat
Ward wegen einer Übeltat,
Die er in bösem Trunk begangen,
Dafür sein Urteil zu empfangen
Hinausgeführt. Sein braunes Haar,
Der großen schwarzen Augen Paar,
Sein gut Gesicht, die schöne Länge,
Bewegten ringsumher die Menge;
Vor allem ward er, wie man sagt,
Vom weiblichen Geschlecht beklagt.

Schon kniet er nieder auf den Sand,
Und schon war von des Henkers Hand
Das scharfe Schwert gezückt, als Halt!
Durch den geschloßnen Kreis erschallt.
Ein Mädchen drang zugleich herbei,
Und rief mit ängstlichem Geschrei:
Pardon! Pardon! Ihr Leute denkt,
Man hat sein Leben mir geschenkt.
Ich fiel dem Landesherrn zu Füßen,
Und ließ so lange Tränen fließen,
Bis ich vom Tod ihn losgemacht.
Ihm ist Verzeihung zugedacht,
Wenn er zur Frau mich nehmen will!

Der arme Sünder sah sie still
Und voller Überlegung an.
Was du, sprach er, für mich getan,
Ist dankenswert. Doch, trügt mich nicht
Dein wildes, kupfriges Gesicht,
Dein rotes Aug, dein spitzes Kinn,
So bist du eine Teufelin,
Die mir zur allerschwersten Bürde
Mein elend Leben machen würde!
Ein böses Stündchen ist fürwahr!
Erträglicher, als zwanzig Jahr
Mit einem Weibe, so wie du,
In steter Qual; drum haut nur zu!

Die junge Frau im Beichtstuhl

Im Beichtstuhl sprach einst eine Frau:
Herr Pater, soll ich ganz genau
Auch meine kleinsten Sünden sagen;
So muß ich Ihnen freilich klagen,
Daß oft mein Mann von mir verreist,
Und mich im Ehstand fasten heißt.
Wer ist gleich stark zu allen Stunden?
Mein Nachbar hat den Weg gefunden
Zu meiner schwachen Zärtlichkeit!
Die Freundschaft ging bald etwas weit,
Soll ich noch weiter fort erzählen?
Mein Sohn, — ich kann es nicht verhehlen —
Es hat mir selbst recht leid getan —
Mein Sohn ist nicht von meinem Mann.
So sprach sie voll verstellter Scham.
Der Pater sprach: Ei ei! Madam,
Sie haben's etwas arg gemacht.
Doch dessen sei nicht mehr gedacht;
Sie sollen mir dadurch es büßen,
Daß Sie es dem Manne sagen müssen.
Beschwören Sie mir dies recht teuer,
Sonst müssen Sie ins Fegefeuer!
Der Dame ging das sauer ein;
Doch einst im Fegefeuer zu schrein,
War ebenfalls ihr ungelegen.

Nach kurz- und gutem überlegen
Versprach sie es, und fand zu Haus
Nach ihrer List ein Mittel aus,
Dem Manne zwar es zu gestehn,
Jedoch sich nicht beschämt zu sehn.
Der Mann trat einst verkappt, verstellt,
Zu ihr herein, wollt' über Feld;
Da fing sie an ihr Kind zu ritzen
Mit ihrer scharfen Nägel Spitzen,
So daß es weinte und schrie.
O liebes Männchen, (sagte sie)
Erschrecke es ein wenig, daß es schweigt!
Der Mann war gleich dazu geneigt;
Hielt seine Hände vors Gesicht,
Und brummte: Mum! Mum! schweigst du nicht,
So nehm ich dich mit weg, fürwahr!
Und fresse dich mit Haut und Haar.
Da fing die Mutter scheltend an:
Fort! fort mit dir, du böser Mann!
Dies Kind gehört dir gar nicht zu!
Mein Schäfchen ist's, laß mirs in Ruh,
Du hast dir nichts dran anzumaßen,
Und sollst mirs ungefressen lassen!

So ward die schwere Buß' erfüllt,
Und ihr Geheimnis blieb verhüllt.

Der Bär und die Bienen

Einst schlich ein honigleckrer Bär
Um eine Bienenwohnung her.
Lautsummend fährt da aus dem Haus
Schnell eine Bien auf ihn heraus,
Und sticht ihn auf den Pelz. Voll Grimm
Faßt gleich der Bär mit Ungestüm
Den Bienenkorb, und stürzt ihn um,
Wühlt in dem Honigseim herum,
Macht hundert junge Bienen tot,
Und brummt, und kratzt, und scharrt und droht.
Als drauf die andern Bienen sahn,
Was ihr ergrimmter Feind getan:
Da fiel die ganze Schar auf ihn.
Er konnte nicht so schnell entfliehn,
Daß sie ihn nicht ereilet hätten,
Vor Angst wußt er sich nicht zu retten;
Der ganze Rücken war ihm wund,
Er blutete an Aug und Mund,
Und ward an allen Vieren lahm.
Als er drauf zu sich selber kam,
Und sich der Bienenschwarm verlor;
Sprach er mit Seufzen: o ich Tor!
Hätt ich der Rache doch vergessen,
Den Einen Stich in mich gefressen!
Nicht einen Stich wollt' ich ertragen,
Nun muß ich über tausend klagen!

* * *

Erwägen sie des Bären Schluß
Herr Autor, und Herr Kritikus.

Der alte Reuter und seine Braut

Ein österreichischer Kürassier,
Der lang gedienet, kam nach Trier,
Und ward ein Wirt. Es fiel ihm ein,
Der Wirtschaft wegen auch zu frein.
Er suchte sich ein Mädchen aus,
Die für ein öffentliches Haus
Ihm recht gemacht schien; von Gestalt
Recht gut; nicht jung, doch auch nicht alt.
Die Hochzeit ward sogleich gemacht.

Als sie nun in der ersten Nacht
In ihre Kammer sich verfügt,
Und schon der Bräutigam vergnügt
Im Bette lag, ganz voll Verlangen
Die Braut auch bald drin zu umfangen;
Da setzte traurig sich die Braut
Auf einen Stuhl, und weinte laut.
Was weinst du denn, mein kleines Lamm,
(Rief zärtlich ihr der Bräutigam,)
Stell doch so albern dich nicht an!
Meinst du denn wohl, es sei beim Mann
So schwer zu schlafen? Kindchen, Nein!
Du sollst bald andrer Meinung sein.

Ach! (sprach sie seufzend) was dem Herrn
Beliebt zu sagen, glaub ich gern.
Beim Mann zu schlafen ist nicht schwer;
Mein — ich bin nicht Jungfer mehr!
Dies war dem Bräutigam freilich nicht
Ein allzu lieblicher Bericht:
Allein, er suchte sich zu fassen,
Und sagte drauf zu ihr gelassen:
Ich seh wohl, so wie ichs gemacht,
So wird's mir wieder eingebracht!
Manch Mädchen hab ich aufgeschnürt,
Und manche brave Frau verführt;
Weil ich so manches Bett entehrt,
Wird auch nichts reines mir beschert.
Indessen, weils nicht anders ist,
So komm nur her, so wie du bist!

Der Frosch, ein Doktor

Aus einem Teiche voller Rohr
Kroch einst ein dicker Frosch hervor;
Die Zeit ward ihm im Wasser lang,
Er nahm zur Lust drum einen Gang
Hin nach dem nächsten grünen Wald,
Dem angenehmen Aufenthalt
Von manchem groß und kleinen Tier.
Da stieg er voller Ruhmbegier
Auf einen runden Eichenklotz,
Sah um sich her mit edlen Trotz;
Und als sich auf den Blumenmatten
Viel Tier' um ihn versammelt hatten,
Blies er die Backen auf und sprach:

Fühlt etwa wer ein Ungemach
An Leber, Lunge, Milz und Herzen;
Hat einer Pein und große Schmerzen
Von Podagra, von Stein und Gicht;
Hat einer keine Öffnung nicht;
Ist er von hektischer Natur;
Liegt er an Fieber, an der Ruhr,
An Kachexie, Epilepsie,
An Agrypnie, Hydropisie;
Hat er den Appetit verloren;
Fühlt Sausen, Brausen in den Ohren —
Der trete dreist zu mir heran
Und nehme von mir Tropfen an!
Honette Herrn nach Standsgebühr.
Sie sehen den größten Doktor hier!
Ich bin die halbe Welt durchreist,
Und meinen großen Namen preist
Paris und London, Wien und Rom,
Der Rhein, der Main, der Donaustrom;
Denn alles hab ich ausstudiert,
Und Tausende hab ich kuriert!

Die Tiere glaubten ihm zum Teil
Und kamen schon in großer Eil
Von allen Ecken hergelaufen,
Und Arznei von ihm zu kaufen,
Da rief der Fuchs: Ihr armen Toren!
Sagt, habt ihr den Verstand verloren?
Seht euren Doktor doch recht an,
Er ist ja selber übel dran!
Die Augen stehn ihm aus dem Kopf;
Die Brust kocht wie ein alter Topf,
Der Mund ist blaß, der Fuß geschwollen,
Der dicke Bauch hervorgequollen;
Kann er hiervon sich nicht befrein,
Wie will er andrer Doktor sein?

Der unvermutete Ehesegen

Beschenke den mit Gegenlügen,
Der dich zu dreist sucht zu betriegen.

Ein Kaufmann, der verschiedne Jahr
In Indien gewesen war:
Kam endlich durch sein gutes Glück
Mit großem Geld und Gut zurück.
Viel Freude war da beim Empfang;
Er hielt sein junges Weibchen lang
In seinen Armen eingeschlossen,
Und Küsse rauschten, Tränen flossen.
Im Feuer dieser Zärtlichkeit
Sah ungefähr der Mann beiseit,
Und fand erstaunt in einer Wiege
Ein kleines Knäbchen, dessen Züge
Den seinen wenig ähnlich waren.
Von andern Augen, andern Haaren.
Er stand betreten, voller Scham.
In aller Welt! (sprach er) Madam,
(Und runzelte die Stirn gar sehr,)
Wo schreibt sich denn dies Kindchen her?
Denn täuschet mich nicht die Gestalt,
So ist es kaum sechs Monat alt!

Ach, liebes Männchen! (sprach die Frau)
Frag doch hiernach nicht so genau.
Ich will dir die Geschichte sagen:
In diesen letzten Wintertagen
Fühlt ich einmal um Mitternacht
Der keuschen Liebe ganze Macht.
Voll von der heißesten Begier
Sehnt ich, mein Engel, mich nach dir.
Ich konnte deiner nicht genießen;
Lief aber, meine Lust zu büßen,
Hinab, damit ich es gesteh,
Und machte mir ein Kind von Schnee;
Das aß ich auf. Mir ward im Leibe
Wie einem wirklich schwangern Weibe,
Und eh ich dessen mich versah,
War dieser kleine Junge da.
Wirf deshalb keinen Argwohn nicht
Auf meine dir gelobte Pflicht.
Der Junge sei uns doppelt wert,
Da ihn der Himmel uns beschert.

Der Mann schwieg still. Ich will mich fassen
(Dacht er) und Sie bei Ehren lassen.
Der Knabe wuchs indes heran.
Nach sieben Jahren ging der Mann
Aufs neu zur See, und nahm den Knaben,
Um Zeitvertreib an ihm zu haben,
Mit auf die Reise; gab ihn da
An jemand nach Amerika,
Und kam zu Haus. Wie? (fragt geschwind
Die Mutter ihn) wo bleibt mein Kind?
Ach! (sprach der Mann) still dein Verlangen,
Es ist mir toll mit ihm gegangen.
Das Schiff geriet in seinem Lauf
Bis an die Linie hinauf.
Du weißt, es ist da schrecklich warm;
Der Knabe lag mir in dem Arm.
Die Sonne stach uns auf den Kopf;
Da schmolz geschwind der arme Tropf;
Und, weil du ihn aus Schnee gemacht,
Zerfloß er mir, eh ichs gedacht.

Die bußfertigen Tiere

Sogar auch in der Tiere Reich
Kam einst die Pest. Des Todes Streich
Riß zwar nicht alle grausam hin;
Doch jedes war in seinem Sinn
Bestürzt, betäubt, und traurensvoll.
Der Wolf vergaß den alten Groll,
Mit dem er auf die Herden fiel.
Da war kein Scherzen mehr, kein Spiel
Bei den verscheuchten Turteltauben;
Der Löwe selbst vergaß zu rauben.

In dieser dringenden Gefahr
Berief er seiner Räte Schar
Um seinen Thron. Ihr Freunde, (sprach
Der Wälder Fürst,) dies Ungemach
Scheint unsrer großen Sünden wegen
Des Himmels Zorn auf uns zu legen!
Darum bekenne jeder hier
Was er verbrochen! Selber mir
Setz ich, wie andern, dies zur Pflicht,
Vielleicht, daß, wenn ein Bösewicht
Den Göttern sich zum Opfer weiht
Ihr Zorn, der uns bisher gedräut,
Gelinder wird. Ich sag es frei,
Daß ich ein großer Sünder sei!
Wie manches Schaf hab ich zerrissen!
Zudem so sagt mir mein Gewissen,
Daß ich den Schäfer selbst verzehrt!
Ich bin darum nichts besseres wert,
Als mich für euer aller Leben
Zum Sühnungsopfer hinzugeben.

Ei! (hub der Fuchs hier schmeichelnd an)
Was Eure Majestät getan,
Das schreit noch nicht nach Rach und Blut!
Sie, gnädiger Herr, sind allzugut!
Und was Sie sich zu Sünden machen
Gehört zu ganz erlaubten Sachen.
Den Tod von ein paar dummen Schafen
Wird niemand wohl an Helden strafen.
Nach meinem wenigen Ermessen
Kann, solch Kanaillenzeug zu fressen,
Kein sonderlich Verbrechen sein.
Der Schäfer geht mit oben ein,
Dem ja ganz recht geschehen ist,
Da er die Schafe selber frißt.

So sprach der Fuchs. Man gab ihm Recht.
Vom Tiger- Bär- und Luchsgeschlecht,
Bis auf den kahlen Kettenhund,
Der, seine Zähne fletschend, stund,
Ward alles höflich freigesprochen,
Und keiner hatte was verbrochen.

Den Esel traf nunmehr die Reih,
Bußfertig trat auch er herbei,
Und sprach: es fällt mir itzund ein,
Daß ich einmal auf einem Rain,
Der einer Kirche zugehörte,
Mit ein paar Hand voll Gras mich nährte.
Der Teufel glaub ich, war im Spiel,
Daß mir dies Gras so wohlgefiel.
Es war nicht mein; drum hab ich dran
Wohl nicht so völlig recht getan.
Oho! (schrieen drauf die andern alle)
In welchem unerhörten Falle
Befindet dieser Sünder sich!
Dich, groben Kirchenräuber, dich
Muß man nach billigen Gesetzen
Der ganzen Welt zum Abscheu setzen.
Wie? Kirchengüter zu verzehren?
Was schrecklichers kann man nicht hören!
Du bist des Todes doppelt wert,
Und der sei dir sogleich gewährt!
Der Esel ward hierauf zerrissen.

Für Fehler muß der Schwache büßen;
Der Mächtige, dem Mut nicht fehlt,
Wird auch von Lastern losgezählt.

Der Fuchs und der Habicht

Ich möchte doch wohl von dir wissen,
(Hub einst, gedrungen vom Gewissen,
Der Fuchs zu einem Habicht an,)
Was dir das Taubenvolk getan,
Daß du so oft auf sie ergrimmst,
Und sie zu deinem Raube nimmst?
Der Habicht sprach: Kann dir's wohl sagen
Man hat das Amt mir aufgetragen,
Auf Recht und Billigkeit zu sehn;
Als Richter jegliches Vergehn
Scharf zu bestrafen; ohne Schonen
Jedwedem nach Verdienst zu lohnen.
Man muß den Tauben strenge sein,
Sie fressen Weizen, Erbsen, Lein
Und ließe man sie stets so walten,
Der Landmann würde nichts behalten.
Gut, (sprach der Fuchs) das Ding hat Schein;
Doch warum strafst du nicht den Weihn,
Und Geier, Adler, Trappen, Raben,
Die so viel Korn zu Schande traben?
Die armen Tauben trifft dein Mord,
Und jenen sagst du nicht ein Wort.
Die sind zu stark, erwidert ihm
Der Habicht voller Ungestüm
Würd ihre Wut vereint mich beißen,
Und mich vielleicht in Stücke reißen.
Du strafst ja auch den armen Hasen,
Der auf dem allgemeinen Rasen
Sonst nichts als Gras und Kräuter ißt,
Und schonst des Wolfs, der Lämmer frißt!
Wir sind hierin wohl gleiche Brüder;
Man schonet uns, wir schonen wieder.

Die Republik der Spinnen

Dem Spinnenvolke fiel es ein,
In Zukunft sicherer zu sein,
Und nicht jedwedem zu vergönnen,
In ihrem Schloß herumzurennen.

Sie wohnten eben dazumal
In einem großen, wüsten Saal,
Durch dessen offne Fensterbogen
Stets Mücke, Schwalb und Sperling flogen.
Wir wollen, murrten die Spinnen,
Den Vorteil euch wohl abgewinnen.
Und zogen in die Läng und Quer
Viel Fäden vor den Fenstern her.
Doch Schwalb und Sperling kamen bald
Und fuhren dreist und mit Gewalt,
Durch diese leichten Spinneweben,
Und nur die Mücken blieben kleben.

* * *

Fast so wie diese Spinnennetze
Sind oft im Staate die Gesetze.
Kein Mächt'ger wird darin gefangen,
Nur bloß der Schwache bleibt drin hangen.

Der Magister Legens

Ein junger windiger Magister
Stand in der Einbildung, als wüßt er
Schon alle Weisheit. In dem Wahn
Schlug er am schwarzen Brett es an,
Daß er, vermöge seiner Würde,
Gleich andern, Stunden geben würde.
Er tat's, und las. Allein wie heiß
Ward ihm dabei! der dicke Schweiß
Stand ihm vor Angst auf Stirn und Wangen,
Bis seine Stunde nun vergangen.
Da kam er atemlos heraus,
Und rief ganz aus sich selber aus;
Ei! Sapperlot! wir armen Hunde!
Was gehn viel Wort auf eine Stunde!
Nun ist mir alles ausgefahren,
Was ich gelernt in zwanzig Jahren!

Der Hund und der Wolf

Mit Recht wird der Staat verlacht,
Der zu treuherzig Frieden macht.
Wirf deinen Feind sogleich darnieder!
Gelegenheit kommt selten wieder.

Vorm Gartentore schlief ein Hund;
Dem naht sich in der Abendstund
Ein Wolf; erwischt ihn bei dem Bein,
Und sprach: du mußt mein Braten sein!
Der Hund versetzt aus Angst beherzt:
Mein wertester Herr Wolf, ihr scherzt!
Wie könntet ihr euch so vergessen,
Und mich höchstmagern Schurken fressen?
Geduldet euch noch kurze Zeit!
Denn (unter uns) mein Herr, der freit,
Und da werd ich mit andern Gästen
Gewißlich mich nicht wenig mästen.
Bin ich alsdann recht stark und feist:
So kommt hierher nur frei und dreist;
Ich werde gern mich euch ergeben,
Denn ich mag so nicht lange leben.

Der Wolf glaubt diesem süßen Wort,
Und eilet zu dem Walde fort.
Nach einem guten Vierteljahr
Stellt er des Nachts sich wieder dar.
Der Hund war eben drin im Haus.
Er rief ihm zu: Freund, komm heraus!
Und ist dein Wort bei dir in Ehren,
So komm, und laß dich nun verzehren;
Du weißt, daß du vor wenig Wochen
Mir solches auf die Hand versprochen.
Gleich komm ich! (sprach der Hund hierauf,)
Und stürzte sich mit wildem Lauf
Heraus auf seinen Feind; zerreißt
Voll Wut sein Fell, und würgt, und beißt
So auf ihn los, daß in der Flucht
Der Wolf sehr eilig Rettung sucht.
Im Fliehen rief der Hund ihm nach:
Ich halte, was ich dir versprach!
Ich bin recht stark und fett geworden,
Um desto besser dich zu morden.

Der bestellte Gruß

Hans, ein Lakai, ging von Berlin
Zu seiner Frau nach Steglitz hin.
Zween seiner Mitbediente sprachen:
Hans, du hast diese Nacht gut lachen!
Bestelle doch auch unsern Gruß
An deine Frau mit einem Kuß;
Und uns zulieb erweis zweimal
Dich in der Nacht als Herr Gemahl.
Hans sagt es zu. Er kommt zu Haus,
Und richtet alles treulich aus;
Die Küsse; drauf auch in der Nacht
Das andere, sehr gut gemacht!
Nach diesem Spiele schlief er ein;
Der Frau schien das nicht recht zu sein,
Sie stieß bald drauf ihn wieder an,
Und sprach: hör doch mein lieber Mann,
Hast du denn nicht noch mehr Bekannte,
Als die dein Gruß mir eben nannte?
O ja, (sprach Hans vom Schlaf ganz schwer,)
Der sind in unserm Haus noch mehr;
Allein von keinem sonst hab ich,
Mein Kind, ein Kompliment an dich.

Der Esel und der Hase

Es wollten vor uralten Zeiten
Die Tiere mit den Vögeln streiten.
Sie musterten ihr Kriegesheer.
Ein alter und erfahrner Bär
Ward zu dem Feldzug General.
Als dieser in der Krieger Zahl
Den Hasen und den Esel sah,
Sprach er zum Löwen: Diese da
Mag ich in der Armee nicht wissen,
Wir können sie gar wohl vermissen!
Sie würden uns doch nur entehren,
Drum laß sie sich zum Teufel scheren!
Der Tiere weiser König sprach:
Herr General, etwas gemach!
So sehr Sie ihren Zorn erhitzen,
So sehr kann ich sie beide nützen!
Wir brauchen zum Kurier den Hasen;
Der Esel soll zum Treffen blasen,
Den Feind mit seiner Stimm' erschrecken,
Und unsern Kriegern Mut erwecken.

* * *

Laßt den Geringen auch nicht müßig,
Im Staat ist Niemand überflüssig,
So schlecht er sein mag von Natur,
Gebt ihm die rechte Stelle nur.

Der Schlei in der Fremde

Der Schlei ward einst sehr ärgerlich,
Von allen andern Fischen sich
Mit solchem Stolz verschmäht zu sehn.
Ich muß nur in die Fremde gehn,
(Gedachte er) da weiß es niemand,
Wie wenig Achtung ich allhier fand.
Er schwamm, drauf in des Meeres Schoß,
Tat gegen jeden Fisch sehr groß,
Und sprach da prahlend, ohne Scheu:
Ich bin der Herr Baron von Schlei!
Was hat mein Vater nicht für Schlösser,
Und reiche Güter, im Gewässer!
Drum muß ichs euch, ihr Herrn, wohl lehren,
Mich nach Verdiensten zu verehren.
Dem hörte Dorsch und Schellfisch zu;
Ein schöner Edelmann bist du,
(Versetzten sie) von solchen Gaben,
Daß niemand dich verlangt zu haben.
Du siehst uns völlig danach aus,
Als wollte dich kein Mensch zum Schmaus,
Wir sind der reichen Herren Essen:
Und dich mag kaum ein Schneider fressen.

* * *

Die Herrn aus Welsch- und Frankenreich
Sind öfters diesem Schleie gleich.
Tritt wer die Reise zu uns an,
So wird er auch ein Edelmann.

Der Löwe und der Stier

Wer in der Welt kein Fremdling ist,
Entdeckt bald der Verräter List.

Der Löwe sprach zu einem Stier:
Erzeige doch die Ehre mir
Und komm auf diesen Abend her,
Mit mir zu essen; Ungefähr
Hat man mir heut ein Schaf gebracht,
Das man für uns zurechte macht.
Der Stier versprach's und fand sich ein;
Doch kaum trat er ins Haus hinein
Und sah sich um, so lief er schon
Auch wieder fort. Hör doch, mein Sohn,
Rief ihm der Löwe freundlich nach,
Lauf doch nicht weg! Der andre sprach:
Ich traue deiner Küche nicht;
Kein Schaf kommt mir da zu Gesicht.
Doch seh ich drin ein höllisch Feuer
Und einen Spieß, so ungeheuer,
Daß mir's gar leicht wird erraten:
Man will dran einen Ochsen braten.

Die Fliege und die Bienen

Zu einem Bienenkorbe kam,
Da strenger Frost den Anfang nahm,
Mit bittern Klagen eine Fliege,
Und sprach: Ihr seht, wie krumm ich liege
Von Frost und Mangel; nehmt mich ein!
Ich will euch gerne nützlich sein,
Mich euren Kindern ganz verpflichten,
Und in Musik sie unterrichten.
Der Bienen eine nahm das Wort,
Und sprach: an sehr unrechten Ort
Bist du mit deiner Kunst geraten!
Was wir in jungen Jahren taten,
Muß unsre Jugend wieder tun!
Sie darf nie müßig sein, nie ruhn;
Und nichts sonst lassen wir sie lehren,
Als Honigmachen, uns zu nähren.
Bei Fleiß und bei Geschäftigkeit
Bleibt zur Musik uns keine Zeit.

* * *

In Hamburg hat ein Kastrat,
(Der kläglich um Erlaubnis bat,
Nach hingebrachtem Schauspielleben
Im Singen Unterricht zu geben,)
Von einem weisen Oberalten
So was zur Antwort auch erhalten.

Der Säufer und seine Frau

Dem Bacchus das Gehirn begeistert,
Der wird von keiner Furcht bemeistert;
Und noch im Grabe wurde Wein
Sein Wunsch bei dem Erwachen sein.

Ein Säufer, welcher jeden Tag
Bis in die Nacht im Weinhaus lag,
Ward einstens um die Mitternacht
Ganz sinnenlos nach Haus gebracht.
Die Frau, die gern ihn bessern wollte,
Schloß ihn, daß er erschrecken sollte,
Im nahen Erbbegräbnis ein.
Sie selbst begab sich mit hinein,
Verlarvt, verkleidet, und verstellt,
Als wie ein Geist der Unterwelt.
So wie es gegen Morgen kam,
Und nun der Rausch den Abschied nahm:
Erwacht der Mann; sah wild umher,
Im Sarg? im Leichentuch? (dacht er,)
Bei einer Totenlampe Schein?
Fürwahr! ich muß gestorben sein!
Indem kam seine Frau gerannt
Mit einer Schüssel in der Hand.
Wer bist du? (fragte sie der Mann,)
Und sah sie mit Erstaunen an.
Ich bin (sprach sie,) die Schließerin
Vom Höllenreich! und hier! nimm hin,
Das was ich dir zu essen bringe!
Was sind es denn für schöne Dinge?
(Versetzt der Mann) Gut! dein Gericht
Verschmäht ein leerer Magen nicht,
Obs gleich nach Schwefel scheint zu stinken:
Doch gibt man denn hier nichts zu trinken?

Sankt Peter, der Gott sein wollte

Sankt Peter ging einst über Feld
Mit seinem Meister. Von der Welt
Und ihrer besseren Regierung,
Von aller Sachen weisern Führung,
Sprach er da viel und mancherlei.
Zuletzt ward er so dreist und frei,
Daß er vor Überklugheit schwur:
Wär ich, wie du, Herr der Natur,
So sollte mirs ganz anders gehn,
Als wie man es bisher gesehn!
Laß Einen Tag mich Gott nur sein,
Und Mensch und Vieh soll sich erfreun.

Sein Meister lächelte, und sprach:
Ich gebe deinen Wünschen nach,
Und trete dir die Herrschaft ab.
Da! nimm auf heute meinen Stab;
Regier die Welt, und gib wohl Acht!
Dein Regiment dauert bis zur Nacht,
Dann will ichs wieder übernehmen;
Bis dahin laß ich dich bezähmen.

Sankt Peter nahm mit großen Freuden
Den Stab des Meisters: als sich beiden
Da eben itzt das Morgenrot
Den ersten Gruß der Erde bot,
Ein Weib bei einem Dorfe naht,
Die hart an eine Wiese trat,
Und, so wie es ihr Mann ihr hieß,
Da eine Ziege laufen ließ.
Sie sagte ziemlich laut für sich:
Lauf weiter, Gott behüte dich!
Hörst du? (fing drauf der Heiland an)
Was sie für einen Wunsch getan?
Du bist, so wie du mich gebeten,
Auf heut, an Gottes Statt getreten;
Drum hat dies Weib dir zu gebieten,
Und du mußt ihre Ziege hüten.
Tu also, was man dir bestimmt,
Und daß sie ja nicht Schaden nimmt!

Sankt Petern kam dies ungelegen
Allein hier half kein lang Erwägen.
Er mußte seiner Ziege nach,
Die itzo durchs Gesträuche brach;
Bald an dem Zaun ihr Futter nagt
Bald auf den Weidenbaum sich wagt;
Dies währte so den ganzen Tag,
Daß er für Hitz und Durst erlag.
Sie lief die Klippen auf und nieder,
Strich durch die Wälder hin, und wieder;
Durch Sumpf und Moor, durch Busch und Hecken,
Blieb öfters in den Dornen stecken,
Woraus Sankt Peter ganz im Schweiß
Sie mit viel Arbeit, Müh und Fleiß
Herausziehn mußte. Voller Zorn
Nahm er sie endlich bei dem Horn,
Und brachte sie der Frau zurück,
So wie der letzte Sonnenblick
Am Horizont verschwunden war.
Kaum ward er seines Herrn gewahr;
So rief er kraftlos, schwach, und matt:
Ich bin des Weltregierens satt!
Ich Tor! Wie? ich will der Natur,
Und all und jeder Kreatur,
Vom Menschen bis zum Vieh gebieten;
Und kann kaum eine Ziege hüten?
Nimm deinen Stab, Herr, wieder hin,
Ich will gern bleiben, wer ich bin!