Fabeln 3
 

Fabeln 2
 
Der Hase auf der Jagd
Der Hecht und der Kater
Der Wolf und der Kuckuck
Der Hahn und die Perle
Der Bauer und sein Knecht
Der Wagenzug
Die junge Krähe
Der Elefant als Gouverneur
Der Esel und die Nachtigall
Der Elefant und der Mops
Der alte und der der junge Wolf
Der Affe
Der Sack
Der Koch und der Kater
Der Löwe und die Mücke
Der Baum
Die Gänse
Die Sau
Die Fliege und die Reisenden
Der Adler und der Maulwurf

 

Fab. 21
Der Hase auf der Jagd

Geschart zu großer Meute
jagten die Tiere einst den Bär
und schlugen tot nach harter Gegenwehr
den Feind auf freiem Feld. Die Beute
ward nun geteilt,
und jeder was zu haschen sich beeilt.
Den Hasen sieht man da am Ohr des Bären reißen.
"Na, Krummbein du",
ruft man, "woher, wozu?
Was soll das heißen?
Man hat dich bei der Jagd doch nicht gesehen." —
—"Ei, Brüder", sagt der Has', "wie wär' es sonst geschehen?
Ich hab' im Walde ja gesteckt
und hab' ihn immer aufgeschreckt,
ich hab' ihn euch gestellt,
den alten Toren."
Die Prahlerei lag klar vor aller Welt,
doch schien so spaßhaft sie,
daß man verzieh
und Lampen Stücke gab von Petzens Ohren.

*   *   *

Ob man den Prahler gleich verlacht,
wird er doch oft mit einem Anteil auch bedacht.

Fab. 22
Der Hecht und der Kater

Schlimm, wenn der Schuster sich mit Kuchenbacken
und der Konditor sich mit Stiefelnähn befaßt;
es wird nichts draus, wie sehr sie auch sich placken
in blinder Hast.
Denn das lehrt die Erfahrung,
daß, wer einmal ein fremdes Handwerk treibt,
gar eigensinnig bleibt
bei seiner törichten Gebarung.
Er richtet lieber das Geschäft zugrunde
und macht sich selber zum Gespötte,
als daß er sich zu rechter Stunde
bei klugen Leuten Rat geholet hätte.

Einst wollte der gefräß'ge Hecht
es wie die Katzen machen;
ich weiß nicht recht,
ob Neid der Böse in ihm weckte,
ob ihm die Fischkost nicht mehr schmeckte,
genug er bat — ihr werdet lachen —
den Kater, daß er ihn mitnehme auf die Jagd,
zum Mäusefang in Vorratshallen. —
"Doch weißt du, Lieber, auch genau, wie man das macht?"
fragt ihn der Kater. "Gib wohl acht,
du könntest leicht in Schande fallen.
Drum sei nicht dreister,
als klug ist, denn das Sprichwort sagt:
Ein jedes Ding will seinen Meister!" —
"Da sorge nicht, Gevatterchen, was Mäuse!

Wir haben Barsche schon gefangen." —
"Das ist was andres, komm!" Sie sind gegangen.
Der Kater fängt sich leckre Schmäuse,
dann will er doch auch nach dem Hechte sehn.
Doch der liegt da, halbtot, das Maul ist offen,
und oh, was ist geschehn?
Die Ratten haben seinen Schwanz verzehrt.
Der Kater steht betroffen
und denkt, der Hecht hat selber sich betört!
Dann schleppt er ihn für tot in seinen Teich zurück.
Der Hecht lebt auf — er hatte noch das Glück.
Nun aber Hecht, nimm dir's zur Lehre,
dich künftig nicht herauszuwagen
aus deiner Sphäre
und nimmer Mäuse nachzujagen.

Fab. 23
Der Wolf und der Kuckuck

"Nachbar, leb wohl", so sprach zum Kuckuck Isegrim,
"ich hofft' umsonst, daß ich hier Ruhe hätte.
Die Menschen sind, es sind die Hunde schlimm
und schikanieren um die Wette.
Man könnt' ein Engel sein
und käme nicht heraus aus blut'gen Zänkereien." —
"Und ist das Ziel der Reise weit gesteckt?
Wo sind den wohl die Leute so gemütlich,
daß du mit ihnen leben könntest friedlich?" —
"Ja, sieh, ich geh' von hier direkt
in die arkadischen Gefilde.
O Nachbar, das ist dir ein Land!
Da ist der Krieg noch unbekannt,
die Menschen dort sind wie die Lämmer milde.
Die Flüsse führen Milch statt Wasser —
kurzum, dort herrscht die goldne Zeit.
Man lebt ganz brüderlich, tut sich kein Leid,
dieweil kein Feind ist und kein Hasser.
Es beißen nicht die Hunde,
man sagt sogar, sie bellen nicht einmal —
und hier mit ihnen welche Qual!

Mal es dir aus in einer stillen Stunde
das schönste Leben auf so holder Flur:
Hier findest du davon auch nicht die kleinste Spur.
Adieu, gedenke freundlich mein,
ich hoff' in kurzem besser zu gedeihn
in Friede, Fülle und Behagen,
wenn ich nicht mehr in Angst und Zagen
mich brauche Tag und Nacht zu plagen." —
"Verehrter Freund, ich wünsche dir viel Glück",
versetzt der Kuckuck, "doch dein Naturell
und dein Gebiß, die lassest du zurück?" —
"Du spaßest wohl, Gesell,
daß ich ein Narr wär', Gott bewahre!" —
"Nicht? Nun so denk an mich, du lassest Haare!"

*   *   *

Wenn's einer selber übel meint,
so schimpft er um so ärger auf die Leute:
Er sieht in jedem einen Feind,
dieweil er selbst keinen je erfreute.

Fab. 24
Der Hahn und die Perle

Beim Wühlen in der Düngerpfütze
fand eine Perle einst der Hahn
und sprach: "Was ist denn da daran?
Das Ding ist gar nichts nütze!
Ist's eine Torheit nicht, daß man so hoch es schätzt?
Mich hätte in der Tat unendlich mehr ergötzt
ein Gerstenkorn — wenn's auch den Glanz nicht hat,
es macht doch satt."

*   *   *

So urteilt auch der Ignorant:
Wovon er nichts versteht, das ist ihm bloßer Tand.

Fab. 25
Der Bauer und sein Knecht

Wenn uns das Messer an der Kehle sitzt,
so geben gerne wir dem gute Worte,
von dem wir hoffen, daß er uns beschützt.
Doch hat er glücklich uns bewahrt vor Leid,
so lohnen oftmals schlecht wir unserm Horte.
Vom Zaune brechen wir den Streit,
Und gut noch, wenn wir nicht, von Undank angetrieben,
die ganze Schuld ihm in die Schuhe schieben.

Ein alter Bauer ging mit seinem Knechte
vom Walde heim, es war schon spät;
sie hatten Heu gemäht.
Horch, war es nicht, als ob sich etwas regte?
Ja, plötzlich steht der Petz da auf den Wasen,
fast stießen sie zusammen mit den Nasen.
Der Alte stehet starr und stumm —
der Bär packt ihn, wirft ihn zu Boden,
tritt ihn und wendet ihn herum
und sucht den besten Fleck, um anzubeißen.
Schon hat der Bauer kaum noch Odem,
er stöhnet unterm Bären jämmerlich.
"Laß mich", ächzt er, "vom Untier nicht zerreißen,
Freund Steffen, laß mich nicht im Stich!"
Der Knecht, ein rechter Herkules, nimmt auch
zusammen seine ganze Kraft,
haut mit dem Beil, daß weit des Bären Schädel klafft,
und bohrt ihm noch die Gabel in den Bauch.
Die schreckliche Gefahr ist abgewendet.
Der Bauer springt empor.
Der ist verblüfft und fragt, was schlimmes er getan.
"Das fragt er noch, der blöde Tor!
War's nicht genug,
daß man dem Tier den Kopf einschlug,
es wäre schon gestorben.
Noch drein zu stechen! Hast das ganze Fell verdorben"

Fab. 26
Der Wagenzug

Ein Wagenzug mit Töpferwaren
hielt einst auf einem steilen Abhang still.
Der Eigner will
den ersten Wagen sacht hinunterfahren,
derweil die andern warten auf der Höhe.
Schier auf den Rücken trug sein wackres Pferd die Last,
damit nicht jähe
das Fuhrwerk abwärts rast.
Darüber spottet jetzt da oben
ein jugendliches Pferd gar keck:
"Wie albern, solchen Gaul zu loben,
der Wagen kommt ja nicht vom Fleck,
schiebt langsam sich, wie eine Krebsgestalt,
und wär' doch gleich an einen Stein geprallt.
Das geht ja schief und krumm! Sei doch nur dreister!
Da, abermals ein Stoß — ich hab's gewußt —,
du bist kein Meister,
du hättest ja mehr links gemußt,
du Esel! Wär's noch an des Berges Schwelle
und wär' etwa die Nacht dran schuld —
doch so, bergab, bei Tageshelle,
da reißt mir denn doch die Geduld.
Schlepp Wasser lieber, dumme Stute!
Gib acht, wie unsereins es macht:
In der Minute
hab' meine Fuhre ich zu Tal gebracht."
Jetzt krümmt das Tier den Rücken, streckt die Brust
in mutiger Erregung
die Nüstern schnauben heiße Lust.
Doch kaum setzt es den Wagen in Bewegung,
so drängt die Schwere wuchtig nach.
Das gedrückt, gestoßen,
fängt an sich zu erbosen,
und jach
saust es davon, als ritten es Hornissen.
An Felsenkanten und in Wasserrissen
wird nun das Tier herumgerissen —
jetzt immer weiter links gezerrt — pardauz!
Im Graben liegt der tolle Kauz
ganz kirre,
um ihn herum die Scherben vom Geschirre.

*   *   *

Wie viele Menschen haben diese Schwäche!
Was andre tun, dünkt ihnen niemals recht,
doch, wenn sie selbst dran gehn, wird's doppelt schlecht,
und selber zahlen sie die Zeche!

Fab. 27
Die junge Krähe

Ein Aar flog nieder aus der Höhe
auf eine Herde — griff ein Schaf heraus.
Der Anblick reizte eine junge Krähe,
sich auch zu holen einen Schmaus.
Sie ist von diesem Plane so begeistert,
daß sie den Adler meistert.
"Warum denn nahm ein Schaf er bloß?
Wenn man schon raubt, so tut man es nicht halb.
Was ist an einem Schafe groß?
Ja, wä'r es noch ein Kalb!
Ich werde sicher nicht verfehlen,
ein königliches Stück mir auszuwählen."

Bald schwebt auch unsre Krähe ab zur Herde
und mustert sie mit gieriger Gebärde.
Von all den Schafen, Hammeln, Böcken,
die durcheinander blöken,
ersieht nach langem Prüfen und Vergleichen
sie einen Schöps sich ohnegleichen.
Das Tier was stämmig, feist vom Fressen
und stark genug, mit Wölfen sich zu messen.
Die Kräh' visiert, fährt dann hinunter schnell
und gräbt sich mit den Krallen in sein Fell.
Da sieht sie freilich, daß das Ding nicht fleckt,
der Schöps steht fest, und was sie mehr erschreckt,
es war sein Haar
so dicht, so wollig, so verzottelt gar,
daß unsre schwarze Freundin ihre Krallen
heraus nicht bringen kann
und endlich selber muß in Knechtschaft fallen.
Die Hirten kamen bald heran
und lösten sie, doch um am Fliegen sie zu hindern,
da stutzten sie die Flügel ihr
und überließen so das Tier
zum Spiel den Kindern.

*   *   *

Es kommt nicht selten auch bei Menschen vor,
daß so ein Schelme aus dem großen Haufen
den noblen Schelm zum Vorbild sich erkor.
Doch: "Kleine Diebe hängt man, große läßt man laufen."

Fab. 28
Der Elefant als Gouverneur

Hat einer Macht auch und Gewicht,
wenn's ihm an Mutterwitz gebricht,
so hilft ein gutes Herz allein ihm nicht.

Ein Elefant ward Gouverneur im Walde.
Die Elefanten sind ein klug Geschlecht —
doch nicht ein jedes Kind gerät auch recht.
So war auch unser Elefant-Alkalde
beleibt wie seine Anverwandten,
doch simpel, wie sonst nicht die Elefanten.
Indes kränkt wissentlich er keine Mücke.
Da liest der Wackere einmal
der Schafe Klagschrift wider Wolfestücke.
"Wir leiden", hieß es da, "gar große Qual,
man schindet uns, bist du's, der das befahl?"
"Ihr Schurken", schreit den Wölfen zu der Gouverneur,
"wer hat zu solchem Raube euch berechtigt?"
Die Wölfe drauf: "Herr, gib uns auch Gehör!
Hast du nicht selber uns ermächtigt,
zu Winterpelzen leichten Schoß zu nehmen?
Wir finden ihr Geschrei erzdumm,
sie sollten sich doch schämen!
Auf jedes Schaf ein Fell nur um und um,
auch diese Kleinigkeit
tut ihnen leid!" —
"Nun ja", versetzt der Elefant, "das ist es,
ich leide Unbill nicht, von wem es sei,
ein Fell steht allerdings euch frei,
doch nicht ein Härchen drüber, wißt es!"

Fab. 29
Der Esel und die Nachtigall

Der Esel sah einst Philomelen
und sprach zu ihr: "O Liebe, hör einmal,
man sagt, du singest kapital
da will ich's nicht verhehlen,
ich möchte selber gern ein Urteil haben,
Ob wirklich so vortrefflich deine Gaben?"
Die Nachtigall erweiset ihm die Gunst,
entfaltet ihre ganze Kunst,
Sie flötet sanft, sie trillert mächtig,
ergeht in tausend Wechselweisen sich
gar wonniglich,
sie schleift den Ton und schwellet ihn so prächtig
und weiß des holden Sanges Reiz zu häufen.
in kecken Läufen.
Jetzt schmilzt ihr Lied dahin in süßer Pein,
wie wenn von ferne klingen die Schalmein,
und plötzlich wieder schmettert's durch den Hain.
Dem Lieblinge Aurorens alles lauschet,
der Vögel Chor verstummt, kein Windhauch rauschet,
es horcht und lagert träumend sich die Herde.
Kaum atmend schwelgt der Hirt in diesen Tönen;
nur dann und wann blickt auf mit lächelnder Gebärde
der Glückliche zu seiner Schönen.
Der letzte Ton verrann.
Langohr, die Stirn ernsthaft gesenkt zur Erde,
spricht so: "Ganz hübsch, das muß ich sagen,
man hört dich mit Behagen;
nur schade ist,
daß du mit unserm Hahn bekannt nicht bist,
es könnte dieser Hof-Rhapsode
noch wesentlich verbessern die Methode."
Als diesen Spruch vernahm die arme Nachtigall,
schwang sie sich auf und flog weit über Berg und Tal.

*   *   *

Vor solchen Richtern schütze Gott auch uns zumal!

Fab. 30
Der Elefant und der Mops

Ein Elefant ward einst straßauf, straßab geführt,
versteht sich, ihn zur Schau zu stellen
— sind Elefanten doch hier seltene Gesellen —,
und hinter ihm ein Gafferschwarm sich rührt.
Da kommt von ungefähr dem Zug ein Mops entgegen.
Als er den Riesen sieht, wirft er sich gleich auf ihn
und bellt und heult und will verwegen,
So scheint's, in Kampf ihn ziehn.
"Hör auf", sagt ihm der Spitz, "es ist ja eine Schande,
mit Elefanten messen dich, bist du's imstande?
Ganz heiser bist du schon — er aber geht
voll Majestät
und ohne dein Gekläff auch nur zu hören." —
"Das soll mich gar nicht stören",
versetzte der Mops, "das ist's, was meinen Mut erhöht.
Ich brauche meine Haut zu Markte nicht zu tragen
und gelte doch als Raufbold vor der Welt.
Laß nur die Hunde sagen:
Der Mops muß stark doch sein, so was zu wagen,
er hat den Elefanten angebellt."

Fab. 31
Der alte und der der junge Wolf

Der alte Wolf gedachte, seinen Sohn
zum Wolfsgewerbe zuzustutzen.
Er schickt ihn aus, er soll zu seinem Nutzen
durchspähen jene Waldregion.
Vielleicht will das Glück,
daß man mit List und Ränken,
mag's auch den Schäfer kränken,
zum Imbiß oder Mittagsmahl erschnappt ein Stück.
Das Bürschlein kommt nach Hause:
"Papa", spricht es, "komm, säum nicht lang,
am Bergeshang
da gibt es was zum Schmause.
Da gibt es Schafe, o wie nett,
wie fett,
man braucht nur eins zu klemmen,
um recht zu schlemmen;
es sind so viele, daß man kaum sie zählt,
gar leicht ist eins gewählt." —
"Halt", spricht der Wolf, "erst muß ich wissen,
wie's mit den Hirten steht." —
"Ei nun, die Rede geht,
er sei nicht übel, sei des Amts beflissen;
Doch als ich um die Herde strich von allen Seiten,
da schienen mir die Hunde gar nicht rege,
sie waren mager und sind, glaub' ich, träge." —
"Nun, der Bericht kann mich noch nicht verleiten",
versetzt der alte Wolf, "die Herde lockt mich nicht.
Ist wirklich gut der Hirt und tut er seine Pflicht,
so hält er keine schlechten Hunde;
da setzt es für uns wohl manche Wunde.
Nein, komm, ich bringe dich zu einer Herde,
die schafft uns weniger Beschwerde.
Zwar gibt's da Hunde Kopf an Kopf,
allein der Schäfer ist ein Tropf,
und diese Lehre schöpfe:
Da, wo der Hirt ein Tropf, sind auch die Hunde Tröpfe."

Fab. 32
Der Affe

Du magst dich abarbeiten und dich plagen,
doch hoffe nicht, daß man dir zollt
des Dankes oder Ruhmes Sold,
wenn Nutzen nicht dein Tun bringt, noch Behagen.

Beim ersten Morgengraun
kann man den Bauern schon auf seiner Scholle
am Pfluge schaun,
wo er am Tagwerk setzt die Kraft, die volle,
daß bald von seiner Stirne heiß
in Perlen niedertroff der Schweiß.
Von allen, die des Weges kamen,
ward ihm dafür auch Gruß und Beifallsruf:
"So ist es recht! Nur zu in Gottes Namen!"
Da das dem Affen Mißgunst schuf —
Lob reizt, wer wird danach nicht trachten —,
so will er sich nach diesem Bauer achten.
Er findet einen Klotz, gleich macht er sich daran
mit ernsthaftem Gebaren,
um wie der Bauer zu verfahren.
Er schleppt den Klotz von dann,
stellt ihn bald so, bald wieder so,
und rollt und schleift ihn hin und wieder
und merkt nicht, daß er dresche leeres Stroh.
In Schweiß gebadet sind schon seine Glieder,
und endlich ist er außer Atem,
verwundert, daß kein Mensch rühmt seine Taten.
Da darfst du, Freund, nicht stutzen,
du mühst dich heillos ab, doch bringt es keinen Nutzen.

Fab. 33
Der Sack

Im Vorgemach lag manches Jahr
ein leerer Sack in einer Ecke ungenutzt:
Es hatte höchstens der Lakaien Schar
sich ihre Stiefeln daran abgeputzt.
Doch plötzlich
kommt unser Sack zu Ehren ganz ergötzlich.
Man füllt ihn nämlich mit Dublonen,
im Geldschrank wird er aufbewahrt;
der Herr tut alles, ihn zu schonen,
und hütet ihn so säuberlich, so zart,
daß ihn kein Wind und kein Insekt berührt.
Jetzt findet bald auch an dem Sack
die ganze Stadt Geschmack.
Sooft bei dessen Herrn ein Freund gastiert,
hebt schmunzelnd er vom Sacke an.
Ist dieser gerade aufgeschlagen,
so blinzelt jeder hin mit Wohlbehagen;
darf einer gar sich nahn,
wird sicherlich der Sack getätschelt und gestreichelt.

Da nun dem Sacke alles schmeichelt,
tut er auch groß,
fängt an zu kritisieren
Und läßt famose Weisheit los.
Was der sagt, sei nicht wahr,
und dieser sei ein Narr,
und jener Schaden sei nicht zu kurieren.
Es lauschen alle mit offnem Munde,
obgleich so baren Unsinn schwatzt
der grobgewebte Kunde,
daß schier der Hörer Trommelfell noch platzt.
Die Menschen haben leider das Gebrechen,
es mag ein Sack, hat er nur Geld,
das allerdümmste sprechen —
sie finden es doch schön und hold.
Blieb denn der Sack noch lange so geehrt,
ward lang er als Orakel noch betrachtet?
Genau so lang, bis man ihn ausgeleert;
Dann warf man ihn beiseit,
und seit der Zeit
hat man nichts mehr von ihm gehört.

Es soll die Fabel niemand kränken,
doch wem wird es nicht klar,
wenn er sich ansieht unsre Schenken,
daß deren Pächter ähnlich sind aufs Haar
solch einem Sacke?
Einst trugen sie die schmutz'ge Kellnerjacke.
Und jene Spieler, die vorzeiten
ein Goldstück kannten nur von weitem —
die dann durch sehr zweideut'ge Künste
errafften reichliche Gewinste:
mit Grafen, Fürsten leben sie
jetzt in der besten Harmonie;
und jenem allgewaltigen Magnaten,
des Vorgemach sie sonst voll Scheu betrachten,
jetzt spielen sie mit ihm Boston.
Ein großes Ding ist eine Million!

*   *   *

Doch, werte Herrn, wollt euch darob nicht blähn.
Denn, um die Wahrheit zu gestehn,
verhüte Gott, daß euer Glück sich wandelt,
Ihr werdet sonst ganz wie der Sack behandelt.

Fab. 34
Der Koch und der Kater

Ein Koch, der ganz gebildet war,
lief einst aus seiner Küche in die Schenke.
Daß man dabei nur ja nichts Arges denke!
Es lag ein Pate auf der Totenbahr',
und es war Pflicht, den Leichenschmaus zu feiern.
Den Kater Waska ließ der Koch zu Haus,
dem Mäusevolk zu steuern.
Er kommt zurück, doch welch ein Graus,
der hier sich seinen Augen beut!
Von einer Fischpastete nur noch Reste
umhergestreut —
der Kater hinterm Essigfaß
knurrt, schnurrt und spinnt ohn Unterlaß
und letzet sich an einem Huhn aufs beste.
"Du Vielfraß du, du Schwerenöter",
so fährt der Koch den Kater an,
"du Taugenichts, du Leisetreter,
was hast du hier getan?
Es muß die Scham dich ja erdrücken,
wie kannst du nun
dich vor den Menschen lassen blicken?"
Der Waska putzt an seinem Huhn.
"Du warst bis jetzt so ein honetter Kater,
man pries an Tugendmuster dich,
jetzt schlägst du um, und sicherlich
fragt einer bald den andern: "Sag, was tat er?"
"Ja", heißt es, "Waska ist ein Schelm, ein Dieb,
der arg es trieb,
den darf man nicht mehr in die Küche lassen,
ja, es tut not, daß man vom Hof ihn scheucht
wie einen Wolf, der um den Schafstall schleicht.
Man muß fortan auf Schritt und Tritt ihm passen,
zur Plage ward, zur Pest er für den Ort."
Der Waska hört's und tafelt munter fort.
Der Koch ergeht sich noch mit Eloquenz
und findet des Sermons kein Ende,
er deklamiert, er hebt die Hände;
was war zuletzt die Konsequenz?
Derweil den Sünder er ermahnt, belehrt,
hat Waska seinen Braten aufgezehrt.

*   *   *

Gar manchem Koche würd' ich raten,
dies Motto sich zu schreiben an die Wand:
Es ist ein Unverstand,
zu schwatzen, wo zum Ziel nur führen Taten.

Fab. 35
Der Löwe und die Mücke

Verspotte nicht den Schwachen:
Du wähnst, weil's ihm an Leibeskraft gebricht,
du könntest seiner lachen,
doch schwer fällt oftmals seine Rache ins Gewicht.
Drum poche nicht darauf, wie stark du bist,
und lausche meinem Fabelstücke,
wie einst durch eine Mücke
der Leu für seinen Hochmut ward gebüßt.
Er zeigte nämlich ihr nichts als Verachtung:
Da war empfindlich
und das winzig kleine Tier kam zu der Betrachtung,
der Gegner sei doch nicht unüberwindlich.
Die Mücke forderte also den Leu heraus
und war ihr eigener Trompeter
mit hellem Summen und Geschmetter.
Der Löwe lacht, doch sie nimmt ernst den Strauß
und geht zu Werke praktisch
und taktisch.
Erst hat sie lange ihren Feind umschwärmt,
dabei gesummt, geschwirrt, gezischt, gelärmt,
drauf fliegt sie in die Höhe —
schießt dann herab mit aller Wucht der Mücken
und bohrt ihm ihren Stachel in den Rücken.

Der Löwe zuckt vor Wehe
und schlägt nach ihr mit seinem mächt'gen Schweife.
Die Mücke weicht geschickt ihm aus,
daß sie der Schlag nicht streife,
und dann mit neuem Saus und Braus
setzt sie dem Feind sich auf die Stirn und saugt das Blut.
Der Löwe wirft den Kopf empor
und schüttelt heftig seine Mähne,
die Mücke ist auf ihrer Hut,
beißt ihm ins Ohr
und wieder in die Nase.
Der Leu wird wild, es knirschen seine Zähne,
und er erhebt ein fürchterlich Gebrüll,
die Tatzen scharren wütend in dem Grase.
Der Wald erbebt, die Tiere werden still
und fliehn,
als stünd' etwa der Wald in Flammen,
als stürzte von den Höhn die Flut zusammen.
Und das bewirkte eine Mücke kühn.
Der Löwe tobte, zappelte, ward endlich matt,
so daß um Frieden er gebeten hat.
Da hat die Siegerin
großmütig ihm verziehn;
dann flog sie in den Wald in bester Laune
und war der eignen Taten Siegesposaune.

Fab. 36
Der Baum

Ein junges Bäumchen stand im Waldesdüster,
und sah den Bauer mit der Axt sich nahn.
Da bat es ihn mit klagendem Geflüster:
"Oh, ebne mir die Lebensbahn,
indem du lichtest ringsum das Revier.
Ich kann ja nicht gedeihen hier,
wo ich nicht seh' der Sonne Licht;
für meine Wurzeln wird der Raum zu klein.
Die Lüfte selber wehen nicht
zu mir heran, dieweil der Wald so dicht
hoch über mir sein Laubgewölbe flicht.
Wenn der mir nicht verkürzte das Gedeihn,
was bitter mich verdrießt,
so würd' ich binnen kurzer Frist
des Ortes Zierde sein.
Mein Schatten würde weit die Täler decken,
indes ich jetzt so dünn bin wie ein Stecken."

Der Bauer, der dem Bäumchen hold,
greift auch sofort zum Eisen,
ihm den Gefallen zu erweisen.
Ums Bäumchen her wird plötzlich Raum,
ganz wie es hat gewollt.
Doch lange dauert nicht der schöne Traum.
Es wird jetzt von der Sonne bald gesengt
und bald durch Hagelschlag gekränkt,
und endlich bricht ein Sturm es in der Mitten.
"Du töricht Ding", ruft ihm die Schlange zu,
"verschuldest du nicht selbst, was du erlitten?
Wärst du im Wald gewachsen nur in Ruh,
so konnten schaden dir nicht Glut noch Winde.
Die alten Bäume hätten Schutz verliehn,
und wenn dereinst dann morsch ward ihre Rinde,
und sie, der Zeit erliegend, bald
verschwanden aus dem Wald,
so wärest du gediehn
und stark genug geworden,
zu trotzen selbst dem Sturm vom Norden."

Fab. 37
Die Gänse

Mit seinem langen Stabe
trieb Gänse einst ein Bauer in die Stadt
und hetzte sie zu raschem Trabe.
Die Tiere waren zwar schon matt,
allein, er will den Markttag nicht verfehlen,
und wo Gewinn steht auf dem Spiel,
fragt man nach Gans und auch nach Mensch nicht viel.
ich werde drum nicht auf den Bauern schmälen,
allein der Gänse Standpunkt ist ein andrer;
und da jetzt nahe kommt ein Wandrer,
erhebt die mißvergnügte Herde
bei ihm Beschwerde:
"Gibt es ein härteres als unser Los?
Der Bauer da springt mit uns um,
als wären wir gemeine Gänse bloß,
er ist zu dumm,
um einzusehn, daß Achtung uns gebührt,
da unser Stammbaum sich datiert
von jenen Gänsen, die einst Rom gerettet,
wofür man Feste ihnen hat votiert." —
"Sagt mir, wofür ihr gerne Ehre hättet?"
so fragt der Wanderer. — "Ja, unsere Ahnen …" —
"Ich weiß, ich las es, doch ich möchte erfahren,
welch ein Verdienst ihr schreibt auf eure Fahnen?" —
"Gerettet haben unsere Ahnen Rom
vor vielen hundert Jahren,
als schon der Feind erklomm den Felsendom. …" —
"Ganz recht, doch welches sind denn eure Taten?" —
"Wir selber taten nichts." — "So laßt in Ruh
die Ahnen; ihnen kam wohl Ehre zu,
ihr aber, Freunde, taugt doch nur als Braten."

*   *   *

Zu dieser Fabel wüßt' ich manche Glossen allein,
ich will die Gänse nicht erbosen.

Fab. 38
Die Sau

Die Sau ist in den Herrenhof gebrochen
und streicht um Küch' und Stall;
da hat sie viel geschnuppert und gerochen
und ist in jedes schmutz'ge Loch gekrochen
und hat im Dreck gewälzt sich überall.
Dann kommt sie heim
als rechtes Schwein.
Der Hirt sie fragt:
"Nun Grete, was hast du denn dort gesehen?
Man sagt,
daß sich die Reichen blähen
mit ihrer Pracht:
Von Perlen soll es schimmern und Juwelen
in ihren Sälen."
Die Grete grunzt: "Was nur die Leute schwätzen!
Ich habe nichts entdeckt von solchen Schätzen
und habe doch in Pfützen und in Gossen
gesteckt den Rüssel unverdrossen.
Den ganzen Hinterhof durchwühlt' ich kreuz und quer,
ich fand nur Kehricht, Spülicht und nichts mehr."

*   *   *

Ich will mit Parallelen niemand kränken,
doch hat ein Kritikus so blöde Augen,
daß sie das Schlechte nur zu sehen taugen,
muß man da nicht an diese Sau hier denken?

Fab. 39
Die Fliege und die Reisenden

Es war um Mittag in den Julitagen,
wo man vor Hitze schier verschmachtet,
da sah man einen alten Reisewagen,
mit vielerlei Gepäck befrachtet
und auch mit 'ner Familie von Stand,
sich mühsam schleppen durch den tiefen Sand.
Wohl war mit vieren er bespannt,
allein es ging bergauf,
und fruchtlos quälen sich die armen Gäule.
Vergebens hieb der Kutscher drauf,
das Fuhrwerk stand nach einer Weile.
Der Kutscher sprang vom Bock,
winkt dem Lakai, und nun zu zwein
haun sie mit Peitsche und mit Stock
von beiden Seiten auf die Tiere ein.
Umsonst. Man sagt sich jetzt, das die Karosse
frei werden muß vom Menschentrosse.
Der Junker drum, der wohlbeleibte Vater,
steigt aus, dann Frau und Tochter, dann der Sohn,
zuletzt der Informator.
Zwar rührt sich nun der Wagen schon,
allein er war noch immer überpackt.
Die Pferde keuchen —
wie wird die Höhe man erreichen?

Von ungefähr nimmt eine Fliege wahr,
wie man sich plagt,
und ihr ist auf der Stelle klar,
das hier geholfen werden müsse.
Sie summt und brummt, so laut sie kann,
trotz Wespe und Hornisse;
umschwirret das Gespann, als ob sie rase,
und sticht den Pferden wacker in die Nase.
Bald sitzt sie auf dem Kutscherbock,
dann wieder auf des Junkers Rock,
und ist so rührig
wie nur ein flinker Käufer auf der Messe.
Nur wundert sie's, daß man vergesse,
ihr beizuspringen, da das Werk doch schwierig.
Die Diener schlendern sorglos, schwatzen, schrein,
Den Lehrer hört man mit der Dame flüstern,
der Junker aber, welcher ganz vergißt,
wie wichtig er zum Schutz der Ordnung ist,
schlüpft mit der Dienstmagd in den Wald hinein —
weshalb? Er war nach Pilzen lüstern
fürs Abendessen.
Indessen
klagt ihnen allen summend unsere Fliege,
das alles nur auf ihren Schultern liege.
Inzwischen hatten doch die Rößlein sacht
die Kutsche auf den glatten Weg gebracht.
"Na", ruft die Fliege, "Gott sei Dank,
setzt euch nur wieder ein, fahrt zu,
mir aber gönnet jetzt auch Ruh;
ich bin ganz krank,
und meine Flügel wollen kaum mich tragen."

*   *   *

Es gibt auch solche Menschen viel:
Sie mengen eifrig sich in andrer Spiel
und sollten doch, ob man sie braucht, erst fragen.

Fab. 40
Der Adler und der Maulwurf

Wer es auch sei, der einen Rat dir beut —
ihn ungeprüft verschmähn, wär' nicht gescheut.

Einst kam aus einem fernen Reiche
ein Aar mit seinem Weib in einen dichten Wald;
der lockte sie zu festem Aufenthalt.
Sie wählten eine hochbelaubte Eiche,
im Gipfel sich ihr Nest zu baun;
im Geiste sahen sie die Jungen flügge schon.
Der Maulwurf hört davon;
er weiß, dem Baum ist nicht zu traun,
er faßt sich Mut, dem Adler zu erzählen,
der Eiche Wurzeln seien krank,
ihr sei der Sturz gewiß, und zwar nicht über lang,
drum möge seine Hoheit sie nicht wählen. —

Ei, hat ein Aar zu hören auf den Rat,
den aus so niedrer Grube er empfaht?
Von einem Maulwurf gar? Wo bliebe da der Ruhm
des Adlerblickes, der so scharf,
daß sich kein andrer ihm vergleichen darf!
Und soll ein Tier, so blöd, so dumm,
sich mischen in des Vogelfürsten Tun?
Die Sache läßt der Aar auf sich beruhn
und geht ans Werk mit Eifer und mit Eile,
den neuen Sitz zu baun, darin das Weibchen weile.
Und alles ging nach Wunsch. Die Aarin hat auch Junge.
Doch was geschah? Als einst im Morgenlicht
aus Wolkenhöh' der Aar herniederbricht,
mit leckrer Frühkost für der Seinen Zunge,
gewahrt er, daß die Eiche fiel,
im Sturze ihm begrabend Weib und Kind.
Er kennt des Jammers nun nicht Maß noch Ziel.
"Weh' mir", ruft er, "wie blind
war ich, wie grausam muß ich büßen,
daß ich mich konnte nicht entschließen,
zu hören auf den klugen Rat.
Wer war des aber auch gewärtig,
daß selbst ein Maulwurf Einsicht hat?" —
"Wärst du nicht so hoffärtig",
ruft es von unten her, "so hättest du erwogen,
daß es mein Los,
zu wühlen in der Erde Schoß,
daß ich ja dazu bin erzogen,
und daß ich, eben in der Wurzel Nähe,
ob noch gesund ein Baum, am besten sehe."