Fabelverzeichnis
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Meinloh von Sevelingen

Er lebte Mitte des 12. Jahrhunderts und war ein Minnesänger der Frühphase der Minnelyrik.
Er gehört zu den frühesten Dichtern, deren Lieder im Codex Manesse gesammelt sind.
Meinloh ist der älteste der schwäbischen Minnesänger und gilt als einer der
bedeutendsten Vertreter von "Minnesangs Frühling".
Die genauen Lebensdaten von Meinloh von Sevelingen sind nicht bekannt, man geht aber
davon aus, dass er Mitte des 12. Jahrhunderts gelebt hat.
Meinloh sang vermutlich auch vor Kaiser Friedrich I. Barbarossa als dieser während
seiner Regierungszeit (1152-1190) die Kaiserpfalz Ulm besuchte.
Sevelingen ist das heutige Söflingen, heute ein Stadtteil der Stadt Ulm.
Die Herren von Sevelingen waren Ministeriale der Grafen von Dillingen, die 1258 den Klarissen das
Kloster Söflingen vermachten.

 
Dô ich dich loben hôrte
 
Als ich dich preisen hörte
 
Dô ich dich loben hôrte, dô het ich dich gerne erkant.
durch dîne tugende manige vuor ich ie welende, unz ích dich vant.
daz ich dich nû gesehen hân, daz enwirret dir niet.
er ist vil wol getiuret, den dû wilt, frouwe, haben liep.
du bist der besten eine, des muoz man dir von schulden jehen.
sô wol den dînen ougen!
diu kunnen, swen si wellen, an vil güetelîchen sehen.


 
Als ich dich preisen hörte, da hatte ich Verlangen, dich kennen zu lernen.
Deine vielen Vorzüge zu erkunden, zog ich immerfort prüfend einher, bis ich dich sah.
Daß ich dich nun gesehen habe, das kümmert dich allerdings nicht.
Der ist in seinem Wert erhoben, dem du, Herrin, deine Neigung schenkst.
Du bist die Allerbeste, das muß man dir mit Recht zuerkennen.
Gepriesen seien deine Augen!
Die können, wen sie nur wollen, sehr freundlich anblicken.


 
Dir enbiutet sînen dienst
 
Dir entbietet seinen Dienst
 
Dir enbiutet sînen dienst, dem dû bist, frouwe, als der lîp.
er heizet dir sagen zewâre, du habest ime alliu anderiu wîp
benomen ûz sînem muote, daz er gedanke niene hât.
nu tuo ez durch dîne tugende und enbiut mir eteslîchen rât.
du hâst im vil nâch bekêret beidiu sín unde leben.
er hât dur dînen willen
eine ganze fröide gar umbe ein trûren gegeben.


 
Dir entbietet seinen Dienst, dem du, Herrin, so lieb bist wie das Leben.
Er läßt dir treulich ausrichten, du habest ihm alle anderen Frauen
aus seinem Herzen verdrängt, so daß er keinen Gedanken mehr an sie verschwendet.
Nun gib mir um deiner Tugend willen manch guten Rat.
Du hast beides, Gedanken und Leben, schon fast gänzlich verwandelt.
Um deinetwillen hat er
all sein Glück für einen einzigen Kummer eingetauscht.


 
Ich sach boten des sumers
 
Ich sah die Boten des Sommers
 
Ich sach boten des sumers, daz wâren bluomen alsô rôt.
weistu, schoene frouwe, waz dir ein ritter enbôt?
verholne sînen dienest; im wart liebers nie niet.
im trûret sîn herze, sît er nu jungest von dir schiet.
nu hoehe im sîn gemüete gegen dirre sumerzît.
frô wirt er niemer,
ê er an dînem arme, sô rehte güetlîche gelît.

 
Ich sah die Boten des Sommers, da waren Blumen so rot.
Weißt du, schöne Herrin, was dir ein Ritter entbot?
Heimlich seinen Dienst. Nie gab es für ihn größeres Glück.
Sein Herz ist im traurig, seit er jüngst von dir Abschied nahm.
Nun richte seinen Lebensmut wieder auf für diesen Sommer.
Frohgemut wird er nimmer,
ehe er nicht in deinem Arm so richtig wohlig liegt.

 
Quelle:
©Fischer TB Verlag 2004/Minnesang/Herausgegeben, übersetzt von©Helmut Brackert

 
Ich bin holt einer frouwen
 
Ich bin hold einer Frauen
 
Ich bin holt einer frouwen: ich weiz vil wol umbe waz.
sît ich ir begunde dienen, sie geviel mir ie baz und ie baz.
ie lieber und ie lieber sô ist si zallen zîten mir,
ie schoener und ie schoener: vil wol gevallet si mir.
si ist saelic zallen êren, der besten tugende pfliget ir lîp.
sturbe ich nâch ir minne
und wurde ich danne lebende, sô wurbe ich aber umbe daz wîp.

 
Ich bin hold einer Frauen: weiß wohl, aus welchem Grund.
So lang ich ihr diene, gefiel sie mir besser von Stunde zu Stund.
Stets lieber nur und lieber ist zu allen Zeiten sie mir,
stets schöner nur und schöner beseligt mich ihre Zier.
Geschaffen zu allen Ehren, übt höchste Tugend sie treu.
Stürbe ich durch ihre Minne
und kehrte wieder ins Leben, so würbe ich um sie aufs neu.

 
Quelle:
©Reclam 1978/Deutscher Minnesang/Nachdichtung von ©Kurt Erich Meurer

 
Sô wê den merkaeren!
 
Verwünscht seien die Aufpasser!
 
Sô wê den merkaeren! die habent mîn übele gedâht,
si habent mich âne schulde in eine grôze rede brâht.
si waenent mir in leiden, sô sî sô rûnent under in.
nu wizzen alle gelîche, daz ich sîn vríundìn bin.
Âne nâhe bî gelegen, des hân ich weiz got niht getân.
staechen si ûz ir ougen!
mir râtent mîne sinne an deheinen andern man.


 
Verwünscht seien die Aufpasser! Sie haben mir übel mitgespielt.
Sie haben mich ohne Grund sehr ins Gerede gebracht.
Sie meinen, sie könnten ihn mir verleiden, wenn sie so untereinander tuscheln.
Sollen sie doch alle wissen, daß ich seine Freundin bin!
Ohne mit ihm zu schlafen, das habe ich weiß Gott nicht getan.
Die Augen soll man ihnen ausstechen!
Mir raten Herz und Verstand zu keinem anderen Mann.


 
Mir erwelten mîniu ougen
 
Meine Augen erwählten mir
 
Mir erwelten mîniu ougen einen kíndeschen man.
daz nîdent ander vrowen; ich hân in anders niht getân,
wan ob ich hân gedienet, daz ich diu líebeste bin.
dar an wil ich kêren mîn herze und al den sin.
Swelhiu sînen willen hie bevor hât getân,
verlôs si in von schulden —
der wil ich nû niht wîzen, sihe ich si unvroelîchen stân.


 
Meine Augen erwählten mir einen jungen Mann.
Darauf sind andere Frauen eifersüchtig. Nichts anderes habe ich ihnen getan,
als daß ich erlangt habe, ihm die Liebste zu sein;
darauf will ich mein Herz und allen Sinn richten.
Der Frau, die ihm zuvor zu Willen war —
wenn sie ihn nicht ohne Grund verlor —,
der will ich es nun nicht vorwerfen, wenn ich sie traurig dastehen sehe.


 
Ich hân vernomen ein maere
 
Ich habe eine Nachricht erhalten
 
Ich hân vernomen ein maere,mîn muot sol aber hôhe stân:
wan er ist komen ze lande, von dem mîn trûren sol zergân.
mîns herzen leide sî ein urloup gegeben.
mich heizent sîne tugende, daz ich vil staeter minne pflege
Ich gelege mir in wol nâhe, den selben kindeschen man.
sô wol mich sînes komens: wie wol er vrowen dienen kan.

 
Ich habe eine Nachricht erhalten, ich werde wieder froh sein!
Denn er ist ins Land gekommen, durch den mein Leid vergehen wird.
So gebe ich meinem Herzenskummer Abschied.
Seine Vortrefflichkeit sagt mir, daß ich ganz treu lieben werde.
Ganz nahe lege ich ihn zu mir, diesen jungen Mann.
Wie freue ich mich, daß er kommt! Und wie wunderbar er höfischen Frauen dienen kann!

 
Quelle:
©Reclam 1990/Frauenlieder/Übersetzt und herausgegeben von ©Ingrid Kasten