Fabelverzeichnis

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Aesopus Latinus Romulus oder kurz Romulus

Ist der Titel einer lateinischen Fabelsammlung in Prosa, die um das Jahr 400 nach einer Ausgabe der Fabeln in Versen
des Phaedrus geschaffen wurde. Der Name der Sammlung rührt von dem Einleitungsbrief her, der von einem Romulus
stammt, über den sonst nichts bekannt ist.

                        X = X = X = X = X= X = X= X = X= X = X= X = X= X = X= X = X= X = X= X = X

Epistel des Romulus

Romulus grüßt seinen Sohn Tiberinus.

Von Attika her lehrt ein gewisser Äsop, ein genialer Grieche, durch seine Fabeln, was die Leute beachten müssen.
Um Leben und Gewohnheiten der Menschen zu zeigen, führte er Vögel, Bäume, wilde Tiere und Haustiere ein,
welche aussprechen, was eine jede Fabel besagt. Zur Unterrichtung der Leute hat er kurz und ohne Umschweife
dargelegt, warum die Literaturgattung Fabel erfunden wurde. Sie nennt das Böse mit seinem wahren Namen,
verbindet das Reine mit dem Guten, notiert die Umtriebe der Schurken und die Argumente der Schufte; sie lehrt, daß die
Niedrigen ohnmächtig sind, fordert auf, sich vor glatten Worten in acht zu nehmen, und zeigt außer Mißlichkeiten vieles
andere noch in den von ihr gebrachten Beispielen.

Ich, Romulus, habe das vom Griechischen ins Lateinische übersetzt. Wenn du es liest, mein Sohn Tiberinus,
und aufmerksam darauf achtest, so wirst du nebenher manchen Witz finden, der dein Lachen vervielfacht und deinen
Verstand hinreichend schärft.

Epistel des Äsop

Äsop an Magister Rufus. (eine fingierte Person)

Ich werde dir, liebster Rufus, meine Aufzeichnungen übergeben. Nimm sie, auf Pergament geschrieben und in solcher
Pracht, die du von meiner Seite verdienst. Empfange das Geschenk wie ein kostbares Gefäß, das mit verschieden-farbigen
Steinen geschmückt ist. Mögest du dich deines Lebens freuen und mit ungebrochener Kraft den Jahren des Alters
entgegengehen. Der Gattin mögest du dich mit Erfüllung hingeben, den Sklaven Zucht beibringen. Die Wünsche der Deinen
sollst du recht erfüllen und aufmerksam die Fabeln lesen. Und damit du beim Lesen nicht meinst, ich hätte eine
Dummheit begangen, so achte auf deine Sklaven: da wirst du die Erzählweisen finden!

Früher gab es nämlich nur ein paar alte Fabeln, doch damit die Sammlung etwas größer werde, habe ich noch meine
eigenen, Neuverfassten hinzugefügt, die kurz und bündig sind. Das Böse habe ich mit seinem wahren Namen genannt,
das Reine mit dem Guten verbunden. Die Wege der schlechten Menschen habe ich aufgezeigt, die der Guten
unterstrichen. Ein jeder möge dem folgen, der ihm gefällt. Nach alldem war es auch für mich als Sachverständigen keine geringe Arbeit – jeder, der mit dem Wesen der Fabel vertraut ist, weiß es -; indem ich das Leben der Leute so, wie es ist, und ihre Gewohnheiten aufzeigte, habe ich die unterwiesen, die zu lesen wünschen.