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Kreuzlieder
 

                                                                   Lieder 16-31
 
   
Siu jehent, der sumer der sî hie Ich hân varender fröiden vil
Ich was frô und bin daz unz an mînen tôt Ich gehabe mich wol und enruochte iedoch
Mir ist ein nôt vor allem mînem leide Aller sælde ein sælic wîp
Ich wil allez gâhen Sage, daz ich dirs iemer lône
Niemen seneder suoche an mich deheinen rât Lieber bote, nu wirbe alsô
Lâze ich mînen dienest sô Als ich werbe unde mir mîn herze stê
Als ich mich versinnen kan Ein lieplîch triuten und ein friuntlîch umbevâhen
Ich spriche iemer, swenne ich mac und ouch getar Langez swîgen hêt ich mir gedâht

 

Anmerkung zu Lied 16

Auf Grund der Namensnennung in Strophe1 kann man die literarhistorische Fixierung des Lebens Reinmars
feststellen, und die Stellung eines Hofsängers am Wiener Hof wird bestätigt.
Es wird als gesichert angenommen, dass mit dem genannten Luitpolt der österr. Herzog Leopold V. gemeint ist.
Jener starb am 31.12.1194 an den Folgen eines Wundbrandes nach einem Sturz vom Pferd.

Das Lied scheint sich um eine Auftragsarbeit oder zumindest im Sinne der Herzoginwitwe Helena verfasst worden sein,
da in diesem Lied keine persönliche Betroffenheit des Dichters aufscheint.
 
Lied 16
Die sogenannte Witwenklage
 

1.
ꞋSiu jehent, der sumer der sî hie,
diu wunne, diu sî komen,
und daz ich mich wol gehabe als ê.
Nû râtent unde sprechent wie?
der tôt hât mir benomen,
daz ich niemer überwinde mê.
Waz bedarf ich wunneclîcher zît,
sît aller fröiden herre Liutpolt in der erde lît,
den ich nie tac getrûren sach?
ez hât diu werlt an ime verlorn,
daz ir an einem manne nie sô jâmerlîcher schade geschach.

2.
Mir armen wîbe was ze wol,
dô ich gedâhte an in,
und wie mîn teil an sînem lîbe lac.
Daz ich des nû niht haben sol,
des gât mit sorgen hin,
swaz ich iemermê geleben mac.
Mîner wunnen spiegel der ist verlorn:
den ich mir hete ze sumerlîcher ougenweide erkorn,
des muoz ich leider ænic sîn.
dô man mir seite, er wære tôt,
ze hant viel mir der muot von dem herzen ûf die sêle mîn.

3.
Die fröide mir verboten hât
mîns lieben herren tôt,
alsô daz ich ir mêr enbern sol.
Sît des nu niht mac werden rât,
in ringe mit der nôt,
daz mir mîn klagendez herze ist jâmers vol.
Diu in iemer weinet daz bin ich,
wan er vil sælic man, jô trôste er wol ze lebende mich,
der ist nu hin. waz tohte ich hie?
wis ime gnædic, herre got,
wan tugenthafter gast kam in dîn gesinde nie.Ꞌ
 

1.
ꞋSie sagen, der Sommer, der sei da,
die Freude, die sei gekommen,
und daß ich mich wohl fühlen solle wie ehemals.
Nun ratet mir und sagt — wie?
Der Tod hat mich beraubt,
was ich niemals mehr verwinde.
Was bedarf ich freudenreicher Zeit,
nachdem der Herr aller Freuden, Leopold, in der Erde liegt,
den ich nie einen Tag trauern sah?
Es hat die Welt so viel an ihm verloren,
daß ihr niemals mit einem Manne ein so bejammernswerter Verlust widerfuhr.

2.
Mir armer Frau war zu wohl,
wenn ich an ihn dachte —
und wie von seinem Leben mein Lebens-Anteil abhing.
Daß ich dies nun nicht mehr haben soll,
deshalb geht mit Sorgen dahin,
was immer ich fürderhin zu leben habe.
Meiner Freuden Spiegel, der ist verloren:
Den ich mir zur sommerlichen Augenweide erwählt hätte,
den muß ich zu meinem Leid entbehren.
Als man mir sagte, er sei tot,
sogleich fiel mir der Lebensmut vom Herzen auf meine Seele.

3.
Die Freude hat mir versagt
meines geliebten Herren Tod,
so daß ich auf sie fortan verzichten muß.
Seitdem kann es nun dafür keine Abhilfe geben,
als daß ich mit dem Leid ringe,
so daß mir mein klagendes Herz voll Jammer ist.
Die ihn immer beweint, das bin ich;
denn dieser so gesegnete Mann – ja, er tröstete mich wohl, lebte er, —
der ist nun dahin. Was tauge ich noch hier?
Sei ihm gnädig, Herr Gott,
denn ein tugendreicherer Gast kam noch nie in deine Gefolgschaft.Ꞌ
 


Was sind Trutzstrophen?

Die Trutzstrophen enthalten Antworten auf die Lieder, mit denen zusammen sie überliefert wurden.
Sie sind drohende, spöttische oder scheltende Retourkutschen im gleichen Ton und knüpfen meist punktuell an eine bestimmte Stelle
des betreffenden Liedes an.
 

Lied 17
Ein sogenanntes Trutzlied
 

1.
Ich was frô und bin daz unz an mînen tôt,
mich enwende es got aleine.
Mich enbeswære ein rehte herzeclîche nôt,
mîn sorge ist anders kleine.
Sô daz danne an mir zergât,
sô kumet aber hôher muot, der mich niht trûren lât.

2.
Sô singe ich zewâre durch mich selben niht,
wan durch der liute frâge,
die da jehent, des mir, ob got wil, niht geschiht,
daz fröiden mich betrâge:
Si ist mir liep und wert als ê,
obe ez ir etelîchem tæte in den ougen wê.

3.
Ich wil aller der enbern, die min enberent,
und daz tuot âne schulde.
Vinde ich die iender, die des an mich gerent,
den diene ich umbe ir hulde.
Ich hân iemer einen sin:
er wirt mir niemer liep, deme ich unmære bin.

4.
Ich wil frô ze liebe mînen friunden sîn
und allen den ze leide,
die mir âne schulde tuont ir nîden schîn
und wænent balde, wie ich scheide
den muot von fröiden umbe ir haz.
Sterben si von leide, sô enwart mir ê nie baz.
 

1.
Ich war froh und bin es bis zu meinem Tod,
wofern mich nicht Gott allein daran hindert.
Beschwert mich nicht eine wirkliche Herzensnot,
ist meine Sorge sonst gering.
Wenn das dann an mir vorübergeht,
dann kommt wieder ein Hochgefühl, das mich nicht trauern läßt.

2.
Dann singe ich wahrlich nicht um meiner selbst willen,
als vielmehr der Frage der Leute wegen,
die da sagen – was mir, so Gott will, nicht geschieht, —
daß Freuden mich wohl langweilen.
Sie ist mir lieb und wert wie ehedem,
wenn es auch manchem von ihnen in den Augen weh tut.

3.
Ich will auf alle die verzichten, die auf mich verzichten,
und das ohne Grund tun.
Finde ich aber diejenigen irgendwo, die das von mir begehren,
denen diene ich um ihre Gunst.
Ich habe immer eine Meinung:
der wird mir niemals teuer, dem ich gleichgültig bin.

4.
Ich will meinen Freunden zuliebe froh sein
und all denen zum Verdruß,
die mir ohne Grund ihre Mißgunst zu erkennen geben
und dreist hoffen, daß ich abwende
den Sinn von Freuden ihres Hasses wegen.
Mögen sie aus Ärger sterben, so war es mir zu keiner Zeit wohler!
 

Lied 18
Minne und Gesellschaftsklage
 
1.
Mir ist ein nôt vor allem mînem leide,
doch durch disen winter niht.
Waz darumbe, valwet grüeniu heide,
solher dinge vil geschiht,
der ich aller muoz gedagen.
Ich hân mê ze tuonne danne bluomen klagen!

2.
Swie vil ich gesage guoter mære,
sô ist nieman, der mir sage,
wenne ein ende werde mîner swære,
dar zuo maniger grôzen klage,
diu mir an daz herze gât.
Wohl bedörfte ich wîser liute an mînen rât.

3.
Niender vinde ich triuwe, daz ist ein ende,
da ich si doch gedienet hân.
Guoten liuten leit ich mîne hende,
wolten siu ûf mir selben gân,
des wære ich vil willig in.
owê, daz mir nieman ist als ich im bin.

4.
Wol den ougen, die sô welen kunden,
und dem herzen, daz mir riet
an ein wîp, diu hât sich underwunden
guoter dinge und anders niet.
Swaz ich durch si lîden sol,
daz ist kummer, den ich harte gerne dol.

5.
Daz ein man, der ie mit bœsem muote
sîne zît gelebet hât,
nimmer gelachen wil mîn ze guote,
des wirt mîn vil schône rât:
Swenne ich in erliegen sol,
sô gedenke ich: >Owê, wie getuon ich wol.<
 
1.
Für mich gibt es eine Not vor all meinem Leid,
jedoch nicht wegen diesem Winter.
Was soll es, wenn die grüne Heide fahl wird —
viele solcher Dinge geschehen,
von denen allen ich schweigen muß.
Ich habe mehr zu tun als Blumen zu beklagen!

2.
Wie viel ich auch von angenehmen Neuigkeiten spreche,
so gibt es niemand, der mir sagt,
wann ein Ende komme für meine Beschwernis
und überdies für manch große Klage,
die mir an das Herz greift.
Wohl hätte ich weise Leute zu meiner Beratung nötig.

3.
Nirgends finde ich Treue – das ist eben so,
wo ich sie doch verdient habe.
Edlen Menschen legte ich meine Hände unter,
wollten sie auf mir selbst gehen:
dazu wäre ich ihnen ganz willfährig.
Ach, daß niemand zu mir ist wie ich zu ihm!

4.
Wohl den Augen, die so wählen konnten,
und dem Herzen, das mir riet
zu einer Frau, die sich geweiht hat
dem Guten und nichts anderem!
Was immer ich ihretwegen leiden muß,
das ist ein Kummer, den ich sehr gerne erdulde.

5.
Daß ein Mann, der immer in übler Laune
seine Zeit hingelebt hat,
niemals mir zum Wohle lachen will —
dafür gibt es für mich recht gute Abhilfe:
Wenn ich ihn durch Lügen gewinnen muß,
dann denke ich: >Ach, wie handle ich richtig!<
 
Lied 19
Minneklage
 

1.
Ich wil allez gâhen
zuo der liebe, die ich hân.
sô ist ez niender nâhen,
daz sich ende noch mîn wân.
Doch versuoche ich ez alle tage
und gediene ir sô, daz si âne ir danc
mit fröiden muoz erwenden kumber, den ich trage.

2.
Mich betwanc ein mære,
daz ich von ir hôrte sagen,
wie si ein frouwe wære,
diu sich schône kunde tragen.
Daz versuoche ich und ist wâr:
ir kunde nie dehein wîp geschaden,
daz ist wol kleine – sô grôz alse umbe ein hâr.

3.
Swaz in allen landen
mir ze liebe mac geschehen,
daz stât in ir handen,
anders nieman wil ich sîn jehen.
Si ist mîn ôsterlîcher tac,
und hân si in mînem herzen liep.
daz weiz er wol, dem man niht geliegen mac.

4.
Si hât leider selten
mîne klagende rede vernomen.
Des muoz ich engelten:
nie kunde ich ir nâher komen.
Maniger zuo den frouwen gât
und swîget allen einen tac
und anders niemen sînen willen reden lât.

5.
Niemen ime ez vervienge
ze einer grôzen missetât,
ob er dannen gienge,
dâ er niht ze tuonne hât.
Spræche als ein gewizzen man:
>Gebietet ir an mîne stat,<
daz wære ein zuht und stüende im lobelîchen an.
 

1.
Ich will allzeit eilen
zu der Liebe, die ich habe.
Jedoch liegt es keineswegs nahe,
daß meine vergebliche Hoffnung noch einmal ein Ende nehme.
Dennoch versuche ich es alle Tage
und diene ihr so, daß sie auch gegen ihre Absicht
durch Freuden den Kummer abwenden muß, den ich leide.

2.
Mich fesselte eine Kunde,
die ich von ihr sagen hörte,
daß sie eine Frau sei,
die sich höfisch betragen könne.
Das erprobe ich, und es ist wahr:
Ihr könnte nie irgendeine andere Frau schaden,
nicht einmal – und das ist ja wenig – um Haaresbreite.

3.
Was auch immer in allen Ländern
mir an Freude zuteil werden kann,
das liegt in ihren Händen,
sonst niemandem will ich das zubilligen.
Sie ist mein österlicher Tag,
und ich habe sie in meinem Herzen lieb.
Das weiß der wohl, dem man nichts vorlügen kann.

4.
Sie hat zu meinem Leid niemals
mein klagendes Lied vernommen.
Dafür muß ich büßen:
nie konnte ich ihr näherkommen.
Manch einer geht zu den Damen
und schweigt den ganzen Tag über
und läßt sonst niemand von seinen Wünschen sprechen.

5.
Niemand rechnete es ihm an
als eine große Übeltat,
wenn er von dannen ginge,
wo er nichts zu tun hat.
Spräche er wie ein verständiger Mann:
>Erlaubt mir, mich zu entfernen,<
das wäre ein Anstand und stünde ihm löblich an.
 

Lied 20
Minne und Gesellschaftsklage
 
1.
Niemen seneder suoche an mich deheinen rât:
ich mac mîn selbes leit erwenden niht.
Nu wæne ich iemen grœzer ungelücke hât,
und man mich doch sô frô darunder siht.
Dâ merkent doch ein wunder an!
Ich solte iuch klagen die meisten nôt —
niuwan daz ich von wîben niht übel reden kan.

2.
Spræche ich nû des ich si selten hân gewent,
dar an begienge ich grôze unstætekeit.
Ich hân lange wîle unsanfte mich gesent
und bin doch in der selben arebeit.
Bezzer ist ein herzesêre,
danne ich von wîben misserede.
Ich tuon sîn niht, si sint von allem rehte hêre.

3.
In ist liep daz man siu stæteclîchen bite,
und tuot in doch sô wol, daz siu versagent.
Hei, wie manigen muot und wunderlîche site
siu tougenlîche in ir herze tragent!
Swer ir hulde welle hân,
der wese in bî und spreche in wol.
Daz tet ich ie, nu kann ez mich leider niht vervân.

4.
Dâ ist doch mîn schulde entriuwen niht sô grôz
als rehte unsælic ich ze lône bin.
Ich stân aller fröiden reht als ein hant blôz,
und gât mîn dienste wunderlîche hin.
Daz geschach nie manne mê.
Volende ich eine senede nôt
si getuot mir niemer, mag ichz behüeten, wol noch wê.

5.
Ich bin tump, daz ich sô grôzen kumber klage
und ir des wil deheine schulde geben.
Sît ich si âne ir danc in mînem herzen trage,
waz mac si des, wil ich unsanfte leben?
Daz wirt ir iedoch lîhte leit.
Nu muoz ichz doch alsô lâzen sîn: mir
machet niemen schaden, wan mîn stætekeit.
 
1.
Kein Sehnsüchtiger suche bei mir irgend einen Rat:
ich kann mein eignes Leid nicht abwenden.
Nun glaube ich, daß niemand größeres Unglück hat,
obwohl man mich doch bisweilen so froh sieht.
Da nehmt doch ein Wunder wahr!
Ich sollte euch die größte Not klagen —
nur daß ich über Frauen nicht schlecht sprechen kann.

2.
Sagte ich nun das, woran ich sie nie gewöhnt habe,
damit beginge ich große Untreue.
Ich habe lange Zeit schmerzlich mich gesehnt
und bin dennoch in derselben Not.
Besser ist ein Herzeleid,
als daß ich über Frauen schlecht rede.
Ich tue das nicht. Sie sind mit vollem Recht verehrungswürdig.

3.
Ihnen ist es lieb, daß man sie beharrlich bitte,
und es tut ihnen doch so wohl, daß sie sich versagen.
Ei, wie manche Laune und wunderliche Sitte
sie heimlich in ihrem Herzen hegen!
Wer ihre Huld gewinnen will,
der bleibe in ihrer Nähe und spreche gut über sie.
Das tat ich immer. Nun kann es mir zu meinem Leid nichts helfen.

4.
Hier ist doch, meiner Treu, meine Schuld nicht so groß
wie wahrhaft glücklos ich in der Hoffnung auf Lohn bin.
Ich bin von allen Freuden gerade wie eine Hand entblößt,
und mein Dienst zieht sich seltsam hin.
Das widerfuhr sonst keinem Mann!
Bringe ich eine gewisse sehnsuchtsvolle Not zu einem Ende,
dann wird sie mir, kann ich es verhüten, niemals mehr weder wohl- noch wehtun.

5.
Ich bin töricht, daß ich so großen Kummer beklage
und ihr daran irgendeine Schuld geben will.
Nachdem ich sie gegen ihren Willen in meinem Herzen trage —
was kann sie dafür, will ich mühevoll leben?
Das wird ihr jedoch vielleicht leid tun.
Nun muß ich es doch so geschehen lassen:
mir fügt niemand Schaden zu außer meine Beständigkeit.
 
Lied 21
Minneklage. Erweiterter Wechsel
 
1.
Lâze ich mînen dienest sô,
dem ich nu lange her gevolget hân,
sô wirde ich niemer frô.
Si muoz gewaltes mê an mir begân,
danne an manne ie wîp begie,
ê daz ich mich sîn geloube, ich kunde doch gesagen wie.

2.
Ûzer hûse und wider dar în
bin ich beroubet alles des ich hân:
Fröiden und aller der sinne mîn.
Daz hât mir ander niemen wan si getân.
Daz berede ich alse ich sol.
Wil sis lougen sô getriuwe ich mînem rehte wol.

3.
»Ich bin sô harte niht verzaget,
daz er mir sô harte solte dröun.
Ich wart noch nie von im gejaget,
er mohte sis ze mâze fröun.
Niemer wirde ich âne wer.
Bestât er mich, in bedunket mîn eines lîbes ein ganzez her.«

4.
Ich hân ir vil manic jâr
gelebet und si mir selten einen tac.
Dâ von gewinne ich noch daz hâr,
daz man in wîzer varwe sehen mac.
Ir gewaltes wirde ich grâ.
Si mohte sich sîn gelouben unde zurnde anderswâ.

5.
Wænet si daz, daz ich den muot
von ir gescheide umbe alse lîhten zorn?
Obe si mir ein leit getuot,
sô bin ich doch ûf anders niht geborn,
wan daz ich des trôstes lebe, wie ich ir
gediene und si mir swære ein ende gebe.
 
1.
Lasse ich meinen Dienst in dieser Art,
dem ich nun seit langem nachgekommen bin,
dann werde ich nie mehr froh.
Sie muß mehr an Gewalt mir gegenüber ausüben,
als je gegenüber einem Manne eine Frau ausübte,
ehe ich darauf verzichte; ich könnte aber sagen, wie!

2.
Außerhalb des Hauses und auch darin
bin ich alles dessen beraubt, was ich habe:
der Freuden und aller meiner Sinne.
Das hat mir niemand anders als sie angetan.
Das beeide ich, sobald ich muß.
Will sie es leugnen, dann vertraue ich ganz auf mein Recht.

3.
»Ich bin nicht so sehr mutlos,
daß er mir so streng drohen müßte.
Ich wurde noch nie von ihm verfolgt,
er konnte sich dessen wirklich noch kaum erfreuen.
Niemals werde ich schutzlos:
Greift er mich an, wird ihm meine eine Person wie ein ganzes Heer vorkommen!«

4.
Ich habe für sie gar manches Jahr
gelebt – und sie für mich nie einen Tag.
Dadurch bekomme ich noch Haar,
das man in weißer Farbe sehen kann:
Ihrer Gewalttätigkeit wegen werde ich noch grau!
Sie könnte darauf verzichten und anderswo ihren Zorn auslassen.

5.
Glaubt sie, daß ich den Sinn
von ihr abwende wegen so leichtem Zorn?
Wenn sie mir ein Leid antut,
so bin ich doch zu nichts anderem geboren,
als daß ich auf die Hoffnung hin lebe,
wie ich ihr diene und wie sie meiner Not ein Ende bereite.
 
Lied 22
Welt- und Minneklage
 
1.
Als ich mich versinnen kan,
sô gestuont diu werlt nie sô trûrig mê.
Ich wæne, iender lebe ein man,
des dinc nâch sîn selbes willen gê.
Wan daz ist und was ouch ie,
anders sô gestuont ez nie,
wan daz beidiu liep und leit zergie.

2.
Swer dienet, dâ man sîn niht verstât,
der verliuset al sîn arebeit.
Wan ez ime anders niht ergât,
dâ von wahset niuwan herzeleit.
Alsô hat ez mir getân,
der ich vil wol getriuwen hân:
Diu hât mich gar âne fröide gelân.

3.
Stæte hilfet, dâ si mac,
daz ist mir ein spil: si gehalf mich nie.
Mit guoten triuwen ich ir pflac
sît der zît, daz ich ir künde alrêrst gevie.
Ich wæne, mich sîn gelouben wil.
Nein, sô verlüre ich ze vil!
Ist daz alsô, seht welch ein kindes spil!
 
1.
Soweit ich mich besinnen kann,
so stand es um die Welt niemals so traurig.
Ich glaube, nirgends lebt ein Mann,
dessen Leben sich nach seinem eigenen Willen entwickelte.
Denn das ist so und war es auch immer,
anders verhielt es sich nie,
außer daß beides – Liebe und Leid – verging.

2.
Wer dient, wo man es nicht schätzt,
der verliert alle seine Mühe.
Wenn es ihm nicht anders ergeht,
erwächst daraus nichts als Herzeleid.
Gerade so hat es mir zugefügt
diejenige, der ich voll vertraut habe:
Die hat mich gänzlich ohne Freude gelassen.

3.
Beständigkeit hilft, wo sie will,
das ist für mich wie ein Glücksspiel: sie nützte mir nie.
In wahrer Treue übte ich sie
seit der Zeit, seit der ich erstmals Kunde von ihr erhielt.
Ich fürchte, ich werde darauf verzichten.
Nein, dann verlöre ich zu viel!
Ist das so – seht, welch ein kindisches Treiben!
 
Lied 23
Minneklage
 
1.
Ich spriche iemer, swenne ich mac und ouch getar:
>frouwe, wis genædic mir!<
Si nimet mîner swachen bet vil kleine war.
Doch sô wil ich dienen ir
mit den triuwen und ich meine daz.
Und alse ich ir nie vergaz,
sô gestân diu ougen mîn und niemer baz.

2.
Swenne ich si mit mîner valschen rede betrüge,
sô het ich si unrehte erkant.
Und gevâhe si mich iemer an deheiner lüge,
sâ sô schupfe mich ze hant
und geloube niemer mîner klage,
dar zuo niht, des ich sage.
Dâ vor müeze mich got behüeten alle tage.

3.
Wart ie guotes und getriuwes mannes rât,
sô kum ich mit fröiden hin.
Si weiz wol, swie lange si mich bitten lât,
daz ich es doch der bittende bin.
Ich hân ir gelobet ze dienen vil,
dar zuo, daz ich ez gerne hil
und ir iemer umbe ein wort geliegen wil.

4.
Wart ie manne ein wîp sô liep als si mir ist,
sô müeze ich verteilet sîn.
Maniger sprichet, >si ist mir lieber<, daz ist eine list.
Got weiz wol den willen mîn,
wie hôhe ez mir umbe ir hulde stât
und wie nâhe ez mir ze herzen gât
ir lop, daz si umbe alle die welt verdienet hât.

5.
Swie mîn lôn und ouch mîn ende an ir gestê,
daz ist mîn aller meistiu nôt.
Ze allen zîten fürhte ich, daz si mich vergê,
sô wære ich an fröiden tôt.
Daz sol si bedenken allez ê:
Tuot si mir ze lange wê,
sô gedinge ich ûf die sêle niemer mê.
 
1.
Ich sage jederzeit, wann immer ich kann und mich auch getraue:
>Herrin, sei mir gnädig!<
Sie nimmt meine bescheidene Bitte fast gar nicht wahr.
Dennoch will ich ihr dienen
in Treue – und ich meine das so.
Und so, wie ich sie nie vergaß,
so mögen dies meine Augen gestehen und niemals anderes.

2.
Wenn ich sie jemals mit einer falschen Rede betrügen würde,
dann hätte ich sie unrichtig eingeschätzt.
Und faßte sie mich jemals bei irgendeiner Lüge,
dann bestrafe sie mich sofort
und glaube nie mehr meiner Klage,
und überdies nichts, was ich sage.
Davor möge mich Gott alle Tage behüten.

3.
Wurde je einem guten und getreuen Manne geholfen,
dann komme ich mit Freuden voran.
Sie weiß wohl, wie lange sie mich bitten läßt,
damit ich trotz dessen der Bittende bleibe.
Ich habe ihr gelobt, ausdauernd zu dienen,
dazuhin, daß ich es gerne verhehle
und sie niemals auch nur mit einem Wort anlügen will.

4.
Wurde je einem Mann eine Frau so lieb, wie sie mir ist,
dann möge ich verdammt sein.
Manch einer sagt: >Sie ist mir lieber< - das ist eine Finte.
Gott kennt meinen Willen wohl,
und wie ernst es mir um ihre Gnade ist
und wie nahe mir zu Herzen geht
ihr Lob, das sie um alle Welt verdient hat.

5.
Wie mein Lohn und auch mein Ende bei ihr stehen,
das ist meine allergrößte Not.
Zu allen Zeiten fürchte ich, daß sie mich meide —
dann wäre ich, was Freude betrifft, tot.
Das alles soll sie vorher bedenken:
Tut sie mir zu lange weh,
so habe ich für meine Seele keine Hoffnung mehr.
 
Lied 24
Minneklage
 
1.
Ich hân varender fröiden vil,
und der rehten eine niht, die dâ lange wer.
Iemer als ich lachen wil,
sô seit mir daz herze mîn, daz ichs enber.
Mîn muot stuont mir eteswenne alsô,
daz ich was mit den anderen frô.
Des enist nu niht, daz was allez dô.

2.
Lîde ich nôt und arebeit,
die hân ich mir selben âne alle schult genomen.
Dicke hât si mir geseit,
daz ich ez lieze, ich enmöhte es niemer ze ende komen,
und tuot noch hiute, swanne si mich siht
und mir leit dâ von geschiht.
Daz sî mîn und gebe des niemen niht.

3.
Daz ich ir gedienete ie tac,
des wil si gelouben niht, owê!
Und swaz ich gesingen mac,
daz engihet si niht, daz si daz iht bestê.
Daz ist mir ein jâmerlîch gewin.
Sus sô gât mir mîn leben hin:
Seht, wie sælic ich ze lône bin!

4.
Nie wart grœzer ungemach,
danne ez ist, der mit gedanken umbe gât.
Sît daz si mîn ouge ane sach,
diu mich vil unstæten man betwungen hât,
der mac ich vergezzen niemer mê.
Daz tuot mir nû vil lîhte wê.
Wê, wan hate ichs dô verlâzen ê!

5.
Ich hân iemer teil an ir,
den gib ich niemen, swie frömed er mir iemer sî.
Owê, wan wurde er mir,
daz ich einen tac belîbe von sorgen frî!
Got weiz wol, daz ich ir nie vergaz,
und daz wîp mir geviel nie baz.
Wirt mir sîn anders niht, doch sô hân ich daz.
 
1.
Ich habe vergänglicher Freuden viel,
aber von den wahren nicht eine, die da lange währte.
Immer wenn ich lachen will,
dann sagt mir mein Herz, daß ich sie nicht habe.
Mein Sinn stand mir vormals so,
daß ich mit den andern froh war.
Dies ist nun nicht mehr – das war alles damals.

2.
Leide ich Not und Drangsal –
die habe ich mir selbst ohne jegliche Schuld zugezogen.
Oft hat sie mir gesagt,
daß ich es lassen solle, ich könne damit niemals zum Ziel kommen,
und sie sagt es noch heute, wann immer sie mich sieht
und mir Leid dadurch zuteil wird.
Das sei mein, und ich mag niemanden davon etwas abgeben.

3.
Daß ich ihr jeden Tag diente,
das will sie nicht glauben, ach!
Und was immer ich auch singen mag —
von dem gibt sie nicht zu, daß sie das etwas angehe.
Das ist für mich ein jämmerliches Ergebnis.
So geht mir mein Leben hin:
Seht, wie geschaffen ich für Lohn bin!

4.
Nie gab es größeres Ungemach
als das, wenn einer mit Gedanken umgeht.
Seit sie mein Auge erblickte,
sie, die mich so unsteten Mann bezwungen hat —
sie kann ich niemals mehr vergessen.
Das tut mir jetzt sicherlich weh.
Ach, warum hatte ich sie damals nicht früher verlassen!

5.
Ich habe immer Anteil an ihr,
den gebe ich niemandem, wie fern mir dieser auch immer sein mag.
Ach, wenn er mir doch voll zuteil würde,
damit ich wenigstens einen Tag lang von Sorgen frei bliebe!
Gott weiß wohl, daß ich sie nie vergaß,
und daß mir nie eine Frau besser gefiel.
Wird mir dafür nichts anderes zuteil, so habe ich doch dies.
 
Lied 25
Minneklage
 
1.
Ich gehabe mich wol und enruochte iedoch,
obe mir ein vil lützel wære baz.
Ich bin alles in den sorgen noch.
Wirt mir sanfter iht, ich rede ouch daz.
Zuo den sorgen, die ich hân,
ist mîn klage, ich enhabe der tage die volle niht,
daz mir swære iht muge ze herzen gân.

2.
Ez erbarmet mich, daz siu alle jehent,
daz ich anders niht wan künne klagen.
Mugent ir michel wunder an mir sehen?
Waz solte ich nu singen oder sagen?
Solte ich swern, ich enwisse waz?
Gesæhe ich wider abent einen kleinen boten,
sô gesang nieman von fröiden baz.

3.
Ich bin aller dinge ein sælic man,
wan des einen, dâ man lônen sol.
Obe ich diese unsælde erwenden kan,
sô vert ez nâch ungenâden wol.
Mir ist ungelîche deme,
der sich eteswenne wider den morgen fröit.
Alsô tæte ouch ich, wiste ich mit weme.

4.
Treit mir iemen tougenlîchen haz,
waz der sîner fröide an mir nu siht!
Wê warumbe tæte aber iemen daz,
wan got weiz wol, ich entuon doch niemen niht!
Wan sol mir genædic sîn.
Mich beginnet noch nâch mînem tôde klagen
maniger, der nu lîhte enbære mîn.

5.
Die ich mir ze frouwen hate erkorn,
dâ vant ich niht wan ungemach.
Waz ich guoter rede hân verlorn!
Jâ die besten, die ie man gesprach.
Si was endelîchen guot.
Nieman konde si von lüge gesprochen hân,
ern heze als ich getriuwen muot.

6.
Ich wil iemer gerner umbe sehen:
ich was mîner fröide ein teil ze frî.
Mir ist von einer kleinen rede geschehen,
daz ich wil wizzen, wer dâ bî mir sî.
Ungefüeger liute ist vil.
Spræche ich wider abent lîhte ein schœne wort,
waz mac ichs, der mirz verkêren wil.
 
1.
Ich befinde mich wohl, und dennoch würde es mich nicht beschweren,
wenn mir ein klein wenig wohler wäre.
Ich bin durchaus noch in Sorgen.
Wird mir etwas leichter, erzähle ich euch das.
Zu den Sorgen, die ich habe,
gehört meine Klage, daß ich der Tage nicht im Überfluß habe,
an denen mir Leid nicht ans Herz greifen kann.

2.
Es erbarmt mich, daß alle behaupten,
daß ich nichts anderes könne als klagen.
Könnt ihr große Wunder an mir sehen?
Was sollte ich denn singen oder sagen?
Sollte ich schwören, ich wisse nicht, was?
Erblickte ich gegen Abend einen kleinen Boten,
so würde niemand besser von Freuden singen.

3.
Ich bin in allen Dingen ein glückhafter Mann,
außer in dem einen, wo man Lohn empfangen soll.
Wenn ich dies Unheil abwenden kann,
dann geht es nach trostloser Zeit gut.
Ich gleiche nicht dem,
der sich zuweilen auf den Morgen freut.
Das täte auch ich, wüßte ich, mit wem.

4.
Hegt jemand mir gegenüber heimlichen Haß —
was er nun zu seiner Freude an mir sieht!
Ach, warum sollte aber dies jemand tun,
denn Gott weiß wohl – ich tue doch niemand etwas!
Man soll mir wohlgesonnen sein.
Mich wird noch nach meinem Tode
mancher zu beklagen anheben, der jetzt leichthin meiner entbehrte.

5.
Bei der, die ich mir zur Herrin erkoren hatte,
da fand ich nichts als Drangsal.
Was habe ich an wohlgesetzter Rede an sie verschwendet!
Fürwahr die beste, die je ein Mann vortrug.
Sie war rundweg gut.
Kein anderer könnte sie ohne Falsch gesprochen haben,
er hätte den wie ich treue Gesinnung.

6.
Ich will lieber immer Umschau halten:
ich war in meiner Freude ein wenig zu unbekümmert.
Mir wird durch eine kleine Äußerung nahegelegt,
daß ich wissen will, wer um mich sei.
Ungehobelter Leute gibt es viel.
Spräche ich gegen Abend vielleicht ein freundliches Wort —
was vermag ich gegen einen, der mir es verdrehen will.
 
Lied 26
Minnelied
 
1.
Aller sælde ein sælic wîp,
tuo mir sô,
daz mîn herze hôhe gestê,
obe ich ie durch dînen lîp
wurde frô,
daz des iht an mir zergê.
Ich was ie der dienest dîn.
Nû bist du ez, diu fröide mîn!
Sol ich iemer lieben tac oder naht gesehen?
Daz lâ, frouwe, an mir geschehen.

2.
Frouwe, ich hân durch dich erliten,
daz nie man
durch sîn liep sô vil erleit.
Ich getar dich niht gebiten,
noch enkan,
tuoz durch dîne sælikeit!
Ich bin dîn, du solt mich nern
und gewaltes in allen wern.
Ich hân iemer eine bet, daz du wol gevarst,
und dich baz an mir bewarst.

3.
Frouwe, ich hân noch nie getân,
dunket mich,
danne diu liebe mir gebôt.
Ich enkund ez nie verlân,
hôrte ich dich
nennen, ich enwurde rôt.
Swer dô nâhe bî mir stuont,
sô di merkære tuont,
der sach herzeliebe wol an der varwe mîn.
Sol ich dâ von schuldig sîn?

4.
Ich verdient den kumber nie,
den ich hân,
wan sô vil, ob daz geschach,
daz ich underwîlent gie
für dich stân
und ich dich vil gerne sach.
Liez ich dô daz ouge mîn,
tougenlîchen an daz dîn,
daz brâhte ich unsanfte dan und lîhte dar.
Frouwe, nam des iemen war?
 
1.
Mit allen Glücksgütern gesegnete Frau,
handle an mir so,
daß mein Herz hochauf schlägt,
und – wenn ich um deinetwillen
froh wurde -
daß davon nichts bei mir vergeht.
Ich war stets dein Dienstmann.
Nun bist du dies – meine Freude!
Soll ich jemals einen freundlichen Tag oder eine solche Nacht erleben?
Das laß, Herrin, mir zuteil werden.

2.
Herrin, ich habe deinetwegen gelitten,
so viel, wie kein Mann
seiner Liebe wegen je erlitt.
Ich wage nicht, dich zu bitten,
noch kann ich dies —
tue es um deiner Herrlichkeit willen!
Ich bin dein, du sollst mich schützen
und sie alle von Gewalt abhalten.
Ich habe immer eine Bitte: daß du dich wohl befindest
und dich besser um mich sorgst.

3.
Herrin, ich habe noch nie etwas getan,
dünkt mich,
als was die Liebe mir gebot.
Ich konnte es nie verhindern —
hörte ich dich
nennen, – daß ich rot wurde.
Wer dann nahe bei mir stand,
wie die Aufpasser es tun,
der sah Herzensliebe wohl an meiner Gesichtsfarbe.
Soll ich deshalb schuldig sein?

4.
Ich verdiente den Kummer nie,
den ich leide,
nur insoweit – wenn das vorkam, —
als ich bisweilen hinging,
um vor dich hinzustehen,
und als ich dich so gerne ansah.
Ließ ich dann mein Auge
heimlich zu deinen wandern —
das brachte ich schwer davon weg und leicht hin.
Herrin, nahm das jemand wahr?
 
Lied 27
Dialoglied
 
1.
>Sage, daz ich dirs iemer lône:
hâst du den vil lieben man gesehen?
Ist ez wâr und lebet er schône,
alse siu sagent und ich dich hœre jehen?<
»Frouwe, ich sach in, er ist frô.
sîn herze stât, obe irz gebietent, iemer hô.«

2.
>Ich verbiute ime fröide niemer.
lâze eht eine rede, sô tuot er wol,
des bite ich in hiut und iemer.
Deme ist alsô, daz manz versagen sol.<
»Frouwe, nu verredent iuch niht.
er sprichet: allez daz geschehen sol, daz geschiht.«

3.
>Hât aber er gelopt, geselle,
daz er niemer mê gesinge liet,
ez ensî, ob ich ins biten welle?<
»Frouwe, ez was sîn muot, dô ich von ime schiet.
Ouch mugent irz wol hân vernomen.«
>Owê, gebiute ichz nû, daz mac ze schaden komen.<

4.
>Ist aber, daz ichz niene gebiute,
sô verliuse ich mîne sælde an ime,
und verfluochent mich die liute,
daz ich al werlte ir fröide nime.
Alrêrst gât mir sorge zuo.
Owê, nu enweiz ich, obe ichz lâze oder ob ichz tuo<

5.
>Daz wir wîp niht mugen gewinnen
friunt mit rede, siu enwellent dannoch mê,
daz müet mich, ich enwil niht minnen!
Stæten wîben tuot unstæte wê.
Wær ich, des ich niene bin,
unstæte, liez er danne mich, sô liez ich in.<
 
1.
>Sage, damit ich dir es immer vergelte:
Hast du den viellieben Mann gesehen?
Ist es wahr, daß er auf höfische Weise lebt,
wie sie sagen und wie ich dich berichten höre?<
»Herrin, ich sah ihn, er ist frohgemut.
Sein Herz ist, wenn Ihr es gebietet, immer hochgestimmt.«

2.
>Ich verbiete ihm Freude niemals.
Meidet er nur ein Thema, dann handelt er richtig,
darum bitte ich ihn heute und alle Zeit.
Damit ist es so bewandt, daß man es versagen muß.<
»Herrin, nun redet Euch nicht ins Unrecht.
Er sagt: Alles, was geschehen soll, das geschieht.«

3.
>Hat er aber gelobt, mein Freund,
daß er niemals mehr ein Lied singe,
es sei denn, daß ich ihn darum bitten wolle?<
»Herrin, es war seine Absicht, als ich von ihm schied.
Auch mögt ihr es wohl vernommen haben.«
>Ach, gebiete ich es nun, das kann Schaden bringen.<

4.
>Kommt es aber so weit, daß ich es nicht gebiete,
dann verliere ich meinen guten Einfluß auf ihn,
und mich verfluchen die Leute,
weil ich der ganzen Welt ihre Freude raube,
Zunächst einmal fällt mir Sorge zu!
Ach, nun weiß ich nicht ob ich's lasse oder ob ich's tue:<

5.
>Daß wir Frauen nicht gewinnen können einen Freund
durch freundliche Worte, ohne daß sie mehr wollen,
das bekümmert mich; ich will nicht minnen!
Treuen Frauen tut Untreue weh.
Wäre ich – was ich keineswegs bin – untreu:
Verließe er mich dann, so ließe ich ihn ziehen.<
 
Lied 28
Botenauftrag Frauenlied
 
1.
»Lieber bote, nu wirbe alsô,
sihe in schiere und sage ime daz:
Vert er wol und ist er frô,
ich lebe iemer deste baz.
Sage ime durch den willen mîn,
daz er iemer solhes iht getuo,
davon wir gescheiden sîn.

2.
Des er gert, daz ist der tôt
und verderbet manigen lîp.
Bleich und eteswenne rôt,
alse verwet ez diu wîp.
Minne heizent ez die man,
unde mohte baz unminne sîn.
wê ime, ders alrêrst began!

3.
Ê daz du iemer ime verjehest,
daz ich ime holdez herze trage,
sô sihe, daz du alrêrst besehest,
und vernime, waz ich dir sage:
Mein er wol mit triuwen mich,
swaz ime danne müge ze fröide komen,
daz mîn êre sî, daz sprich!

4.
Spreche er, daz er welle her —
daz ichs iemer lône dir, —
sô bite in, daz ers verber,
die rede, dier jungest sprach zuo mir,
ê daz ich in an gesehe.
Wes wil er da mit beswæren mich,
daz niemer doch an mir geschehe?

5.
Frâge er, wie ich mich gehabe,
gihe, daz ich mit fröiden lebe.
Swâ du mugest, dâ leit in abe,
daz er mich der rede vergebe.
Ich bin im von Herzen holt
und sæhe in gerner denne den liehten tac.
daz aber du verswîgen solt!

6.
Daz ich alsô vil dâ von
gerede, daz ist mir leit,
wenne ich was vil ungewon
sô getâner arebeit,
als ich tougenlîche trage.
Dune solt im niemer niht verjehen
alles, des ich dir gesage!«
 
1.
»Lieber Bote, nun mache es so,
suche ihn alsbald auf und sage ihm das:
Geht es ihm gut und ist er frohgemut,
dann befinde ich mich immer um so besser.
Sage ihm, daß er um meinetwillen
stets solches unterlassen möge,
wodurch wir getrennt würden.

2.
Was er begehrt, das ist der Tod
und richtet manch einen zugrunde.
Bleich und bisweilen rot —
so läßt es die Frauen aussehen.
Minne nennen es die Männer,
und könnte doch eher Un-Minne sein.
Weh dem, der zuerst damit anfing!

3.
Ehe du ihm jemals gestehst,
daß ich ihm von Herzen gut bin,
so sieh zu, daß du dich zuerst vorsiehst,
und vernimm, was ich dir sage:
Gedenkt er meiner wohl in Treue —
was immer ihm dann zur Freude gereichen könnte
und was meine Ehre erlaubt, das sage!

4.
Sagt er, daß er herkommen wolle —
daß ich dir dies immer lohnen könnte! —
dann bitte ihn, daß er sie unterlasse,
die Worte, die er neulich zu mir sagte,
bevor ich ihn empfange.
Weshalb will er mich mit dem beschweren,
was doch niemals bei mir geschehen wird?

5.
Fragt er, wie ich mich befinde,
sage, daß ich in Freuden lebe.
Wo immer du kannst, bringe ihn dazu,
daß er mich mit diesen Worten verschone.
Ich bin ihm von Herzen zugetan
und sähe ihn lieber als den hellen Tag.
Das aber sollst du verschweigen!

6.
Daß ich so viel davon
rede, das ist mir leid,
denn ich war nicht sehr gewohnt
an so geartete Mühsal,
wie ich sie heimlich ertrage.
Du sollst ihm niemals irgend etwas verraten
von all dem, was ich dir gesagt habe!«
 
Lied 29
Minneklage
 
1.
Als ich werbe unde mir mîn herze stê,
alsô müeze mir an fröiden noch beschehen.
Mir ist vil unsanfter nû dan ê:
mîner ougen wunne lât mich nieman sehen.
Die sint mir verboten gar.
nu verbieten alsô dar
und hüeten,
daz siu sich erwüeten.
Wê, wes nement siu war?

2.
Mich genîdet niemer sælic man
umbe die liebe, die si an mir erzöuget hât.
Fröid noch trôst ich nie von ir gewan,
wan sô vil, daz mir der muot des hôhe stât,
daz ich sis ie getorste biten,
ein wîp mit alsô reinen siten.
mir wære
lîp und guot unmære,
het ich si vermiten.

3.
Ich wæne ieman lebe, er hab ein leit,
daz vor allem leide im an sîn herze gât.
Owê, war umbe versprach ich tumber arebeit,
diu mir liebet und doch lobelîchen stât!
Die versprich ich niemer tac.
ich muoz leben als ich mac.
waz darumbe
tuot got lîht ein wunder,
daz si mir werden mac.

4.
Mir ist lieber, daz sie mich verber,
und alsô, daz si mir doch genædic sî,
danne si mich und jenen und disen gewer.
seht, sô wurde ich niemer mê vor leide frî.
Nieman sol des gerende sîn,
daz er spreche >mîn und dîn
gemeine<.
Ich wil ez haben einde:
Schade und frume sî mîn.

5.
Ich was mînes muotes ie sô hêr,
daz ich in gedanken dicke schône lac.
Daz wart mir und wart ouch mir niht mêr.
swer daz âne rede niht gelâzen mac,
der tuot übel und sündet sich.
nîdet er mich, waz ruoch ich.
In guote —
sô lebe ich in hôhem muote.
swer nu werbe, der minne als ich.

6.
Ich bin als ein wilder valk erzogen,
der durch sînen wilden muot als hôhe gert.
Der ist alsô hôh über mich geflogen
unde muotet, des er kume wirt gewert.
Und fliuget alsô von mir hin
und dienet ûf ungewin.
ich tumber
lîde ich senden kumber
des ich gar schuldig bin?

7.
Jô, engiene ir nie, daz ich gesprach,
sô nâhen, daz ez wære ihtes wert.
Sol mich daz verjagen, daz ich sie sach
und ich ouch ihtes dar under hân gegert,
daz ich solte hân verswigen?
Owê, wie ist daz gedigen:
unschône!
Nâch sô kleinem lône
hân ich selten noch genigen.
 
1.
So, wie ich mich bemühe und wie es mir ums Herz ist,
so möge mir noch Freude zuteil werden.
Mir ist nun viel schmerzlicher zumute als ehedem:
meiner Augen Wonnen läßt mich niemand sehen,
Diese sind mir gänzlich verboten.
Nun mögen sie sie also dort verbieten
und aufpassen,
daß sie nicht in Wut geraten.
Ach, was nehmen sie wahr?

2.
Mich beneidet niemals ein glücklicher Mann
um das Wohlgefallen, das sie mir bezeigt hat.
Weder Freude noch Trost erhielt ich je von ihr,
außer so viel, daß mir mein Herz deshalb erhoben war,
weil ich sie je darum zu bitten wagte,
sie, eine Frau mit so reinen Sitten.
Mir wären
Leben und Gut zuwider,
hätte ich sie unbehelligt gelassen.

3.
Ich glaube, niemand lebt, der nicht ein Leid hätte,
das ihm vor allem anderen Leid zu Herzen geht.
Ach, warum verschmähte ich Törichter Mühsal,
die mir angenehm ist und auch zum Lobe ansteht!
Die lehne ich niemals mehr auch nur einen Tag lang ab.
Ich muß nun leben, wie ich kann.
Was soll's —
vielleicht tut Gott ein Wunder,
daß mir zufallen kann.

4.
Mir ist lieber, daß sie mich übergeht —
jedoch so, daß sie mir dennoch gewogen ist —
als daß sie mich und jenen und diesen erhört.
Seht, dann würde ich nie mehr frei von Leid.
Niemand sollte das begehren,
daß er sprechen dürfe >mein und dein
gemeinsam<.
Ich will es allein besitzen:
Schaden und Gewinn seien mein.

5.
Ich war in meinem Herzen immer so hochgestimmt,
daß ich in Gedanken oft angenehm gebettet war.
Das wurde mir zuteil, aber es wurde mir auch nicht m e h r zuteil.
Wer dies nicht ohne Spottrede lassen kann,
der handelt übel und versündigt sich.
Beneidet er mich, was kümmert es mich.
In gutem —
so lebe ich hochgemut.
Wer immer nun wirbt, der minne wie ich.

6.
Ich bin wie ein wilder Falke erzogen,
der in seinem wilden Sinn so hoch hinaufstrebt.
Der ist so hoch über mich hinausgeflogen
und begehrt, was ihm kaum gewährt wird,
und fliegt so von mir weg
und dient auf Verlust.
Ich Törichter,
leide ich sehnsuchtsvolle Not,
die ich ganz selbst verschuldet habe?

7.
Fürwahr, es ging ihr nie, was ich sagte,
so nahe, daß es etwas wert gewesen wäre.
Soll mich das vertreiben, daß ich sie sah
und ich auch etwas dabei begehrt habe,
das ich verschwiegen haben sollte?
Ach, wie ist das ausgegangen:
unschön!
Wegen so geringem Lohn
habe ich mich noch selten verneigt.
 
Lied 30
Minnestrophe
 
Ein lieplîch triuten und ein friuntlîch umbevâhen,
solt mir daz von ir geschehen —
ein küssen und dâ mite niht gâhen —
lieplîch in ir ougen sehen!
Süeze minne wolte ich prîsen,
kæm ir lîp mir alse nâhen.
al mîn trûren wær gelegen.
 
Ein zärtliches Liebkosen und ein liebevolles Umarmen,
sollte mir das durch sie zuteil werden —
und Küssen – und bei all dem ohne Eile —
und zärtliches In-ihre-Augen-Blicken!
Süße Minne wollte ich preisen,
käme ihr Leib mir so nahe.
All mein Leiden wäre begraben.
 
Lied 31
Minnesatire
 
1.
Langez swîgen hêt ich mir gedâht,
nu muoz ich singen aber als ê.
Dar zuo hânt mich schœne frouwen brâht,
siu mohten mir gebieten mê.
Swaz ich singe oder in gesagen,
iedoch sô bite ichs alle sament gemeine,
daz siu den mînen kumber klagen.

2.
Mich nimt wunder, wie mir sî beschehen,
ân mîn selbes arebeit,
umbe ein wîp, diu wil mich niht ansehen;
die brâht ich an ir werdekeit.
Sît alle ir muot sô hôhe stât,
sô enweiz ich, wenne ouch mich mîn singen lât,
und als ir hœhstez lop zergât.

3.
Bin ich in ir dienste worden alt,
dâ bî sô junget si niht vil.
Lîht ist mir mîn hâr alsô gestalt,
daz si einen jungen haben wil.
Nû helf iuch got, her junge man,
daz ir mich rechent an der alten brût,
und slaht mit sumer latten dran!
 
1.
Lange zu schweigen hatte ich mir vorgenommen,
nun muß ich wieder singen wie ehemals.
Dazu haben mich schöne Damen gebracht;
sie könnten mir noch mehr abverlangen.
Was immer ich singe oder ihnen sage,
so bitte ich sie nur allesamt,
daß sie meinen Kummer beklagen.

2.
Mich verwundert, wie mir geschehen ist
— ohne mein eigenes Zutun —
wegen einer Frau: die will mich nicht beachten;
diese brachte ich zu ihrem Ansehen.
Obgleich ihr ganzer Sinn so hoch steht,
so weiß ich nicht – wenn je meine Gesangskunst mich im Stich läßt, —
ob nicht ebenso ihr höchster Ruhm vergeht.

3.
Bin ich in ihrem Dienst alt geworden,
so wurde sie dabei nicht viel jünger.
Vielleicht ist mein Haar derart,
daß sie einen Jungen haben will.
Dann helf Euch Gott, Herr junger Mann,
damit Ihr mich rächt an der alten Braut,
und schlagt mit frischen Gerten drein!
 


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