Der Widder, die Schafe und die beiden Hirten 
					 
					Zwei Hirten stritten sich um einen Weideplatz, ohne daß es 
					unter ihnen selbst zu 
					Tätlichkeiten kam. Sie schonten ihr Leben, und ließen die 
					Schafe für sich kämpfen. 
					Die Niederlagen und die Siege der beiden Herden sollten den 
					Streit entscheiden. 
					Ein jeder Hirt munterte seine Herde zum Kampfe auf. 
					"Erinnert euch, "sprachen sie, "an unsre Hirtenliebe, und 
					bedenket, wie rühmlich es sei, 
					auf dem Bette der Ehre zu sterben." 
					Die beiden Herden standen schon in Schlachtordnung, und 
					wollten gegen einander 
					herfallen, als ein Widder zwischen die feindlichen Parteien 
					trat, und sprach: 
					"Seht, wir beide Herden stritten und zankten uns nie. Nur 
					die Hirten haben Zank und 
					Streit wegen einem Weideplatz. Lasset sie beide miteinander 
					kämpfen. Denn es mag 
					diese oder jene Partei siegen oder besiegt werden, so werden 
					wir doch geschoren. 
					Ob uns nun dieser oder jener Hirte schert, geschoren werden 
					wir immer." 
					 
					Der Widder schwieg, und die Schafe gingen ruhig auseinander. 
					Die übrigen Tiere,
					die dieses sahen, riefen:
					"Wie klug sind jetzt die Schafe geworden!" 
					*  *  * 
					Werden die Menschen auch jemals so klug — wie diese Schafe — 
					werden? 
					 
					Der Bär an der Höhle des Löwen 
					 
					Ein alter Bär, der viele Jahre an der Kette eines armen 
					Polen die Welt durchwandert 
					hatte, wurde vor die Höhle des Löwen gerufen. Der Bär 
					erschien und fragte: 
					"Sir! Was ist dein Befehl?" "Sage mir," sprach der Löwe, 
					"was hast du auf deinen 
					Wanderungen von mir gehört, wie ist man im Tierreiche gegen 
					mich gestimmt?" — 
					"Man tadelt," versetzte der Bär, "deine außerordentliche 
					Vorliebe zu dem Geschlechte der 
					Wölfe. — Du würgst, heißt es, an ihrer Spitze Kühe und 
					Schafe, und man soll dich nicht 
					König, sondern Würger der Tiere nennen." 
					"Und was sagtest du?" fragte der Löwe. 
					"Ich schwieg," antwortete der Bär, "und dachte: deine 
					Vorliebe zu den Wölfen ist ein 
					Fehler der Erziehung. Man hätte in deiner Kindheit alle 
					Leidenschaften so im 
					Gleichgewicht erhalten sollen, daß keine derselben zur 
					Selbstherrscherin geworden
					wäre." 
					*  *  * 
					Eine vortreffliche Maxime für Prinzenerzieher. 
					 
					Der Löwe und der 
					Panther 
					 
					Ein Löwe pflegte lange Zeit einen vertrauten Umgang mit 
					einem Esel. Der Panther 
					machte dem Löwen hierüber Vorwürfe , und sagte:  
					"Vergiß deines vornehmen Standes nicht so sehr, und schäme 
					dich, mit einem 
					Esel umzugehn." 
					"Ich habe ihn jetzt notwendig," versetzte der Löwe, er muß 
					mir die Tiere im Walde jagen. 
					Sobald ich ihn nicht mehr brauche, schaffe ich ihn gleich 
					von meiner Seite." 
					*  *  * 
					Ihr Günstlinge der Großen! nehmt diese Worte tief zu Herzen. 
					 
					Der Mann und 
					das Johanniswürmchen 
					 
					Ein Mann, der gerne im Finstern umher schlich, fing am 
					späten Abend ein
					Johanniswürmchen. 
					"Laß mich los," sprach das Würmchen: "denn ich bin vom 
					Schöpfer bestimmt, 
					dem nächtlichen Wandrer als Leitstern zu dienen. — Laß mich 
					los, ich bitte dich um alles, 
					was dir heilig ist." — 
					Dem Manne war nichts heilig, und blieb ungerührt. 
					"Du führst mit deinem Schimmer die Leute nur irre. Ich 
					verpflege dich gut, und behalte 
					dich bei mir," sprach der Mann, und sperrte das arme 
					Tierchen in einen engen Käfig. 
					*  *  * 
					Die Vernunft unter der Aufsicht und Pflege eines 
					Inquisitors. 
					 
					Die Tiger 
					 
					Als der Löwe gestorben war, wollten die Tiere wieder einen 
					König wählen und konnten in 
					der Wahl nicht einig werden. Endlich riefen die Tiger: 
					 
					"Lasset uns auseinander gehen, wir brauchen gar keinen 
					König, wir wollen frei sein." — 
					"Ja," riefen die Tiere, "wir brauchen keinen König, wir 
					wollen frei leben und sterben!" 
					Die Königswürde wurde abgeschafft. — Aber die Tiger teilten 
					unter sich die königliche 
					Macht, und herrschten, wie — Tiger. 
					*  *  * 
					Manches Volk nannte sich frei, und wurde doch zu Zeiten von 
					Tyrannen beherrscht. 
					 
					Der Hahnenkampf 
					 
					Ein junger Haushahn, eifersüchtig wie der Sultan in seinem 
					Harem, hatte lange Zeit die 
					Alleinherrschaft im Hühnerhofe behauptet. 
					 
					Nun fiel es der Frau des Hauses ein, ihren Hennen noch einen 
					zweiten Hahn beizulegen. 
					Kaum hatte der fremde Hahn den Hühnerhof betreten, so rannte 
					der geflügelte Sultan 
					mit emporstrebenden Federn auf den Fremdling hin, und 
					forderte ihn zum Kampfe 
					heraus. — Die beiden Hähne sprangen mit Erbitterung 
					aufeinander los. Die Hennen 
					fingen an zu schreien, die Magd lief herbei und machte 
					Friede. Kaum hatte sie sich 
					entfernt, so fielen die Hähne wieder wütend einander an. Die 
					Hennen wiederholten ihr 
					Geschrei, und die Magd schaffte wieder Ruhe. Endlich kam die 
					Frau des Hauses in den 
					Hühnerhof, und sah die Kämpfer selbst in wehrhafter 
					Stellung. 
					 
					"Um dem ferneren Unfug ein Ende zu machen," sagte sie zu der 
					Magd, "so sperre einen 
					von den Hähnen so lange in den Stall, bis ihm die Lust zum 
					kämpfen vergangen ist." 
					*  *  * 
					
					
					Publicae disputationes 
					— Antikritiken — Federkriege — dann Gefängnisstrafe. 
					 
					Die Spinne und die 
					Mücke 
					 
					Eine Spinne fing eine große Fleischfliege, mit der sie lange 
					Zeit nur tändelte. — 
					Endlich ersah die Fliege ihren Vorteil, und entkam. Gleich 
					darauf flog eine Mücke ins 
					Gewebe und blieb hangen. 
					"Du entfliehst mir nicht mehr," sagte die Spinne. 
					"Warum," fragte die Mücke, "muß denn ich, als ein so kleines 
					Insekt hangen, da du doch 
					die große Fliege so gnädig entlassen hast?" 
					 
					"Ist dir das Sprichwort nicht bekannt?" versetzte die 
					Spinne: 
					Große Diebe läßt man laufen, und kleine müssen hangen. 
					*  *  * 
					Wie leicht ist der Sinn dieser Fabel zu enthüllen! — 
					 
					Der Wandrer und 
					der Vielfraß 
					 
					Ein Wandrer ruhte unter einem Baume auf dem sich ein 
					Vielfraß befand. Der Wandrer 
					erblickte das Tier, sprang von der Erde auf, und lief davon. 
					"Halt!" rief der Vielfraß; "Komme zurück, und fürchte mich 
					nicht." Der Wandrer kehrte 
					um, und fragte: 
					"Was bist du für ein Tier?" "Ich bin der Vielfraß," war die 
					Antwort, "und fresse ein Pferd 
					oder Rentier auf einmal ohne davon satt zu werden." "Das ist 
					viel," versetzte der 
					Wandrer, "da du nur so groß, als ein Metzgerhund bist." 
					*  *  * 
					Gibt, es nicht auch gewisse Menschen unter uns, die ganze 
					Häuser verschlucken. 
					Wiesen und Felder verdauen, und ganze Herden verzehren, ohne 
					davon — satt zu 
					werden? — — 
					 
					Der Jäger und 
					die beiden Hunde 
					 
					Ein Liebhaber der Jagd übergab einem Jäger zwei junge Hunde 
					um sie zur Jagd 
					abzurichten. Der Jäger erzog die beiden Hunde mit rastloser 
					Mühe, und suchte sie für 
					ihre Bestimmung recht brauchbar zu machen. Allein der Erfolg 
					entsprach nicht ganz 
					seiner Mühe. 
					Die beiden Hunde hatten zwar Eine Mutter, aber nicht 
					einerlei Naturell. Der eine war 
					lebhaft, von nutzbarem Gefühl, begriff schnell und leicht. 
					Der andere war träge, von 
					stumpfen Sinnen, faßte hart und langsam. Beim Anblick eines 
					Hasen oder Fuchses blieb 
					er kaltblütig auf der Erde liegen. 
					 
					Als sich der Herr über diesen Hund beklagte, sagte der 
					Jäger: 
					"Ich habe ihn mit so vieler Mühe, wie den andern, 
					abgerichtet. Aber das Abrichten allein 
					macht noch keinen guten Jagdhund, wenn er nicht auch von 
					Natur dazu geeignet ist." 
					*  *  * 
					Eltern! wenn eure Kinder bei gleichem Unterricht nicht 
					gleiche Fortschritte machen, 
					so denkt: Die Erziehung leistet viel, aber die Natur wirkt 
					das meiste. 
					 
					Der 
					Bettler, die Sperlinge und der Fink 
					 
					Ein Bettler ging von einem Kirchweihfest, wo er sich einen 
					Sack voll Brot gesammelt 
					hatte, nach Haus. Auf dem Wege setzte er sich hinter eine 
					Hecke, und hielt Musterung 
					von seinem Brot. Kaum hatte er sich niedergesetzt, so kam 
					eine Menge hungriger 
					Sperlinge dahergeflogen. Der Bettler warf ihnen eine 
					Handvoll Brotsamen vor. 
					Die Sperlinge frohlockten laut über diese Gabe, und priesen 
					in allen Hecken die 
					Wohltätigkeit ihres großmütigen Gebers. 
					 
					"Ihr Toren," rief ein kluger Fink, "schweigt, und denkt, daß 
					er euch nur vorgeworfen hat, 
					was er selbst nicht behalten mag." 
					*  *  * 
					Wie manch hoher Reiche, er wirft Kupfermünzen unter den 
					Pöbel, und wird in Zeitungen 
					als großmütiger Menschenfreund gepriesen. 
					 
					Die Knaben mit der 
					Schaukel 
					 
					Knaben spielten auf einem freien Platz, und übten sich im 
					Laufen, Springen, Werfen und 
					so anderes. Als sie dieser Gattungspiele müde waren, 
					beschlossen sie, sich auf einem 
					Brett zu schaukeln Die Knaben legten das Brett auf einen 
					Balken, der auf zwei alte, 
					morsche Säulen gestützt war. Sie konnten das Brett nicht ins 
					Gleichgewicht bringen. 
					Bald war es auf dieser, bald auf jener Seite zu schwer. 
					Jetzt mußte ein schwerer Knabe 
					hier, jetzt wieder ein leichterer herum sitzen. 
					Während die Knaben im Sitzen wechselten, lief ein fremder 
					Knabe herbei, und sagte: 
					 
					"Ich will gleich machen, daß ihr euch schaukeln könnt; setzt 
					euch nur geschwind auf das 
					Brett." Die Knaben setzten sich, und glaubten, er werde das 
					Brett ins Gleichgewicht 
					stellen. — Aber der Knabe war ein Schalk, stürzte die alten 
					Säulen um und die Knaben 
					fielen in die Patsche. 
					*  *  * 
					Gleichgewichtspolitik 
					 
					Der Esel und der 
					Fabeldichter 
					 
					"Herr!" sagte ein Esel zu einem Fabeldichter, wenn ich in 
					deinem Buche wieder eine Rolle 
					spielen muß, so laß mich doch auch etwas Vernünftiges 
					reden." 
					"Sage deinem Treiber," versetzte der Fabeldichter; "er soll 
					dich zuerst vernünftig denken 
					lehren, dann werde ich dich auch vernünftig sprechen 
					lassen." 
					"Das tut er nicht," sprach der Esel; "denn er behauptet, 
					wenn ich anfange zu denken, 
					so höre ich auf, Disteln zu fressen, — Lasten zu tragen, und 
					Gehorsam zu leisten." 
					*  *  * 
					Dies behaupten auch die Despoten des Landmanns, wenn von 
					Schulenverbesserung die 
					Rede ist. 
					 
					Der Bauer und der 
					Gelehrte 
					 
					Ein Gelehrter traf auf dem Wege einen Bauer, und sprach mit 
					ihm über Menschenkenntnis. 
					 
					"Es ist doch Schade," sagte der Gelehrte, "daß man dem 
					Landmann keine 
					Welt- und Menschenkenntnis beibringt, da er doch aus Mangel 
					derselben stets der 
					List und dem Betrug preisgegeben ist." 
					"Sie haben Recht," versetzte der Bauer, "aber wie und wann 
					soll unsereiner Menschen 
					kennen lernen?" — 
					"Das ist leicht," sprach der Gelehrte. Höre einmal: Wer 
					Menschen will kennen lernen, 
					der beurteile sie nach ihren Wünschen. Denn was man wünscht, 
					das redet und tut man 
					auch gerne." 
					"Erlauben Sie," erwiderte der Bauer: "mein Nachbar hat durch 
					den Krieg viel Ungemach 
					gelitten, und wünscht herzlich den Frieden; aber er selbst 
					lebt mit keinem Menschen 
					friedlich. — Mein Weib bittet immer um Frieden, und wünscht 
					ihn sehnlichst; aber doch 
					redet sie selten ein freundliches Wort. Also, was man 
					wünscht, tut und redet man doch 
					nicht allemal gerne." 
					*  *  * 
					
					
					Discipulus supra magistrum: 
					Oder: 
					Eine gesunde Hausmannsvernunft übertrifft oft die höchste 
					Schulgelehrtheit. 
					 
					Die 
					Nachtigallen und ihr Wärter 
					 
					Ein reicher Mann, der ein Freund der Nachtigallen war, 
					verreiste auf einige Zeit. 
					Vor seiner Abreise gab er dem Nachtigallenwärter eine Summe 
					Geldes, um für Futter 
					und andere Bedürfnisse der Nachtigallen zu sorgen. Der 
					Wärter aber behielt das Geld 
					für sich und ließ die Nachtigallen darben. Bei der Rückkehr 
					des Herrn waren die 
					Sängerinnen stumm und traurig. 
					"Warum," fragte der Herr, "singt ihr, und freut euch nicht 
					über meine Ankunft?" 
					"Wer sollte singen, und sich freuen," sagten die 
					Nachtigallen, "wenn man uns Not 
					leiden läßt?" 
					*  *  * 
					Wie sollten Künste und Wissenschaften im Staate blühen, wenn 
					Künstler und Gelehrte 
					hungern müssen! 
					 
					Der Maulwurf und 
					der Gärtner 
					 
					"Halt!" rief ein Maulwurf zu einem Gärtner, der ihn mit dem 
					Grabscheit töten wollte, — 
					"schone meiner, — du bist mir Dank schuldig; indem ich dich 
					vor deinen ärgsten 
					Feinden — gegen die Regenwürmer — schütze, welche die 
					zartesten Wurzeln abfressen." 
					"Ich verwünsche deinen Schutz, denn während du mich 
					schützest, verheerst du mir 
					Blumen und Kräuterbeete," sprach der Gärtner, und schlug den 
					Maulwurf tot. 
					*  *  * 
					So verheeren auch die Soldaten im Kriege des Untertanen Gut, 
					während sie es
					verteidigen. 
					 
					Die Sonne und der Wald 
					 
					Die Bäume des Waldes beschwerten sich gegen die Sonne, daß 
					sie nie von ihr bescheint 
					und erwärmt werden. 
					 
					"Warum," sagten sie, "verbreitest du dein Licht nur über 
					Wiesen und Felder, und uns 
					läßt du in Schatten und Finsternis schmachten?" 
					"Wundert euch denn dies," versetzte die Sonne, "seid ihr es 
					nicht selbst, die ihr mit 
					euren dicken Ästen und breiten Blättern Schatten und 
					Dunkelheit um euch verbreiten?" 
					*  *  * 
					Wie soll das Licht der Wahrheit wirken, wenn Vorurteile Kopf 
					und Herz beschatten! 
					 
					Die Sonne und die 
					Sterne 
					 
					Es war eine heitere wolkenlose Nacht, und ein feierliches 
					Schweigen herrschte über die 
					ganze Natur, als die Sterne sich über den Umfang und Größe 
					ihres Schimmers stritten — 
					Jeder Stern wollte heller glänzen, — jeder den Erdball mehr 
					beleuchten. — 
					Während des Streites stieg die Siegerin der Schatten — die 
					Sonne herauf, und die Sterne 
					schwiegen und traten mit Ehrfurcht zurück. 
					*  *  * 
					Kant und seine Schüler 
					 
					Die Kaufleute und 
					die Katze 
					 
					Als ostindische Kaufleute ihre Waren auf Kamele luden, 
					schlich sich eine Katze hin, — 
					machte einen Buckel und sagte: 
					"Sehet, ich habe auch einen Buckel, und kann Lasten tragen, 
					wie die Kamele." 
					"Wir wollen sehen," sprachen die Kaufleute, und legten ihr 
					nur eine ganz leichte Last auf. 
					 — Allein der Katze war die Last zu schwer. Man nahm sie ihr 
					wieder ab, und jagte sie
					davon. 
					*  *  * 
					Dies Los verdienen alle Bücklinge, und Schwachköpfe, die vom 
					Staate Ämter erschleichen. 
					 
					Die Halbblinden 
					 
					In einer Stadt, wo es viele Halbblinde gab, wurde der Befehl 
					ausgerufen, daß künftig kein 
					Halbblinder auf der Gasse ohne Führer gehen sollte. Denn bei 
					dem bißchen Augenlicht, 
					das sie noch hatten, wollten sie sich nicht führen lassen, 
					tappten also wie im Nebel 
					herum, fielen in Gruben — zerschlugen sich die Köpfe, und 
					waren der Gefahr ausgesetzt, 
					auf mancherlei Art verunglückt zu werden. 
					*  *  * 
					In dieser Gefahr schweben auch die Halbaufgeklärten im 
					Reiche der Finsternis. 
					 
					Die Stadt- und Landmaus 
					 
					Landmaus: 
					Zu tausend Mal, meine Liebe! — Wagst du dich auch wieder aus 
					der Stadt? 
					 
					Stadtmaus: 
					Jetzt ist ja die 
					
					Saison, 
					das Land zu genießen. Siehe nur die reifenden Ähren und die 
					blühenden Erbsen! Wenn nur bald die Ernte vorüber wäre, um 
					meine Speicher wieder 
					füllen zu können. 
					 
					Landmaus: 
					Sind deine Vorräte schon alle aufgezehrt? 
					 
					Stadtmaus: 
					Alles, bis auf ein wenig Spelt. 
					 
					Landmaus: 
					Und hast doch im vorigen Sommer so viel Speise aller Art in 
					die Stadt geschleppt. 
					 
					Stadtmaus: 
					Wenn heuer die Ernte gut ausfällt, so will ich noch mehr 
					sammeln. 
					 
					Landmaus: 
					Du redest zwar vom sammeln, aber sprich auch vom 
					Einschränken. 
					 
					Stadtmaus: 
					O, ich schränke mich oft ein. 
					 
					Landmaus: 
					Vielleicht dann erst, wenn du deine Speisekammer schon 
					geleert hast. — Höre, ich will 
					dir eine Wirtschaftsmaxime mitteilen, daß du, wenn du sie 
					befolgst, nie Mangel leidest. 
					Sie heißt: 
					Berechne zuerst deinen Aufwand, — sondere das notwendige von 
					dem minder 
					notwendigen; — brich ab von dem Entbehrlichen und 
					Ergötzenden, — und suche durch 
					Ersparnis das Verhältnis zwischen Aufwand und Vorrat 
					herzustellen. 
					 
					Stadtmaus: 
					
					
					Adieu! 
					ich will sehn. — 
					 
					Landmaus: 
					
					Adieu, a revoir. 
					*  *  * 
					Ökonomische Gespräche zweier Damen. 
					 
					 
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