Fabelverzeichnis
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Otto von Botenlauben
*wahrscheinlich 1177 † 1244 bei Bad Kissingen

Graf Otto von Henneberg, er nannte sich ab 1206 Otto von Botenlauben nach der
gleichnamigen Burg bei Kissingen.
Er ist urkundlich gut bezeugt, vor allem im heimatlichen Franken, aber auch in Italien
und in Palästina, wo er sich etwa zwischen 1208 und 1220 mehrfach aufhielt. Wo er
Beatrix, Tochter des Seneschalls von Jerusalem (Joscelin III. von Courtenay) heiratete.
Er ist mehrfach in der Umgebung verschiedener Staufer-Könige bezeugt (Heinrich VI.,
Friedrich II., Heinrich VII.) Am 7.2. 1245 wird Beatrix als Witwe erwähnt.

Außerdem war er ein deutscher Minnesänger, Kreuzfahrer und Klostergründer.
Otto stiftete 1231 zusammen mit seiner Frau das Zisterzienserinnenkloster Frauenroth,
wo beide auch begraben liegen. Das Kloster wurde im 30jährigen Krieg zerstört;
der Grabstein ist jedoch bis heute erhalten.

 

Ein Kreuzlied
 

Waere Kristes lôn niht alsô süeze
 
Wäre die Belohnung durch Christus nicht so süß
 
1.
Waere Kristes lôn niht alsô süeze,
so enlieze ich niht der lieben frouwen mîn,
diech in mînem herzen dicke grüeze:
sie mac vil wol mîn himelrîche sîn,
swâ diu guote wone al umbe den Rîn.
herre got, nu tuo mir helfe schîn,
daz ich mir und ir erwerbe noch die hulde dîn!

2.
»Sît er giht ich sîn himelrîche,
sô habe ich in zuo gote mir erkorn,
daz er niemer fuoz von mir entwîche.
herre got, lâ dirz niht wesen zorn.
erst mir in den ougen niht ein dorn,
der mir hie ze fröiden ist geborn.
kumt er mir niht wider, mîn spilnde fröide ist gar verlorn.«

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1.
Wäre die Belohnung durch Christus nicht so süß,
dann verließe ich nicht die liebe Herrin,
die ich in meinem Herzen so oft grüße:
Sie vermag durchaus mein Himmelreich zu sein,
wo immer sich die Schöne auch am Rhein aufhält.
Herrgott, nun erweise mir Deine Hilfe,
daß ich mir und ihr gleichwohl Deine Gnade erringe!

2.
»Da er sagt, ich sei sein Himmelreich,
habe ich ihn mir zum Gott erwählt,
damit er keinen Fußbreit von mir weggehe.
Herrgott, zürne mir deswegen nicht.
Denn er ist mir keineswegs ein Dorn im Auge,
der mir hier zur Freude geboren ist.
Kommt er nicht zurück, dann ist meine herrliche Freude völlig zunichte.«

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Kumt er, der mir dâ komen sol
 
Kommt er, der zu mir kommen soll
 
1.
»Kumt er, der mir dâ komen sol,
der mir bi dem hôhsten eide
lobte er kaeme mir,
sô wirt mir sendem wibe wol:
bluomen unde grüener heide
sanfte ich der eпbir.
sô we dir, arge huote,
dast unsaelic sîst
durch daz du staetem muote
sô vil leides gîst!
daz ist mîner fröide ein slac.
wahter, sô du welles singen, sô sinc ez sî tac!«

2.
Dô diu vil reine frouwe guot
klagte ir leit sô klagelîchen,
schiere wart si frô
unt wart geringet ir der muot.
si gienc zem wahter tougenlîchen
unde sprach alsô
»wahtaer, nu lâ din singen,
ez ist noch niender tac.
mîn leit daz wil sich ringen
daz mir sô nâhe lac:
guotiu maere ich hân vernomen,
daz ein spiegel aller mîner wunne mir ist komen.«

 
1.
»Kommt er, der zu mir kommen soll,
der mir mit höchstem Eid
geschworen hat, er käme zu mir,
dann wird mir sehnsuchtsvoller Frau wohl:
Auf die Blumen und die grüne Wiese
verzichte ich dann leicht.
Weh euch, böse Aufpasser,
seid verwünscht,
weil ihr beständige Liebe
so viel Leid verursacht!
Das ist ein Schlag für meine Freude.
Wächter, wenn du singen willst, dann singe, es sei Tag.«

2.
Nachdem die edle schöne Dame
ihr Leid so stark beklagt hatte,
wurde sie plötzlich froh,
und ihr Kummer verschwand.
Sie ging heimlich zum Wächter
und sagte dieses:
»Wächter, nun laß dein Singen,
denn es ist noch keineswegs Tag.
Mein Leid wird verschwinden,
das mir so nahe gegangen ist:
Gute Nachricht habe ich vernommen,
nämlich, daß der Spiegel aller meiner Freude gekommen ist.«

 
Quelle:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters/Ausgewählt, übersetzt und erläutert von ©UlrichMüller/©Gerlinde Weiss

 


Zwei Tagelieder
 

Singet, vogel, singet
 
Singt, Vögel, singt
 
1.
»Singet, vogel, singet miner frouwen, der ich sanc:
ich sanc umbe alle ir ere und umbe ir werden friundes lîp.
den beiden diente ich gerne: ir sô diene ich âne wanc.
daz triuwe ich wol erwenden, sît ich daz wunderschœne wîp
eins ritters und ir êren hât bewegen.
ich pflac ir her, nu müeze ir got der rîche pflegen
und helfe im wol von hinnen: er hat ze lange hie gelegen.

2.
Ich ziuge ez uf der kleinen vogellîne morgensanc
daz ich dir hân geleistet, ritter, swaz ich leisten sol
dîm lîbe und mîner frouwen, des mich her mîn triuwe ie twanc,
dazt hiute und iemer mêre bewaht bist und behüetet wol,
wan dac ir zorn gen tage mir zwîvel gît.
nu wecke in, frouwe, ich singe im rehte scheidens zît.
nu hüet dîn selbes, ritter: grôz angest bî der liebe lît.«

3.
»lch bin unsanfte erwecket, frouwe, ob ich entflâfen was,
von manger vogel sange, die sich da fröiwent gen dem tage.
ich hôrte lûte singen den wahter ûf dem palas,
als er uns hât bescheiden: mit sange hôrte ich sîne klage.
wie hâstu, saelic wîp, mich daz verdaget,
daz dû niht spraeche:'ritter, wache, ich waene, ez taget!'
nu muoz ich von dir scheiden: grôz angest mich von liebe jaget.«

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1.
»Singt, Vögel, singt für meine Herrin, für die ich gesungen habe.
Ich sang, um ihr Ansehen und das Leben ihres edlen Geliebten zu bewahren.
Beiden habe ich bereitwillig und mit großer Zuverlässigkeit gedient.
Das glaube ich nun aufgeben zu können, da die wunderschöne Frau
auf einen Ritter und ihr Ansehen keine Rücksicht nimmt.
Bisher habe ich sie beschützt, nun möge Gott der Allmächtige sie beschützen
und ihm helfen, unbehelligt von hier fortzukommen. Er hat zu lange hier geschlafen.

2.
Der Morgengesang der kleinen Vögel ist mein Zeuge, daß ich für dich, Ritter,
getan habe, was ich dir und meiner Herrin schuldig bin und wozu mich
meine Treueverpflichtung bisher stets angehalten hat, damit du heute
und in Zukunft immer gut bewacht und beschützt bist. Nur ihr Zorn bei
Tagesanbruch macht mich unsicher. Nun weck ihn, Herrin, ich kündige ihm mit
meinem Lied den richtigen Zeitpunkt für den Abschied an.
Nun gib selbst auf dich acht, Ritter. Große Gefahr ist mit der Liebe verbunden.«

3.
»War ich eingeschlafen, so bin ich, Herrin, durch den
Gesang vieler Vögel, die sich auf den Tag freuen, unsanft geweckt worden.
Ich hörte den Wächter auf der Burg, laut singen, wie er uns gewarnt hat.
Ich hörte seinen klagenden Gesang. Warum hast du mir, liebste Frau,
dies verschwiegen und nicht gesagt:
'Ritter, wach auf, ich glaube, es wird Tag.'
Nun muß ich dich verlassen. Große Gefahr treibt mich von der Liebe fort.«

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Wie sol ich den ritter
 
Wie soll ich den Ritter
 
1.
»Wie sol ich den ritter nû gescheiden
und daz schœne wîp,
die dicke bî ein ander lâgen ê?
dâ rât ich in rehten triuwen beiden
und ûf mîn selbes lîp
daz sie sich scheiden und er dannen gê.
mâze ist zallen dingen guot.
lîp und êre ist unbehuot,
ob man iht langer lît.
ichn singe eht anders niht wan: es ist zît.
stant ûf, ritter!«

2.
>Hœrstu, friunt, den wahter an der zinnen
wes sîn sanc verjach?
wir müezen unsich scheiden, lieber man.
alsô schiet dîn lîp ze jungest hinnen,
dô der tac ûf brach
und uns diu naht sô vlühteclîche entran.
naht gît senfte, wê tuot tac.
owê, herzeliep, in mac
dîn nû verbergen nieht:
uns nimt der fröiden vil daz grâwe lieht.
stant ûf, ritter!<

3.
»Dîn kuslîch munt, dîn lîp klâr unde süeze,
dîn drucken an die brust,
dîn umbevâhen lât mich hie betagen.
daz ich noch bî dir betagen müeze
ân aller fröiden vlust!
sô daz geschiht, son dürfen wir niht klagen.
dîn minne ist gar ein zange mir,
si klemmet mich, ich muoz ze dir,
gult ez mir al den lîp.«
>dichn lât der tac, daz klage ich, sende wîp.
stant ûf, ritter!<

 
1.
»Wie soll ich den Ritter und die schöne Frau,
die schon häufig die Nacht miteinander
verbracht haben, nun voneinander trennen?
Weil ich ihnen treu ergeben bin und aus
Sorge um mein eigenes Leben rate ich beiden,
sich zu trennen und daß er fortgehen soll.
Es ist gut, in allen Dingen Maß zu halten.
Leben und Ansehen sind gefährdet,
wenn sie noch länger liegenbleiben.
Ich singe doch nichts anderes als: es ist Zeit.
Steh auf, Ritter!«

2.
>Hörst du, Liebster, den Wächter auf der Zinne
und was sein Lied verkündet hat?
Wir müssen Abschied voneinander nehmen, lieber Freund.
Genauso mußtest du vor kurzem fortgehen,
als der Tag anbrach
und die Nacht uns so schnell zerronnen war.
Die Nacht schenkt Angenehmes, der Tag bringt Leid.
Ach, Herzallerliebster, ich kann dich
nun nicht länger verbergen.
Das Morgengrauen nimmt uns unser ganzes Glück.
Steh auf, Ritter!<

3.
»Dein Mund, der zum Küssen einlädt, dein schöner,
anziehender Körper, deine Art, dich an mich zu
schmiegen, und deine Umarmungen verführen mich
dazu, den Tag über hierzubleiben. Könnte ich doch
einmal den Tag bei dir verbringen, ohne alles Glück
zu verlieren. Wenn das geschieht, brauchen wir nicht
zu klagen. Deine Liebe kommt mir wie eine Zange vor.
Sie hält mich fest, ich muß zu dir, koste es
mich sogar mein Leben.«
>Der Tag läßt dich nicht bleiben, das beklage ich voller Sehnsucht.
Steh auf, Ritter!<

 
Quelle:
©Reclam 2003/Tagelieder des deutschen Mittelalters/Ausgewählt und übersetzt von ©Martina Backes


 
>Fröide ist al der welte komen,
niht ze mînem fromen,
sît mich sîn güete also vrömeden wil
Der walt ist grüene und sanges vol.
swer sich vröuwen sol,
der lobe die zît, diu gît wunnen vil.
Alliu herzen an vröiden jungen sich,
swaz et vröiden gert, wan ich.<

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>Für alle Welt ist eine Zeit der Freude angebrochen,
nur mir bleibt sie versagt,
weil er mir seine Zuneigung so ganz entzieht.
Der Wald ist grün und erfüllt vom Singen der Vögel.
Wer sich freuen darf,
der lobe die Zeit, die reichlich Lust schenkt.
Alle Herzen, die sich nach Freude sehnen,
werden vor Freude jung — außer meines.<

~0~0~0~0~

 
Karbunkel ist ein stein genant,
von dem saget man, wie liehte er schîne
Der ist mîn, und ist daz wol bewant:
ze Lôche lît er in dem Rîne.
Der künic alsô den weisen hât,
daz ime den nieman schînen lât.
mir schinet dirre als ime tuot der:
behalten ist mîn frouwe als er.

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Karfunkel nennt man einen Stein,
von dem heißt es, daß er hell leuchte.
Der Stein ist mein, und es ist gut um ihn bestellt:
Bei Lochheim liegt er tief im Rhein.
Dem König gehört ebenso der Waise,
so nämlich, daß ihm niemand den leuchten läßt.
Mir leuchtet dieser so viel wie jener ihm,
und gleichermaßen gut verwahrt ist meine Herrin.

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1.
Ich hân erweit mir selben süezen kumber,
den wil ich hân für aller bluomen schîn.
Er ist niht wîs, der mich hât deste tumber:
nît was ie, der muoz ouch iemer sîn.
Durch die lieben trage ich disen pîn;
den hân ich erweil, nu sî ouch mîn.
tuo mir swie du wellest, vrouwe, der gewalt ist dîn.

2.
Ich man die süezen reinen noch ir triuwen
die si mir gap, des ist unmâzen lanc:
Kæme ich wider, ich schiede ûz allen riuwen.
geschiht des niht, sô wirt mîn leben kranc.
Nâch der ie mîn herze sêre ranc,
mir geschiht von ir minne sunder wanc
alse der nahtegal: diu sitzet tôt ob ir vröiden sanc.

3.
Solte ich sterben von sô grôzen leiden,
daz wære mir ein angestlîchiu nôt.
Wes schult daz sî, daz wil ich iu bescheiden:
daz ist ir minneclîcher munt sô rôt.
Vrömede ich si lange, daz ist mîn tôt.
ouch wurden ir vil liehtiu ougen rôt,
dô ich urloup nam und mich in ir genâden bôt.

 
1.
Ich hab mir süßes Leid erwählt,
das will ich höher schätzen als den Glanz der Blumen
Wer mich darum für töricht hält, ist nicht gescheit.
Neid gab es immer schon und wird es immer geben.
Um der Geliebten willen ertrage ich den Schmerz.
Ich habe ihn erwählt, so sei er auch der meine.
Nun tu mir, Herrin, wie du willst, du hast die Macht.

2.
Ich mahne die geliebte reine Frau an ihr Versprechen,
das sie mir gab vor unermeßlich langer Zeit:
Wenn ich wiederkäme, würde ich von allem Leid befreit.
Wenn das nicht wahr wird, ist mein Leben gebrochen.
Zu ihr zu kommen hat mein Herz sich immer abgemüht,
von ihrer Liebe wird es mir gewiß noch gehen
so wie der Nachtigall: Die stirbt inmitten ihres Freudenlieds.

3.
Sollt ich an diesen großen Qualen sterben,
das wär ein Ende, das mir Angst macht.
Wer daran schuld ist, will ich euch verraten:
Das ist ihr liebreizender Mund, der ist so rot.
Es ist mein Tod, wenn ich ihr lang fernbleiben muß.
Doch wurden auch ihre strahlenden Augen rot,
als ich Abschied nahm und mich in ihre Gnade gab.

 
Quelle:
© Deutscher Klassiker Verlag/2006/Deutsche Lyrik des späten Mittelalters/Herausgegeben von ©Burghart Wachinger