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Lieder
Teil 2
 

Lied 16
Das Lied expliziert den bekannten Topos vom Verlust der Sprache und der Sinne beim Anblick der Geliebten.
 

1.
Wê, wie lange sol ich ringen
umbe ein wîp, der ich noch nie wort zuo gesprach?
wie sol mir an ir gelingen?
seht, des wundert mich, wan es ê niht geschach,
Daz ein man also tobt, als ich tuon zaller zît,
daz ich sî sô herzeclîche minne
und es ê nie gewuoc und ir dient iemer sît.

2.
Ich weiz vil wol, daz si lachet,
swenne ich vor ir stân und enweiz, wer ich bin.
sa zehant bin ich geswachet,
swenne ir schoene nimt mir sô gar mînen sin.
Got weiz wol, daz si noch mîniu wort nie vernam,
wan daz ich ir diende mit gesange,
sô ich beste kunde, und als ir wol gezam.

3.
Owê des, waz rede ich tumme?
daz ich niht enrette als ein saeliger man!
sô swîge ich rehte als ein stumme,
der von sîner nôt niht gesprechen enkan,
Wan daz er mit der hant sîniu wort tiuten muoz.
als erzeige ich ir mîn wundez herze
unde valle vür sî unde nîge ûf ir vuoz.

 

1.
Ach, wie lange soll ich noch um diese Frau kämpfen,
zu der ich noch nie ein Wort gesprochen habe. Wie soll ich
bei ihr Erfolg haben? Seht, das setzt mich in Erstaunen,
denn noch nie ist es bisher vorgekommen, daß ein
Mann sich so unsinnig benimmt, wie ich es ständig tue,
weil ich sie von Herzen liebe, es ihr früher aber nie
gestand; gedient jedoch habe ich ihr seither immerzu.

2.
Ich weiß recht gut, daß sie lacht,
wenn ich vor ihr stehe und nicht weiß, wer ich bin.
Ich bin sofort benommen, ihre Schönheit verwirrt
mir allzusehr den Verstand.
Gott weiß genau, daß sie noch kein Wort von mir
vernahm; nur mit meinen Liedern diente ich ihr,
so gut ich es vermochte und wie es ihr gebührte.

3.
O weh, was rede ich so töricht?
Daß ich nicht geredet habe wie ein Mann,
dem das Glück hold ist. Ich hingegen schweige wie
ein Stummer, der von seiner Qual nicht sprechen und
das, was er sagen möchte, nur mit der Hand andeuten
kann. Genau so zeige ich ihr mein wundes Herz, falle
vor ihr nieder und neige mein Haupt ihr auf den Fuß.

 

Lied 17

Das Motiv des Schweigens vor der Geliebten ist zentrales Thema des Liedes.

 

1.
Owê, war umbe volg ich tumben wâne,
der mich sô sêre leitet in die nôt?
ich schiet von ir gar aller vröiden âne,
daz sî mir trôst noch helfe nie gebôt.
Doch wart ir varwe liljen wîz und rôsen rôt,
und saz vor mir diu liebe wolgetâne,
geblüet reht alsam ein voller mâne:
daz was der ougen wunne und des herzen tôt.

2.
Mîn staeter muot gelîchet niht dem winde.
ch bin noch, als sî mich hât verlân,
vil staete her von einem kleinen kinde,
swie wê si mir nu lange hât getân, als
swîgende iegenôte, und ein verholner wân. wie
dicke ich mich der tôrheit underwinde, swanne
ich vor ir stân und sprüche ein wunder vinde,
und muoz doch von ir ungesprochen gân?

3.
Ich hân sô vil gesprochen und gesungen,
daz ich bin müede und heis von der klage. in
bin umbe niht wan umb den wint betwungen,
sît sî mir niht geloubet, daz ich sage. Wie
ich si minne, und wie ich ir holdez herze trage.
deswâr, mirn ist nâch werde niht gelungen.
hete ich nâch gote ie halp sô vil gerungen,
er naeme mich zuo zim. ach mîner tage!

 

1.
Ach, warum hänge ich der törichten Hoffnung nach,
die mich doch so tief in diese Bedrängnis geführt
hat. Ich schied von ihr, ganz ohne Freuden, weil
sie mir weder Ermutigung noch Hilfe gewährte.
Und dennoch: Ihr Antlitz färbte sich lilienweiß und
rosenrot, und die Geliebte saß in ihrer Schönheit vor
mir, leuchtend wie der Vollmond: Für die Augen war
es höchstes Glück, für das Herz indessen der Tod.

2.
Mein treuer Sinn gleicht nicht dem Wind. Ich bin noch,
wie sie mich verlassen hat: ihr ergeben von frühester
Kindheit an, obwohl sie mir seit langem durch ihr
beständiges Schweigen Qualen bereitet hat, sie und
eine geheime törichte Hoffnung. Wie oft verhalte ich
mich wie ein Tor? Immer, wenn ich vor ihr stehe und
mir die schönsten Worte einfallen und ich dennoch
von ihr gehen muß, ohne sie gesagt zu haben.

3.
Ich habe so viel geredet und gesungen, daß ich vom
Klagen müde und heiser bin. Nur um eine Nichtigkeit bin
ich in Kummer und Sorgen, da sie meinen Worten keinen
Glauben schenkt, wenn ich ihr versichere, wie ich sie liebe
und wie sehr ihr mein Herz zugetan ist. Fürwahr, das
Ergebnis meiner Bemühungen ist meinem Verdienst nicht
angemessen. Wenn ich mich je halb soviel um Gott bemüht
hätte, nähme er mich zu sich. Weh über mein Leben.

 

Lied 18
 

1.
Diu vil guote,
daz si saelic müeze sîn!
wê der huote,
diu der welte sô liehten schîn an
ir hât benomen, daz man si niht wan selten sêt,
sô diu sunne, diu des âbendes under gêt.

2.
Ich muoz sorgen,
wen diu lange naht zergê
gegen dem morgen,
daz ichs einest an gesê, mîn
vil liebe sunnen, diu mir sô wunnenclîchen taget,
daz mîn ouge ein trüebez wolken wol verklaget.

3.
Swer der vrouwen
hüetet, dem künde ich den ban;
wan durch schouwen
sô geschuof si got dem man, daz
si waer ein spiegel, al der werlde ein wunne gar.
waz sol golt begraben, des nieman wirt gewar?

4.
Wê der huote,
die man reinen wîben tuot!
† huote machet
staete vrouwen wankelmuot. †
Man sol vrouwen schouwen unde lâzen âne twanc.
ich sach, daz ein sieche verboten wazzer tranc.

5.
Ascholoie
diu vil guote heizet wol.
erst von Troie
Paris, der si minnen sol. Obe
er kiesen solde under den schoenesten, die nu
leben sô wurde ir der apfel, waer er unvergeben.

 

1.
Sie ist überaus gut,
möge ihr das Glück zuteil werden,
das sie verdient! Fluch über die Aufpasser,
die der Welt mit ihr eine so strahlende Erscheinung
entzogen haben, so daß man sie nur selten sieht.
So tut's auch die Sonne, wenn sie abends untergeht.

2.
Ich muß die Zeit
in banger Sorge zubringen,
bis die lange Nacht gegen Morgen vergeht.
Erst dann kann ich sie, meine liebe Sonne, einmal
ansehen, die mir so freudevoll aufgeht, daß mein
Auge wohl aufhört, über eine dunkle Wolke zu klagen.

3.
Wer die Frau vor der Welt versteckt,
dem kündige ich die Strafe des Bannes an;
Gott hat sie ja gerade deshalb geschaffen, daß der
Mann sie anschaue, daß sie strahle wie ein Spiegel,
der ganzen Welt so recht eine Freude. Was soll
vergrabenes Gold, das keiner bemerkt?

4.
Fluch über die Aufsicht, die man über Frauen
verhängt, die ohne Tadel sind.
†Aufsicht macht selbst beständige Frauen wankelmütig.†
Frauen soll man anschauen
und sie gleichwohl ohne Zwang lassen.
Ich sah, wie ein Kranker verbotenes Wasser trank.

5.
Ascholoi,
so heißt die Gute gewiß.
Er ist Paris von Troja und soll sie lieben.
Müßte er unter den schönsten Frauen
unserer Zeit wählen, dann bekäme sie den Apfel,
wenn er nicht schon vergeben wäre.

 

Lied 19

Die beiden Lieder 19+20 sind von allen Interpreten als Einheit betrachtet worden, und zwar mit
guten Gründen: 1) Sie folgen in den Hss. aufeinander. 2) Die Gedanken, die in 19 allgemein dargelegt werden,
werden in 20 aufgegriffen und spezifiziert.

 

Vrowe, wilt du mich genern,
sô sich mich ein vil lützel an.
ich enmac mich langer niht erwern,
den lîp muoz ich verlorn hân.
Ich bin siech, mîn herze ist wunt.
vrowe, daz hânt mir getân
mîn ougen und dîn rôter munt.

 

Herrin, wenn du mich retten willst,
dann sieh mich doch ein wenig an.
Ich vermag nicht länger Widerstand zu leisten,
bald wird es um mein Leben geschehen sein.
Ich bin krank, mein Herz ist verwundet.
Herrin, das haben mir meine Augen angetan
und dein roter Mund.

 

Lied 20
 

Vrowe, mîne swaere sich,
ê ich verliese mînen lîp.
ein wort du spraeche wider mich:
verkêre daz, du saelic wîp!
Du sprichest iemer neinâ neinâ nein,
neinâ neinâ nein.
daz brichet mir mîn herze enzwein.
maht du doch eteswenne sprechen jâ,
jâ jâ jâ jâ jâ jâ jâ?
daz lît mir an dem herzen nâ.

 

Herrin, schau auf meine Qual,
bevor mein Leben dahinschwindet.
Du sagtest einst ein Wort zu mir:
Nimm es zurück, gepriesene Frau,
die auch Glück zu schenken vermag.
Du sagst immer nein, nein, nein, nein, nein,
nein, das bricht mir das Herz.
Kannst du nicht doch zuweilen ja sagen,
ja, ja, ja, ja, ja, ja, ja?
Das liegt mir so am Herzen.

 

Lied 21
 
1.
Ob ich dir vor allen wîben guotes gan,
sol ich des engelten, vrouwe, wider dich,
stê daz dîner güete saeliclîchen an,
sô lâz iemer in den ungenâden mich.
Hab ich dar an missetân, die schulde rich,
daz ich lieber liep zer werlte nie gewan:
nâch der liebe sent ie mîn herze sich.

2.
Ob ich iemer âne hôchgemüete bin,
waz ist ieman in der werlte deste baz?
gênt mir mîne tage mit ungemüete hin,
die nâch vröiden ringent, den gewirret daz.
Jâ, wirt daz ir ungewin, der valschen haz.
die verkêrent underwîlent mir den sin:
nieman solde nîden, ern wiste waz!

3.
Vrowe, ob dû mir niht die werlt erleiden wil,
sô rât unde hilf, mir ist ze lange wê,
sît si jehent, ez sî niht ein kinde spil,
dem ein wîp sô nâhen an sîn herze gê.
Ich erkande mâze vil der sorgen ê,
disiu sorge gêt mir vür der mâze zil:
hiute baz und aber danne über morgen wê.

4.
Ich habe ir vil grôzer dinge her verjehen,
herzeclîcher minne und ganzer staetekeit.
des half mir diu rehte herzeliebe spehen.
wol mich, hab ich al der werlte wâr geseit.
Habe ich dar an missesehen, dâst mir leit.
mir mac elliu saelde noch von ir geschehen:
in weiz niht, waz schoener lîp in herzen treit.

 
1.
Wenn ich dir mehr als allen Frauen Gutes gönne, mir aber
von dir dafür nur Nachteile einhandle, dann laß mich,
Herrin, falls eine solche Art Belohnung mit deiner Güte und
Freundlichkeit zu vereinbaren ist, lieber in Ungnade.
Habe ich unrecht daran getan, daß ich keine Frau auf Erden
kennen gelernt habe, die ich mehr liebe, dann räche diese
Schuld. Mein Herz sehnt sich immerfort nach der Freude.

2.
Wie? Hat irgendeiner in der Welt etwas davon, wenn ich
immer niedergeschlagen bin? Verstreichen mir lustlos
meine Tage, verdrießt es die, die auf Freude aus sind.
Ja, ihnen bringt es nur Schaden; aber selbst der erweckt
bei den Mißgünstigen noch Anfeindung. Die verdrehen mir
alsbald das Wort im Munde. Niemand sollte gehässig sein,
ohne den Grund dafür zu kennen.

3.
Herrin, wenn du mir nicht die Welt verleiden willst,
so gewähre mir Rat und Hilfe, zu lange währt mein Leid;
man sagt ja, es sei kein Kinderspiel, wenn einem eine
Frau so nahe am Herzen steht. Ich kannte schon früher
ein gehöriges Maß von Kummer, aber nun geht dieser
Kummer über jedes Maß hinaus; Heute gut,
über den anderen Tag gleichwohl wieder schlecht.

4.
Ich habe bisher große Vorzüge an ihr gerühmt: Liebe, die
vom Herzen kommt, und vollkommene Beständigkeit. Echte
Herzensliebe half mir das zu erkennen. Wohl mir, wenn ich
der ganzen Welt die Wahrheit verkündet habe. Sollte ich
mich jedoch geirrt haben, tut es mir leid. Aber noch kann
mir von ihr alles Glück zuteil werden: Ich weiß ja nicht,
welche Absichten eine schöne Frau in ihrem Herzen trägt.

 
Lied 22
 
1.
Ich waene, nieman lebe, der mînen kumber weine,
den ich eine trage,
ez entuo diu guote, die ich mit triuwen meine,
vernimt si mîne klage.
Wê, wie tuon ich sô, daz ich sô herzeclîche
bin an sî verdâht, daz ich ein künicrîche
vür ir minne niht ennemen wolde,
ob ich teilen unde weln solde?

2.
Swer mir des verban, obe ich si minne tougen,
seht, der sündet sich.
swen ich eine bin, si schînt mir vor den ougen.
sô bedunket mich,
Wie si gê dort her ze mir aldur die mûren.
ir rede und ir trôst enlâzent mich niht trûren.
swenne si wil, sô vüeret sî mich hinnen
zeinem venster hôh al über zinnen.

3.
Ich waene, si ist ein Vênus hêre, die ich dâ minne,
wan si kan sô vil.
sî benimt mir beide vröide und al die sinne.
swenne sô si wil,
Sô gêt sî dort her zuo einem vensterlîne
unde siht mich an reht als der sunnen schîne.
swanne ich sî danne gerne wolde schouwen,
ach, sô gêt si dort zuo andern vrouwen.

4.
Dô si mir alrêrst ein hôchgemüete sande
in daz herze mîn,
des was bote ir güete, die ich wol erkande,
und ir liehter schîn
Sach mich güetlîch an mit ir spilnden ougen,
lachen sî began ûz rôtem munde tougen.
sâ zehant enzunte sich mîn wunne,
daz mîn muot stêt hôhe sam diu sunne.

5.
Wê, waz rede ich? jâ ist mîn geloube boese
und ist wider got.
wan bite ich in des, daz er mich hinnen loese?
ez was ê mîn spot.
Ich tuon sam der swan, der singet, swenne er
stirbet. waz ob mir mîn sanc daz lîhte noch
erwirbet, swâ man mînen kumber sagt ze maere,
daz man mir erbunne mîner swaere?

 
1.
Ich glaube, es gibt niemand, der meinen Kummer
beweint, den ich allein trage, es sei denn die
Gute, die ich treu liebe, falls sie meine Klage
vernimmt. O weh, warum verhalte ich mich nur
so? Ich bin mit all meinen Gedanken so sehr bei
ihr, daß ich selbst ein Königreich nicht
gegen ihre Liebe eintauschen wollte - auch
wenn ich es mir zuteilen und auswählen dürfte.

2.
Wer es mir mißgönnt, daß ich heimlich liebend
an sie denke, seht, der tut Unrecht. Wenn ich
einsam bin, leuchtet sie mir hell vor den Augen.
Dann scheint es mir, als trete sie dort mitten
durch die Mauer auf mich zu. Ihre aufmunternden
Worte lassen es nicht zu, daß ich traurig bin.
Wann immer sie will, führt sie mich von hier weg
hin zu einem Fenster hoch über die Zinne.

3.
Ich glaube, die Frau, die ich liebe ist eine gewaltige
und erhabene Venus, denn sie vermag so viel. Sie
raubt mir meine Freude und dazu noch den Verstand
Wenn es ihr gefällt, dann tritt sie von dort hierher
an ein kleines Fenster und sieht mich strahlend an,
ganz wie die Sonne mit ihrem Schein.
Sobald ich sie aber dann schauend betrachten möchte,
ach, dann geht sie dort zu den anderen Damen.

4.
Damals, als sie zum ersten Mal Frohsinn in mein
Herz schickte, da war ihre Güte, die ich richtig
erkannte, der Bote.
Und sie sah mich in ihrer glänzenden
Erscheinung mit strahlenden Augen freundlich an,
ihr roter Mund begann verstohlen zu lächeln.
Sogleich flammte in mir ein Wonnegefühl auf,
daß ich mich nun bis zur Sonne erhoben fühle.

5.
Ach, was rede ich? Fürwahr, mein Glaube ist schlecht
und wider Gott. Warum bitte ich ihn nicht, mich von
hier zu nehmen? Was ich eben gesagt habe, war nicht
im Ernst gesprochen. Ich folge dem Beispiel des
Schwans, der singt wenn er stirbt. Was wäre, wenn
mein Singen vielleicht noch dies erreichte: Daß man
mich überall dort um meinen Schmerz beneidete,
wo man von meiner Liebesqual erzählt?

 
Lied 23
 
1.
Ich hôrte ûf der heide
lûte stimme und süezen sanc.
dâ von wart ich beide
vröiden rîch und an trûren kranc.
Nâch der mîn gedanc sêre ranc unde swanc,
die vant ich ze tanze, dâ si sanc.
âne leide ich dô spranc.

2.
Ich vant si verborgen
eine und ir wengel von trehen naz,
dâ si an dem morgen
mînes tôdes sich vermaz.
Der vil lieben haz tuot mir baz danne daz,
dô ich vor ir kniewete dâ si saz
und ir sorgen gar vergaz.

3.
Ich vant si an der zinne
eine, und ich was zuo zir gesant.
dâ mehte ichs ir minne
wol mir vuoge hân gepfant.
Dô wânde ich diu lant hân verbrant sâ
zehant, wan daz mich ir süezen minne bant
an den sinnen hât erblant.

 
1.
Ich hörte am Waldesrand helle Stimme
und lieblichen Gesang. Das erhöhte meine
Freude, und vertrieb sogleich meinen
Kummer. Sie, um die meine Gedanken
immer und immer kreisten,
erblickte ich dort, singend beim Tanz.
Befreit tanzte ich da mit.

2.
Ich bemerkte sie an einem verborgenen Ort, allein,
und ihre Wangen waren naß von Tränen.
Es war dort, wo sie am Morgen prahlend mir das
Todesurteil gesprochen hatte. Die feindselige Haltung
der Geliebten ist wohltuender für mich als das,
was damals geschah, als ich dort, wo sie saß, vor ihr
kniete, und sie ihre Fürsorge ganz vergessen hatte.

3.
Ich fand sie auf der Zinne, allein;
man hatte mich nämlich zu ihr geschickt.
Dort hätte wohl mit dem gehörigen Anstand ihre
Liebe rauben können. In diesem Augenblick glaubte
ich, alsbald das Land in Brand zu setzen:
dabei war es nur das reizende Band ihrer Liebe,
das meine Sinne blind gemacht hat.

 
Lied 24

Bezeichnend für dieses Lied ist der ständige Stimmungswechsel und die sprunghafte, ja widersprüchliche
Gedankenführung.

 
1.
Solde ich iemer vrowen leit
alder arc gesprechen, daz hât sî verschuldet
wol, diu daz hât von mir geseit, daz
ich singe owê von der ich iemer dienen sol.
Si ist des liehten meien schîn
und mîn ôsterlîcher tac. swenne
ich sî an sihe, sô lachet ir daz herze mîn.

2.
Mîn vrowe ist sô genaedic wol, daz si
mich noch tuot von allen mînen sorgen vrî.
des bin ich vrô reht als ich sol. ich waene,
nieman lebe, der in sô ganzen vröiden sî.
Wol ir hiute unde iemer mê!
alsô sprich ich und wünsche ir des, du mir
hât benomen mit vröiden gar mîn alt owê.

3.
Swaz ich singe ald swaz ich sage, sône
wil si doch niht troesten mich vil senden man.
des muoz ich ringen mit der klage unde
mit der nôt, die ich selbe mir geschaffet hân.
Sô ist siz doch diu vrowe mîn:
ich binz, der ir dienen sol, unde
wünsche ir des, dazs iemer saelic müeze sîn.

 
1.
Sollte ich jemals mit meinen Liedern Frauen Leid
zufügen oder sie tadeln, dann hat sie es sich
durchaus selbst zuzuschreiben. Sie hat behauptet,
ich sänge "o weh" von der, der doch mein ständiger
Dienst gebühre. Sie ist der Glanz des leuchtenden
Mai und mein österlicher Tag. Immer, wenn ich sie
anschaue, lacht ihr mein Herz entgegen.

2.
Meine Herrin besitzt so viel freundliches Entgegenkommen,
daß sie mich noch einmal aus allen Nöten erlösen wird.
Darüber bin ich froh, wie man es ja von mir erwartet.
Ich glaube, es gibt niemanden auf der Welt, dessen Freude so
vollkommen ist. Glück und Segen mögen sie begleiten, heute
und immerfort! Diesen Wunsch ruf ich ihr zu. Sie hat mir Freude
geschenkt und mich damit von meinem alten "o weh" befreit.

3.
Was ich auch singe oder sage, sie will mich liebeskranken
Mann doch nicht trösten und ermuntern.
Ich muß darum mit Leid kämpfen und mit Not,
die ich mir selbst bereitet habe.
Dennoch: Sie ist meine Herrin, mir kommt es zu,
ihr zu dienen, und deshalb wünsche ich ihr,
daß sie stets glücklich sein möge.

 
Lied 25
 
1.
Uns ist zergangen der lieplîch summer.
dâ man brach bluomen, da lît nu der snê.
mich muoz belangen, wenne sî mînen kummer
welle volenden, der mir tuot so wê
Jâ klage ich niht den klê,
swenne ich gedenke an ir wîplîchen wangen,
diu man ze vröide so gerne ane sê.

2.
Seht an ir ougen und merkent ir kinne,
seht an ir kele wîz und prüevent ir munt.
Si ist âne lougen gestalt sam diu minne.
mir wart von vrouwen so liebez nie kunt.
Jâ hât si mich verwunt
sêre in den tôt. ich verliuse die sinne.
genâde, ein küniginne, du tuo mich gesunt.

3.
Die ich mit gesange hie prîse unde kroene,
an die hât got sînen wunsch wol geleit.
in gesach nu lange nie bilde alsô schoene
als ist mîn vrowe; des bin ich gemeit.
Mich vröit ir werdekeit
baz danne der meie und alle sîn doene,
die die vogel singent; daz sî iu geseit.

 
1.
Für uns ist der liebliche Sommer vorbei. Dort, wo
man Blumen pflückte, liegt nun der Schnee. Die Zeit
muß mir lang werden, und ich frage sehnsüchtig,
wann sie meiner so schmerzlichen Not ein Ende
setzen will. Fürwahr, ich klage nicht wegen des Klees,
wenn ich mir ihre fraulichen Wangen vergegenwärtige,
die anzusehen Freude und Lust bereitet.

2.
Seht ihre Augen und betrachtet ihr Kinn,
seht ihren weißen Hals und schaut euch ihren Mund an.
Es läßt sich nicht leugnen, sie gleicht der Liebesgöttin.
Niemals habe ich bei Frauen solchen Liebreiz gefunden.
Fürwahr, sie hat mich auf den Tod verwundet.
Mir schwinden die Sinne! Erbarmen,
Königin mach mich gesund.

3.
An dieser Frau, die ich hier in meinem Liede besinge
und erhöhe, hat Gott sein Meisterstück vollbracht.
Solange ich auch Ausschau hielt, nie sah ich eine so schöne
Erscheinung wie meine Herrin.
Darüber bin ich froh. Sie erfreut mich in ihrer
erhabenen Schönheit mehr als der Mai und all
seine Lieder, die die Vögel singen. Das sei euch gesagt.

 
Lied 26
 
1.
Mich wundert harte,
daz ir alse zarte
kan lachen der munt.
ir liehten ougen
diu hânt âne lougen
mich senden verwunt.
Diu brach alse tougen
al in mîns herzen grunt.
dâ wont diu guote
vil sanfte gemuote.
des bin ich ungesunt.

2.
Swenne ich vil tumber
ir tuon mînen kumber
mit sange bekant,
sô ist ez ein wunder,
daz sî mich tuot under
mit rede zehant.
Swenne ich si hoere sprechen,
sô ist mir alse wol,
daz ich gesitze
vil gar âne witze
non weiz, war ich sol.

 
1.
Mich erstaunt es sehr,
daß ihr Mund
so sanft lächeln kann.
Fürwahr, ihre strahlenden Augen
haben mich Liebeskranken verwundet.
Ganz heimlich brach sie in
das Innerste meines Herzens.
Dort wohnt sie nun mit all
ihrer Freundlichkeit und all
ihrem Sanftmut.
Davon bin ich krank.

2.
Wenn ich Betörter ihr mit
Gesang meine Sorgen erzähle,
dann grenzt es schon
an ein Wunder,
da sie mich sogleich mit Worten
gefügig macht.
Immer, wenn ich sie sprechen höre,
ist mir so wohl,
daß ich dasitze,
aller Sinne beraubt,
und nicht weiß, wohin ich soll.

 
Lied 27
 
1.
Si hât mich verwunt
recht aldurch mîn sêle
in den vil toetlîchen grunt,
dô ich ir tet kunt,
daz ich tobte unde quêle
umb ir vil güetlîchen munt.
Den bat ich zeiner stunt,
daz er mich ze dienste ir bevêle
und daz er mir stêle
von ir ein senftez küssen,
sô waer ich iemer gesunt?

2.
Wie wirde ich gehaz
ir vil rôsevarwen munde
des ich noch niender vergaz!
doch sô müet mich daz,
daz si mir zeiner stunde
sô mit gewalt vor gesaz.
Des bin ich worden laz,
alsô daz ich vil schiere wol gesunde
in der helle grunde
verbrunne, ê ich ir iemer diende,
in wisse umbe waz.

 
1.
Sie hat mich verwundet
im tiefsten Grund meiner Seele
und meinen Lebensnerv getroffen,
als ich ihr offenbarte,
daß ich raste und mich quälte
wegen ihres so vollkommenen Mundes.
Den bat ich einstmals,
er möge mich in ihren Dienst befehlen
und mir von ihr einen
leisen Kuß stehlen.
Dann wäre ich für immer gesund.

2.
Wie kommt es,
daß ich ihren rosenfarbenen Mund
zu hassen beginne, den ich noch
nie vergessen habe. Gleichwohl quält
es mich, daß sie einmal vor mir saß
und ihr Eindruck mich so überwältigte.
Ich bin es müde geworden, so daß
ich lieber sofort bei lebendigem
Leibe in der tiefsten Hölle
verbrennen würde, als fernerhin
zu dienen, ohne zu wissen, wofür.

 
Lied 28
 
1.
Ich bin keiser âne krône,
sunder lant: daz meinet mir der muot;
der gestuont mir nie sô schône.
danc ir liebes, diu mir sanfte tuot.
Daz schaffet mir ein vrowe vruot.
dur die sô wil ich staete sîn,
wan in gesach nie wîp sô rehte guot.

2.
"Gerne sol ein rîter ziehen
sich ze guoten wîben. dêst mîn rât.
boesiu wîp diu sol man vliehen.
er ist tump, swer sich an sî verlât,
Wan sîne gebent niht hohen muot.
iedoch sô weiz ich einen man,
den ouch die selben vrowen dunkent guot.

3.
Mirst daz herze worden swaere.
seht, daz schaffet mir ein sende nôt.
ich bin worden dem unmaere,
der mir dicke sînen dienest bôt.
Owê, war umbe tuot er daz?
und wil er sichs erlouben niht,
sô muoz ich im von schulden sîn gehaz."

 
1.
Ich bin Kaiser ohne Krone, ohne Land.
Meine Stimmung aber ist es, die mir diese Lage
angenehm macht: Nie war sie so heiter.
Dank sei ihr, die mich so gütig behandelt, für die Freude!
Das alles ist das Werk einer verständlichen Dame.
Ihretwegen will ich immerfort treu sein, denn noch nie
habe ich eine Frau von so guter Gesinnung gesehen.

2.
"Gerne und bereitwillig soll ein Ritter
die Gesellschaft guter Frauen suchen.
Das rate ich. Schlechte Frauen soll man meiden.
Töricht ist, wer sich ihnen anvertraut, denn sie
vermitteln nicht edlen Sinn und das rechte Hochgefühl.
Und dennoch kenne ich da einen Mann,
der auch solche Frauen schätzt.

3.
Mir ist das Herz schwer geworden,
seht, der Grund ist Verlangen und Liebesqual.
Ich bin dem Mann fremd und gleichgültig
geworden, der mir so lange gedient hat.
O weh, warum tut er das?
Wird er das nicht lassen,
dann muß ich ihm Feind sein – mit gutem Grund."

 
Lied 29
 
1.
Wi sol vröidelôser tage
mir und sender jâre iemer werden rât?
sô ist daz aber mîn hoehste klage, daz uns
beide, an sange, an vröide, missegât. Sît daz
diu werlt mit sorgen sô gar betwungen stât, maniger
swîget nu, der doch dicke wol gesungen hât.

2.
Ich was eteswenne vrô,
dô mîn herze wânde nebent der sunnen stân.
dur die wolken sach ich hô.
nû muoz ich mîn ouge nider zer erde lân.
Mich triuget alze sêre ein vil minneclîcher wân,
sît daz ich von ir niht wan leit und herzeswaere hân.

3.
Wil si vrömden mir dur daz,
dazs ein lützel ist mit valscher diet behuot?
dêst ein swacher vriundes haz, daz si
mit den andern mir sô leide tuot. Ez hoeret
niht ze liebe ein sô kranker vriundes muot. wil aber
sî die huote alsô triegen, dâst uns beiden guot.

 
1.
Wie soll ich je für die Tage ohne Freude und die
Jahre voller Liebesqual entschädigt werden?
Doch am meisten schmerzt es mich, daß uns
Lieder und Freude entgehen. Weil die Welt von
Sorgen tief gedrückt dasteht, schweigt nun
mancher, der oft doch gut gesungen hat.

2.
Ich war einmal froh, damals als mein Herz wähnte,
neben der Sonne zu stehen. Durch die Wolken
richtete ich meinen Blick nach oben. Jetzt muß ich
meine Augen zur Erde senken. Mich täuschte
allzusehr die süße, aber trügerische Hoffnung, da ich
doch nichts als Schmerz und Herzeleid von ihr habe.

3.
Will sie nur deshalb, weil sie von ein paar böswilligen
Leuten bewacht ist, fern von mir bleiben? Es zeigt die
Lauheit der Geliebten, daß sie andere vorschützt und mir
damit großes Leid antut. Zur Liebe paßt eine so
schwächliche Gesinnung der Freundin nicht. Wird sie aber
ihre Wächter hintergehen, dann ist das für uns beide gut.

 
Lied 30

Über die gattungsmäßige Einordnung des Liedes besteht weitgehend Übereinstimmung. Es handelt sich
um eine Verschmelzung von Tagelied und Wechsel ("Tagliedwechsel"), eine genuine (echt, unverfälscht)
Schöpfung Morungens.

 
1.
Owê, -
Sol aber mir iemer mê
geliuhten dur die naht
noch wîzer danne ein snê
ir lîp vil wol geslaht?
Der trouc diu ougen mîn.
Ich wânde, ez solde sîn
des liehten mânen schîn.
Dô tagte ez.

2.
"Owê, -
Sol aber er iemer mê
den morgen hie betagen?
als uns diu naht engê,
daz wir niht durfen klagen:
>Owê, nu ist ez tac,<
als er mit klage pflac,
dô er jungest bî mir lac.
Dô tagte ez."

3.
Owê, -
Si kuste âne zal
in dem slâfe mich.
Dô vielen hin ze tal
ir trehene nider sich.
Iedoch getrôste ich sie,
daz sî ir weinen lie
und mich al umbevie.
Dô tagte ez.

4.
"Owê, -
Daz er sô dicke sich
bî mir ersehen hât!
Als er endahte mich,
sô wolt er sunder wât
Mîn arme schouwen blôz.
ez was ein wunder grôz,
daz in des nie verdrôz.
Dô tagte ez."

 
1.
Ach,
wird mir denn je wieder
durch die Nacht ihr
wundervoller Leib leuchten,
strahlender noch als Schnee?
Der täuschte meine Augen:
Ich glaubte, es wäre der Glanz
des hellen Mondes -
Da brach der Tag an.

2.
"Ach,
wird er je wieder den
Morgen über hier bleiben?
Möge uns doch die Nacht einmal
so vergehen, daß wir nicht zu klagen
brauchen: >O weh, jetzt ist es Tag.<
So rief er klagend,
als er zuletzt bei mir war.-
Da brach der Tag an."

3.
Ach,
unzählige Male küßte sie
mich im Schlafe
Da rannen ihre
Tränen nieder.
Ich aber tröstete sie,
so daß sie aufhörte zu weinen
und mich ganz umfing -
da brach der Tag an.

4.
"Ach,
daß er sich so oft
in meinem Anblick verloren hat!
Als er die Decke zurückschlug,
da wollte er meine nackten
Arme sehn, ganz nackt.
Es war unerklärlich, daß er
sich daran nicht satt sehen konnte -
da brach der Tag an."

 
Lied 31
 
1.
Hât man mich gesehen in sorgen,
des ensol niht mêr ergân.
wol vröiwe ich mich alle morgen,
daz ich die vil lieben hân
Gesehen in ganzen vröiden gar.
nu vliuch von mir hin, langez trûren!
ich bin aber gesunt ein jâr.

2.
Sî kan durch diu herzen brechen
sam diu sunne dur daz glas.
ich mac wol von schulden sprechen:
"si ganzer tugende ein adamas!"
Sô ist diu liebiu vrowe mîn
ein wunnebernder süezer meije,
ein wolkelôser sunnen schîn.

3.
Ob si mînre nôt, diu guote,
wolde ein liebez ende geben,
mit den vrôn in hôhem muote
saehe man mich danne leben.
Die wîle sô daz niht ist beschehen,
sô muoz man bî der ungemuoten
schar mich in den sorgen sehen.

 
1.
Wenn man mich je bedrückt gesehen hat,
dann soll das hinfort nicht mehr vorkommen.
Wirklich, ich freue mich, jeden Morgen,
daß ich die Liebste in ungetrübter Freude
geschaut habe. Nun flieh von mir, Trübsal.
lange bist du bei mir gewesen.
Ich bin wieder geheilt für ein Jahr.

2.
Sie vermag durch die Herzen zu dringen
wie die Sonne durch das Glas.
Ich darf gewiß zu Recht behaupten:
"Sie ist in all ihren Eigenschaften vollkommen
wie ein Edelstein." Darum ist meine geliebte
Herrin ein milder Frühlingstag voll Lust und
Freude, ein strahlende Himmel ohne Wolken.

3.
Wollte sie, die Gute,
meiner Liebesqual ein angenehmes
Ende setzen, dann sähe man
mich hochgestimmt im Kreis der Frohen.
Solange das aber nicht geschehen ist,
wird man mich, von Sorgen bedrückt,
bei denen sehen, die Mißmut quält.

 
Lied 32
 
1.
Mir ist geschehen als einem kindelîne,
daz sîn schoenez bilde in einem glase gesach
unde greif dar nâch sîn selbes schîne
sô vil, biz daz ez den spiegel gar zerbrach.
Dô wart al sîn wunne ein leitlich ungemach.
Alsô dâhte ich iemer vrô ze sîne,
dô ich gesach die lieben vrouwen mîne,
von der mir bî liebe leides vil geschach.

2.
Minne, diu der werelde ir vröide mêret,
seht, diu brachte in troumes wîs die vrouwen mîn,
dâ mîn lîp an slâfen was gekêret
und ersach sich an der besten wunne sîn.
Dô sach ich ir liehten tugende ir werden schîn,
schoen unde ouch vür alle wîp gehêret,
niuwen daz ein lützel was versêret
in vil vröuden rîchez rôtez mündelîn.

3.
Grôz angest hân ich des gewunnen,
daz verblîchen süle ir mündelîn sô rôt.
Des hân ich nu niuwer klage begunnen,
sît mîn herze sich ze sülher swaere bôt,
daz ich durch mîn ouge schouwe sülhe nôt
sam ein kint, daz wîsheit unversunnen
sînen schaten ersach in einem brunnen
und den minnen muose unz an sînen tôt.

4.
Hôher wîp von tugenden und von sinnen
die enkan der himel niender ummevân
sô die guoten, die ich vor ungewinne
vremden muoz und immer doch an ir bestân.
Owê leider, jô wânde ich's ein ende hân
ir vil wunnenclîchen werden minne.
Nû bin ich vil kûme an dem beginne.
Des ist hin mîn wunne und ouch mîn gerender wân.

 
1.
Mir ist es ergangen wie einem kleinen Kinde,
das sein reizendes Bild in einem Spiegel erblickte
und so lange nach dem eigenen Widerschein griff,
bis es endlich den Spiegel ganz zerbrach.
Da verwandelte sich all seine Wonne in schmerzliches Leid.
So glaubte auch ich, stets froh zu leben, als
ich meine geliebte Herrin sah, von der ich
Freude, aber auch viel Leid erfuhr.

2.
Die Liebe, die den Menschen ihre Freude mehrt,
seht, die brachte, wie es im Traum geschieht,
meine Herrin dorthin, wo ich im Schlafe lag und
mich im Anblick meiner höchsten Glückseligkeit
verlor. Da schaute ich ihre strahlende Vollkommenheit
und ihren edlen Glanz, schön und erhabener
als alle Frauen, nur ihr rotes Mündchen, sonst
Quelle meines Entzückens, war ein wenig verletzt.

3.
Große Angst hat mich darum ergriffen, daß ihr
kleiner roter Mund erblassen werde. Daher habe ich
jetzt neue Klage erhoben, da mein Herz sich solchen
Schmerzen darüber ausgesetzt hat, daß sich meinen
Augen ein so qualvoller Anblick bot. Mir ging es wie
einem Kind, das -im Denken unerfahren -sein
Spiegelbild in einem Quell erblickte und es bis
zu seinem Tode lieben muß.

4.
Frauen, vollkommener und geistvoller als die Gute,
die ich mir zum Schaden meiden muß, an der ich
aber dennoch immer festhalte, kann es unter dem
Himmel nirgends geben. Ach, dieser Schmerz!
Ich glaubte doch wahrhaftig, ich hätte ein Ziel erreicht:
ihre beglückende, herrliche Liebe. Jetzt stehe ich kaum
am Anfang. Darum ist meine Freude zerronnen und
auch meine sehnsüchtige, doch eitle Hoffnung.

 
Lied 33
 
1.
Ich wil eine reise.
wünschent, daz ich wol gevar.
dâ wirt manic weise,
diu lant wil ich brennen gar.
Mîner vrowen rîche,
swaz ich des bestrîche,
daz muoz allez werden verlorn,
sî enwende mînen zorn.

2.
Helfet singen alle,
mîne vriunt, und zieht ir zuo
mit (.....) schalle,
daz si mir genâde tuo.
Schrîet, daz mîn smerze
mîner vrowen herze
breche und in ir ôren gê.
sî tuot mir ze lange wê.

3.
Vrowe, ich wil mit hulden
reden ein wênic wider dich.
daz solt dû verdulden.
zürnest dû, sô swîge aber ich.
† Wiltu dîne jugende
kroenen wol mit tugende,
sô wis mir genaedic, süeziu vruht,
und troeste mich dur dîne zuht. †

 
1.
Einen Kriegszug will ich unternehmen.
Wünscht mir, daß ich mein Ziel erreiche.
Dabei wird mancher Waise,
das Land will ich mit Feuer verwüsten.
Was auch immer ich von dem
Herrschaftsbereich meiner Herrin erreichen
kann, ist zum Untergang bestimmt
–wenn sie nicht meine Wut besänftigt.

2.
Freunde, helft mir alle
singen und rückt heran
mit lautem Ruf,
damit sie mich erhört.
Schreit, daß mein Schmerz
meiner Herrin Herz erweiche
und in ihre Ohren dringt.
Schon zu lange quält sie mich.

3.
Herrin, ich will – deine Zustimmung
vorausgesetzt - ein wenig mit dir plaudern.
Du wirst es hinnehmen.
Erzürnt es dich, dann höre ich auf.
Wenn du deine Jugend mit höchster
Vollkommenheit schmücken willst,
dann erhöre mich, süßes Geschöpf,
wie es deiner feinen Art entspricht.

 
Lied 34
 
Vil süeziu senftiu toeterinne,
war umbe welt ir toeten mir den lîp,
und ich iuch sô herzeclîchen minne,
zwâre, vrouwe, vür elliu wîp?
Waenet ir, ob ir mich toetet,
daz ich iuch iemer mêr beschouwe?
nein, iuwer minne hât mich des ernoetet,
daz iuwer sêle ist mîner sêle vrouwe.
sol mir hie niht guot geschehen
von iuwerm werden lîbe,
sô muoz mîn sêle iu des verjehen dazs
iuwerre sêle dienet dort als einem reinen wîbe.

 
Süße, sanfte -Mörderin,
warum wollt ihr mich nur töten,
wo ich euch doch so recht von Herzen zugetan bin,
glaubt es mir Herrin, mehr als allen Frauen.
Denkt ihr, werde euch niemals mehr anschauend
betrachten, wenn ihr mich tötet?
Nein, meine Liebe zu euch hat mich dazu gezwungen,
daß eure Seele Herrin über meine Seele ist.
Werde ich hier bei euch, edle Frau, keine Erhörung
finden, dann muß, meine Seele euch versichern,
daß sie eurer Seele dort dienen wird wie einer
Frau ohne jeden Makel.

 
Lied 35
 
Lange bin ich geweset verdâht
und unvrô von rehter minnen.
nû hât men mir maere brâht,
der ist vrô mîn herze inbinnen.
Ich sol trôst gewinnen
von der vrowen mîn.
wie möht ich danne trûric sîn?
ob ir rôter munt
tuot mir vröide kunt,
sô getrûr ich niemer mê.
ez ist quît, was mir wê.

 
Lange bin ich in Gedanken
versunken gewesen und dazu ohne Freude
durch wahre Liebe. Nun hat man mir
eine Nachricht gebracht, über die mein Herz
im Innersten erfreut ist. Ich soll bei meiner
Herrin Erhörung finden. Wie könnte ich
unter diesen Umständen betrübt sein?
Wenn ihr roter Mund
mir Freude schenkt, dann werde ich
niemals mehr traurig sein.
Es ist vorbei, es hat mir weh getan.

 



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