Fabelverzeichnis
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Rudolf von Fenis
zwischen 1158-1192 bezeugt

Graf Rudolf II. von Neuenburg (oder auch Rudolf von Fenis) war ein Schweizer Minnesänger des 12. Jahrhunderts.
Rudolf von Neuenburg ist spätestens 1196 gestorben.
Die Lieder des Grafen sind ausnahmslos Minneklagen. Überliefert sind 9 Lieder.



 

Gewan ich ze mínnen ie guoten wân
 

Wenn ich jemals auf die Minne einige Hoffnung gesetzt habe
 
1.
Gewan ich ze mínnen ie guoten wân,
nu hân ich von ir weder trôst noch gedingen,
wan ich enweiz, wie mir süle gelingen,
sît ich si mac weder lâzen noch hân.
mir ist alse dem, der ûf den boum dâ stîget
und niht hôher mac und dâ mitten belîbet
unde ouch mit nihte wider komen kan
und alsô die zît mit sorgen hine vertrîbet.

2.
Mir ist alse deme, der dâ hât gewant
sînen muot an ein spil und er dâ mite verliuset
und erz verswert, ze spâte erz doch verkiuset.
alsô hân ich mich ze spâte erkant
der grôzen liste, die diu minne wider mich hâte.
mit schoenen gebaerden si mich ze ir brâhte
und leitet mich als der boese geltaere tuot,
der wol geheizet und geltes nie gedâhte.

3.
Mîn frouwe sol lân nû den gewin,
daz ich ir diene, wan ich mac ez mîden.
iedoch bitte ich si, daz siz geruoche lîden,
sô wirret mir niht diu nôt, die ich lîdende bin.
wil aber si mich von ir vertrîben,
ir schoener gruoz scheid et mich von ir lîbe.
noch dannoch vürhte ich mêre, daz sî
mich von allen mînen fröiden vertrîbe.

 
1.
Wenn ich jemals auf die Minne einige Hoffnung gesetzt habe,
dann habe ich jetzt von ihr weder Trost noch Vertrauen,
denn ich weiß nicht, wie ich Erfolg haben könnte,
da ich sie weder lassen noch haben kann.
Mir ist wie einem, der auf einen Baum steigt
und nicht höher kann und nun in der Mitte stecken bleibt
und auch nicht wieder hinunter kommen kann
und so die Zeit in Ängsten verbringt.

2.
Ich komme mir vor wie einer, der seinen Sinn
auf ein Spiel gerichtet hat und dabei verliert
und der dann darauf verzichtet, es aber zu spät aufgibt.
Genau so habe auch ich zu spät
die großen Zauberkünste erkannt, die die Minne gegen mich aufbietet.
Mit lieblichen Gebärden zog sie mich an sich
und führt mich jetzt wie ein gemeiner Schuldner,
der bereitwillig zu zahlen verspricht, aber niemals Geld herausrückt.

3.
Meine Herrin sollte darauf verzichten,
daß ich ihr diene, denn ich kann es auch lassen.
Dennoch bitte ich sie, sie möge so gnädig sein, es zu dulden.
Dann schmerzt mich nicht die Not, die ich jetzt immerfort leide.
Will sie mich aber von sich vertreiben,
dann möge sie auch ihre Freundlichkeit gegen mich aufgeben.
Selbst dann fürchte ich mehr als alles andere, daß sie
mich damit aus all meinem Glück vertreibt.

 
Minne gebiutet mir
 
Minne gebietet mir
 
1.
Minne gebiutet mir, daz ich singe
unde wil niht, daz mich iemer verdrieze.
nu hân ich von ir weder trôst noch gedinge
unde daz ich mînes sanges iht genieze.
si wil, daz ich iemer diene an sölhe stat,
dâ noch mîn dienst ie vil kleine wac,
unde al mîn staete niht gehelfen mac.
nu waere mîn reht, moht ich, daz ich ez lieze.

2.
Ez stêt mir niht sô. ich enmac ez niht lâzen,
daz ich daz herze von ir iemer bekêre.
ez ist ein nôt, daz ich mich niht kan mâzen.
ich minne sî, diu mich dâ hazzet sêre, und
íemer tuon, swie ez doch dar umbe mir ergât.
mîn grôziu staete mich des niht erlât,
unde ez mich leider kleine vervât.
ist ez ir leit, doch diene ich ir iemer mêre.

3.
Iemer mêre wil ich ir dienen mit staete und
weiz dóch wol, daz ich sîn niemer lôn gewinne.
ez waere an mir ein sin, ob ich dâ baete,
dâ ich lônes mich versaehe von der minne.
lônes hân ich noch vil kleinen wân.
ich diene ie dar, da ez mich kleine kan vervân,
— nu liez ich ez gerne, moht ich ez lân —
ez wellent durch daz niht von ir mîne sinne.

4.
Mîne sinne wellent durch daz niht von ir scheiden,
swie si mich bî ir niht wil lân belîben.
sî enkan mir doch daz niemer geleiden.
ich diene ir gerne und durch sie allen guoten wîben.
lîde ich dár under nôt, daz ist an mir niht schîn.
diu nôt ist diu méiste wúnne mîn.
sî sol ir zorne dar umbe lâzen sîn,
wan si enkan mich niemer von ir vertrîben.

 
1.
Minne gebietet mir, daß ich singe,
und will nicht, daß ich mir jemals einen Verdruß anmerken lasse.
Nun erhalte ich aber durch sie weder Zuversicht noch Hoffnung,
daß mein Singen mir jemals etwas nützt.
Sie will, daß ich immer dort diene,
wo mein Dienst bisher sehr gering geschätzt wurde
und all meine Beständigkeit nichts ausrichten kann.
Nun wäre es mein Recht, es zu lassen — wenn ich es nur könnte.

2.
Es steht nicht so um mich. Ich kann es nicht über mich bringen,
mich jemals von ihr abzukehren.
Es ist eine Qual, daß ich mich nicht maßvoll verhalten kann:
ich liebe sie, die mir von Herzen feind ist,
und werde es immer tun, wie es mir auch deshalb ergehen wird.
Meine große Beständigkeit läßt mich nicht aus der Pflicht,
mag es mir auch zu meinem Schmerz überhaupt nichts nützen.
Wenn es ihr auch leid ist, so diene ich ihr doch für immer.

3.
Auf immer will ich ihr mit Beständigkeit dienen
und weiß doch genau, daß ich dafür niemals Lohn erhalten werde.
Es wäre ein Zeichen von Vernunft bei mir, wenn ich dort würbe,
wo ich auf Lohn von der Minne rechnen könnte.
Auf Lohn setze ich keine Hoffnung mehr.
Ich diene immer dort, wo es mir überhaupt nichts nützt,
— nun würde ich es gern aufgeben, wenn ich es könnte —
aber gerade deshalb wollen sich meine Gedanken nicht von ihr trennen.

4.
Meine Gedanken wollen sich nicht von ihr trennen,
wenngleich sie mich nicht bei ihr bleiben lassen will.
Sie kann es mir aber dennoch nicht verleiden.
Es verlangt mich danach, ihr zu dienen und um ihretwillen allen edlen Frauen.
Leide ich deswegen Qualen, das merkt man mir nicht an,
diese Qualen sind sogar meine größte Wonne.
Sie soll ihren Unwillen darüber aufgeben,
denn sie kann mich niemals von sich vertreiben.

 
Ich hân mir sélber gemachet die swaere
 
Ich habe mir selber die Not bereitet
 
1.
Ich hân mir sélber gemachet die swaere,
daz ich der ger, diu sich mir wil entsagen.
diu mir zerwerbenne vil lîhte waere,
diu fliuhe ich, wan si mir niht kan behagen.
Ich minne die, diu mirs niht wil vertragen.
mich minnent ouch, die mir sint doch bormaere.
sus kan ich wol beide, fliehen und jagen.

2.
Owê, daz ich niht erkande die minne,
ê ich mich hete an si verlân!
sô hete ich von ir gewendet die sinne,
wan ich ir nâch mînen willen niht hân.
sus strebe ich ûf vil tumben wân.
des vürhte ich grôze nôt gewinne.
den kumber hân ich mir selber getân.

 
1.
Ich habe mir selber die Not bereitet,
daß ich die begehre, die nichts von mir wissen will.
Die aber, die ich sehr leicht gewinnen könnte,
die meide ich, denn auf sie kann ich nicht stolz sein.
Ich minne die, die mir keinen Schritt weit entgegenkommt;
mich dagegen minnen die, die ich verachte.
So verstehe ich mich auf beides, aus dem Weg gehen und nachlaufen.

2.
Ach, daß ich die Minne nicht erkannt habe,
ehe ich mich auf sie einließ!
Dann hätte ich meine Sinne von ihr gewendet,
da ich über sie keinerlei Macht habe.
So richte ich mich auf törichten Wahn
und fürchte, dadurch noch tiefes Leid zu erlangen.
Aber diesen Schmerz habe ich mir selber bereitet.

 
Quelle:
©Fischer TB Verlag 2004/Minnesang/Herausgegeben, übersetzt von©Helmut Brackert

 
Mit sange wânde ich mîne sorge krenken
 
Mit Singen glaubte ich meine Sorgen zu mindern
 
1.
Mit sange wânde ich mîne sorge krenken,
darumbe singe ich, daz sî mich wolte lân.
sô ich ie mêre singe und ir ie baz gedenke,
sô mugent si mit sange leider niht zergân,
wan minne hât mich brâht in sölchen wân,
dem ich sô lîhte niht enmac entwenken,
wan ich ime lange her gefolget hân.

2.
Sît daz diu minne mich wolte alsus êren,
daz si mich hiez in dem herzen tragen,
diu mir wol mac mîn leit ze fröide kêren;
ich wære ein gouch, wolt ich mich der entsagen.
ich wil mînen kumber ouch minnen klagen,
wan diu mir kunde daz herze alsô versêren,
diu mac mich wol ze fröiden hûs geladen.

3.
Mich wundert des, wie mich mîn frouwe
sô sêre, swenne ich verre von ir bin,
twinge, sô gedenke ich mir und ist daz mîn gedinge,
mües ich si sehen, mîn sorge wære dâ hin.
'sô ich bî ir bin' — des trœstet sich mîn sin
unde wæne des, daz mir wol gelinge —
alrêrst mêret sich mîn ungewin.

4.
Sô ich bî ir bin, mîn sorge ist deste mêre,
als der sich nâhe biutet zuo der gluot,
der brennet von rehte harte sêre.
ir grôziu güete mir daz selbe tuot,
swenne ich bî ir bin, daz tœtet mir den muot;
und stirbe aber rehte, swenne ich von ir kêre,
wan mich daz sehen dunket alsô guot.

5.
Ir schœnen lîp hân ich dâ vür erkennet:
er tuot mir als der fiurstelîn daz lieht.
diu fliuget daran, unz si sich gar verbrennet.
ir grôziu güete mich alsô verriet.
mîn tumbez herze, daz enlie mich alsô niht.
ich habe mich sô verre an si verwendet,
daz mir ze jungist rehte alsame geschiht.

 
1.
Mit Singen glaubte ich meine Sorgen zu mindern,
darum singe ich: weil ich sie loszuwerden will.
Doch je mehr ich singe und immer intensiver an sie denke,
um so weniger können sie mir leider mit Singen vergehen.
Denn Minne hat mich in eine solch aberwitzige Hoffnung versetzt,
der ich so leicht mich nicht entziehen
vermag, denn ich bin ihr schon sehr lange gefolgt.

2.
Seitdem die Minne mich so ehren wollte,
daß sie mich hieß, sie in dem Herzen zu tragen,
die mir mein Leid sehr wohl in Freude verwandeln könnte;
wäre ich ein Narr, wollte ich auf sie verzichten.
Ich will meinen Kummer auch der Minne mitteilen,
weil sie, die mir das Herz so sehr betrüben konnte,
kann mich sehr wohl auch ins Haus der Freude laden.

3.
Mich wundert, wie meine Dame mich gefesselt hat,
so gewaltig, wenn ich fern von ihr bin,
dann denk ich mir — und meine Hoffnung besteht darin,
daß, wenn ich sie sehe, meine Sorge fort wäre.
Wenn ich bei ihr bin — so tröstet mich der Verstand
und ich hoffe darauf, daß mir Glück zuteil werde —,
verdoppelt sich zunächst mein Unglück.

4.
Bin ich bei ihr, ist meine Sorge um so viel größer —
wie einem, der dem Feuer zu nahe kommt.
Der verbrennt sich (dann) folgerichtig sehr heftig.
Ihre große Vollkommenheit tut mir dasselbe an.
Bin ich bei ihr, so tötet das mein Herz;
ich sterbe aber erst richtig, wenn ich mich von ihr abwende
weil mir ihr Anblick doch so sehr gut tut.

5.
Ihre Schönheit habe ich daran erkannt:
sie läßt mich wie die Motte zum Licht verhalten!
Diese fliegt hinzu, bis sie sich ganz verbrennt.
Ihre große Vollkommenheit verführte mich genau so.
Mein törichtes Herz gab mir keine Ruhe.
Ich habe mich ihr so sehr ausgeliefert,
daß es mir schließlich so ergehen muß.

 
Daz ich den sumer alsô mæzeclîchen klage
 
Daß ich den Sommer so sehr heftig beklage
 
Daz ich den sumer alsô mæzeclîchen klage,
walt unde bluomen die sint gar betwungen,
daz ist dâ von, daz sîn zît
mir noch her hât gefrumt harte kleine umb ein wîp.
vil lîhte gefröuwent si die liehten tage,
den dâ vor ist nâch ir willen gelungen.
mac mir der winter den strît
noch gescheiden hin zir, der ie gerte mîn lîp,
sô ist daz mîn reht, daz ich in iemer êre,
wan mîner swære wart nie mêre.
owê, wie nû lât mich verderben diu hêre!

 
Daß ich den Sommer so sehr heftig beklage
Wald und Blumen sind vollkommen verschwunden,
kommt daher, daß er
mir bisher nichts bei einer Frau eingebracht hat.
Sehr wohl erfreuen sich jene der hellen Sommertage,
denen damals (in der Liebe) alles geglückt ist.
Wenn der Winter mir mein Bemühen
um sie, die ich schon immer begehrte, belohnen kann,
dann ist es nur richtig, wenn ich ihn dann immer preise,
denn mein Schmerz war nie größer.
O Weh, wie sehr läßt die Angebetete mich in Stich!

 
Quelle:
©Marix/ Deutsche Lyrik des Mittelalters/2005/Herausgegeben und kommentiert.©Manfred Stange