Fab.1 
					
					
					Die pestkranken Tiere 
					 
					Ein Unheil, über das die Welt erschrickt 
					und das in seinem Zorn der Himmel schickt 
					als Strafe für der Erde Missetaten, 
					die Pest, da man sie doch bei Namen nennen muß, 
					die wohl an einem Tag anfüllt den styg'schen Fluß, 
					bekriegte einst der Tiere Staaten. 
					Nicht alle starben, doch blieb keiner ganz verschont; 
					nicht einen sah man, dem es lohnt', 
					ein siechend Leben noch zu fristen; keine Speise 
					weckt' ihr Gelüst in alter Weise. 
					Nicht Wolf noch Füchse spähten mehr 
					nach sanfter, unschuldsvoller Beute; 
					die Turteltäubchen floh'n umher, 
					da Liebe sie nicht mehr erfreute. 
					 
					Der Leu hielt Rat und sprach: »Genossen 
					ich glaub' der Himmel hat beschlossen 
					dies Unheil wegen unsrer Sünden. 
					Der Schuldigste von uns nun soll 
					sich opfern dem Geschicke und des Himmels Groll; 
					vielleicht, daß wir dadurch Genesung finden. 
					Lehrt die Geschichte doch, daß Opferkraft 
					in solchen Fällen Rettung schafft. 
					Verhehlen wir uns nichts, daß rücksichtslos man sehe, 
					wie es mit unserem Gewissen stehe! 
					Was mich betrifft, so hab' ich aus Gefräßigkeit 
					manch armes Schaf dem Tod geweiht. 
					Was hatten sie für Schuld? Gar keine; 
					es ward von mir gefressen unbeirrt 
					auch manches Mal sogar der Hirt. 
					Ich will mich opfern, wenn es sein muß; doch ich meine, 
					gut wär's, wenn jeder sich anklagen wollt' gleich mir. 
					Scheint es doch wünschenswert mit Fug und Rechte, 
					daß sich der Schuldigste zum Opfer brächte.« 
					 
					»Herr«, sprach der Fuchs, »ein gar zu guter Fürst seid Ihr; 
					Ihr zeigt ein Ehrgefühl, das nur zu zart und fein ist. 
					Doch Schafe fressen, dieses Pack, das so gemein ist, 
					heißt Sünde das? Nein, nein! Daß Ihr sie würget, war 
					für diese dummen Tiere Ehre noch sogar. 
					Vom Hirt, den Euer Hoheit fraßen, 
					sag' ich nur: Es geschah ihm recht; 
					er zählt' zu jenen, die ein eingebildet Recht 
					über die Tiere sich anmaßen.« 
					So sprach der Fuchs; es jauchzt' ihm zu der Schmeichler 
					Schar. 
					Von nun an durfte keiner mehr 
					dem Tiger wie dem Bär und andern Großen wagen, 
					das kleinste Unrecht nachzusagen, 
					Das ganze biss'ge Volk bis auf den Fleischerhund, 
					sie taten alle sich als kleine Heil'ge kund. 
					Nun sprach der Esel: »Meine Straße 
					hat eine Klosterwiese einst berührt, 
					da haben Hunger, frisches Gras und, wie ich wohl mutmaße, 
					irgendein Teufel mich verführt: 
					Ich fraß die Wiese ab, soweit die Zunge reichte; 
					ich hatt' kein Recht dazu, wenn ich soll ehrlich sein.« 
					Da stürmten mit Geschrei sie auf das Langohr ein; 
					ein redelist'ger Wolf bewies, nach dieser Beichte 
					sei's klar geboten, daß man ihn zum Opfer nähm', 
					den räud'gen Lump, von dem das ganze Unheil käm'! 
					Zum Tod ward er verdammt für seine kleinen Schwächen. 
					Zu fressen fremdes Gras! Welch schmähliches Verbrechen! 
					Der Tod allein vermag's zu rächen! 
					So klang das Urteil; streng an ihm vollzogen ward's. 
					 
					Bist stark du oder schwach? Das ist die Frag'; es 
					sprechen 
					danach die Herren Richter weiß dich oder schwarz. 
					 
					Fab.2 
					Der 
					unglückliche Ehemann 
					 
					Wenn Gutes immer nur gesellt dem Schönen wär', 
					wollt' ich gleich morgen mir ein Weib erwählen. 
					Doch daß sie meist getrennt sind, ist nichts Neues mehr; 
					die schönen Körper sind, bewohnt von schönen Seelen, 
					der allerseltenste Verein. 
					Darum – scheltet mich nicht – lass' ich das Wählen sein. 
					Viel Ehen sah ich, keine konnte mich verführen. 
					Doch sind vier Fünftel aller Menschen kühn genug, 
					im größten Zufallsspiel zu wagen diesen Zug; 
					auch müssen alle die vier Fünftel Reue spüren. 
					 
					Ich zeig' euch einen, der's bereut' und dem sogar 
					kein ander Mittel übrig war, 
					als seine Frau – sie war von Tücken, 
					und Geiz und Eifersucht erfüllt – zurückzuschicken. 
					Nie war zufrieden sie, nichts schien ihr fein und nett: 
					man stand zu spät ihr auf, zu früh ging man zu Bett; 
					bald will sie weiß, bald schwarz, und das Gezeter 
					macht wild die Dienerschaft, dem Mann verhaßt das Haus: 
					»Der Herr sorgt auch für nichts! Der Herr gibt zu viel aus! 
					Er läuft zu schnell! Zu langsam geht er!« 
					Und also treibt sie's, bis der Herr zuletzt, 
					von solchem Satan matt gehetzt, 
					zu ihren Eltern auf dem Lande 
					zurück sie schickt. Dort lebt als Frau von Stande 
					mit Mägden, deren Amt das Gänsehüten war, 
					und mit der Schweinehirten Schar. 
					Nachdem zur Besserung ihr eine Frist geblieben, 
					holt sie der Mann zurück: »Nun, Kind, wie geht es dir? 
					Wie hast du dir die Zeit vertrieben? 
					Und wie gefiel die ländlich holde Unschuld dir?« 
					»Ganz gut«, sagt sie, »doch hat es mich verdrossen, 
					daß hier das Volk noch fauler ist und nie 
					sich kümmert um das arme Vieh. 
					Doch hat sich dann ihr Haß auf mich ergossen – 
					ich schalt das Volk, weil es so sorglos ist.« 
					»Nun ja«, erwiderte der Mann mit Hohn im Munde, 
					»da siehst du, wie du zänkisch bist! 
					Wenn Leute, die kaum eine Stunde 
					des Tages um dich sind und dich nur abends sehn, 
					nicht fähig sind, dich auszustehn: 
					Wie soll die Dienerschaft in all den langen Tagen 
					dein wütend Toben wohl ertragen? 
					Und machst du einen Mann nicht toll, 
					der's Tag und Nacht bei dir aushalten soll? 
					Geh wieder hin aufs Land! Und sollte mir im Leben 
					nach deiner Rückkehr sich ein Wunsch erheben, 
					im Jenseits sollen dann, zu strafen mein Vergehn, 
					zwei Weiber so wie du mir stets zur Seite stehn!« 
					 
					Fab.3 
					Die 
					Ratte, die sich von der Welt zurückgezogen hat 
					 
					Das Morgenland kennt eine Sage 
					von einer Ratte, die, von Sorgen abgespannt, 
					entfernt von aller Erdenplage, 
					Zuflucht in einem Käse fand; 
					dort wohnte einsam und in Frieden 
					sie, rings von aller Welt geschieden. 
					Der neue Eremit wühlt sich mit Fuß und Zahn 
					hinein und bricht geschickt sich Bahn, 
					so daß ganz kurze Zeit, nachdem er angefangen, 
					er Speis' und Obdach hat – was kann man mehr verlangen? 
					Er wurde dick und fett; solches Gedeihn verleiht 
					Gott denen, die sich ihm geweiht. 
					 
					Einst ward der Heil'ge angegangen 
					durch Boten aus der Rattenstadt, 
					die kamen, um Almosen zu erflehen; 
					Sie mußten in die Fremde gehen, 
					da mit dem Katzenvolk sich Krieg entsponnen hat. 
					Rattopolis war eingeschlossen; 
					sie reisten ohne Geld, der angegriff'ne Staat 
					litt Mangel und wußt' sich nicht Rat, 
					da spärlich seine Mittel flossen. 
					Sie baten wenig nur, da Hilfe, wie man wußt', 
					in vier, fünf Tagen kommen mußt'. 
					»O Freunde«, sagt der Einsiedler zu ihnen, 
					»die ird'schen Dinge gehen mich nichts mehr an! 
					Ein armer Klausner, sagt, wie kann 
					denn der euch beistehn, wie euch dienen 
					als durch Gebet, daß Gott euch Hilfe mag verleihn? 
					Ich hoffe sicherlich, er wird euch gnädig sein.« 
					Und eiligst schloß nach diesem Worte 
					der neue Heilige die Pforte. 
					 
					Wen meinte mit der Ratte ich? 
					War es ein Mönch? Oh nein! 
					Ein Derwisch war es sicherlich – 
					ein Mönch muß doch barmherzig sein! 
					 
					Fab.4 
					Der Reiher 
					 
					Auf langen Beinen – wo, weiß ich nicht mehr – 
					mit langem Schnabel an noch längrem Hals einher 
					ging einst das Ufer lang ein Reiher. 
					Es war ein schöner Tag, das Wasser hell und klar, 
					und Vetter Karpfen schwamm nur immerdar 
					umher mit Vetter Hecht im Weiher. 
					Der Reiher hätte leicht dort einen Raub vollführt: 
					Ans Ufer kamen alle und nur zuzuschnappen 
					hätt' er gebraucht; doch spart' er lieber sich die Happen, 
					bis er ein wenig Hunger spürt' – 
					pünktlich lebt' er und speist' nur zu bestimmter Stunde. 
					Nach ein'ger Zeit kam ihm der Hunger, und als nah 
					er an das Ufer hintrat, sah 
					er Schleie, die auftauchten aus dem Grunde. 
					Die Speise lockt' ihn nicht, er harrt' auf bessren Fisch; 
					sein Gaumen war so wählerisch 
					wie einst der von Horazens Ratte. 
					»Ich Schleie?« sagt' er. »Ich, ein Reiher, diese matte, 
					elende Kost? Wer bin ich?« Da verschwand der Schleie Schar; 
					es kam ein Gründling an den Strand. 
					»Gründling! Ist das 'ne Mahlzeit für des Reihers Stand? 
					Den Schnabel öffn' ich nicht für solche Beute!« 
					Er hätt' es später gern getan – als wären sie gebannt, 
					kam dann jedoch kein Fischchen mehr an Land. 
					Jetzt packt der Hunger ihn – ach, wie er da sich freute, 
					daß er doch wenigstens ein Schneckchen fand! 
					 
					Laßt uns nicht gar zu peinlich wählen; 
					der sich zu schicken weiß, dem wird's so leicht nicht 
					fehlen. 
					Bedenkt, daß dem, der alles will, leicht alles in Verlust 
					gerät; 
					drum sorgt wohl, daß ihr nichts verschmäht, 
					sobald nur ungefähr ihr eure Rechnung findet. 
					Das merke mancher sich! Zu Reihern sprech' ich nicht; 
					Es sei euch Menschen eine andre Fabel jetzt verkündet: 
					Von euch nehm' ich den Stoff zu dem Gedicht. 
					 
					Fab.5 
					Das Mädchen 
					 
					  
					Ein Mädchen, das stets hoch getragen 
					sein Näschen, hatte einen Mann gewollt: 
					jung, wohlgewachsen, schicklich im Betragen, 
					nicht eifersüchtig und nicht kalt – so sollt' 
					er sein – Geist, Adel und Vermögen 
					sollt er besitzen - wo ist das vereint? 
					Das Schicksal hat mit ihr es wirklich gut gemeint: 
					Es kam ein reicher Freiersegen. 
					Doch unsre Schöne fand sie alle jämmerlich: 
					»Was? Ich dies Volk? Es ist wohl nur des Spaßes wegen, 
					daß man sie mir vorschlägt! Sie jammern mich! 
					Seht sie nur an, von welchem Schlage!« 
					Der eine hatt' zu wenig Bildung, ohne Frage; 
					beim andern war's die Nase, die zu wünschen ließ! 
					Der hatte das, der hatte dies; 
					denn stolze Zungen, spitz wie Nadeln, 
					finden an jedem was zu tadeln. 
					Nachdem die Besten sie verscheucht im Spaß, 
					kam an die Reih' das Mittelmaß. 
					Sie spottete: »Ich bin doch wahrlich gut von Herzen, 
					sie zu empfangen! Ha, sie meinen wohl, es macht 
					die Ehelosigkeit mir Schmerzen? 
					Gottlob, mir ist bisher die Nacht 
					einsam, doch ohne Gram vergangen!« 
					Von solchen Regungen wußt' sich die Schöne frei. 
					 
					Doch älter wurd' sie – mit den Freiern war's vorbei. 
					Die Jahre, sie vergehn in Hangen und in Bangen; 
					sie fühlt sich täglich mehr verstimmt. 
					Der Jugend Reiz und Amor Abschied nimmt. 
					Da sich der Wangen Rosen mindern, 
					greift sie zur Schminke; doch auch diese kann's nicht 
					hindern, 
					daß sie der Zeit verfällt und ihrem Bann. 
					Die Trümmer eines Hauses kann 
					man neu erbaun; warum darf diese Hoffnung nimmer 
					uns blühn für unsrer Schönheit Trümmer? 
					Nun führt 'ne andre Sprach' ihr Stolz; es predigt immer 
					der Spiegel ihr: »Nimm schnell dir einen Mann!« 
					Ein Sehnen eigner Art erfüllt sie dann und wann; 
					Sehnsucht – bisweilen ist auch Stolzen sie beschieden. 
					Wie's kaum noch möglich schien, vergab sie ihre Hand 
					und fühlte sich ganz glücklich und zufrieden, 
					daß sie am Ende einen alten Krüppel fand. 
					 
					Fab.6 
					Die Wünsche 
					 
					In Indien gibt's Kobolde, 
					dem Menschen dienstbare und holde, 
					die reinlich Haus und Wirtschaft hegen, 
					bisweilen auch den Garten pflegen. 
					Doch stört man sie auf ihren Wegen, ist alles aus. 
					 
					Im Dienste eines biedern Wirtes stand 
					ein solcher Kobold einst, nah an des Ganges Strand. 
					Er schaffte still, indem gewandt den Dienst er übte, 
					den Herrn und seine Herrin liebte 
					und mehr den Garten noch. Der sanfte Wind, 
					ein Freund der Geister, half ihm wohl, die Arbeit zu 
					verrichten 
					und zu aufricht'gem Dank verpflichten 
					die Herrschaft, denn so flink ist er und so geschwind. 
					Um seinen Eifer recht zu zeigen, 
					wär' bei den Leuten gern geblieben für alle Zeit, 
					trotz Leichtsinn und Beweglichkeit, 
					wie Geistern seiner Art ist eigen; 
					doch im zum Leid bewirkten jetzt 
					Kollegen, daß das Haupt des Geisterstaates 
					aus Laune oder klugen Rates 
					Rücksicht ihn weit von dort versetzt'. 
					Befehl erhielt er, tief nach Norwegen zu gehen 
					und in ein Haus, das Tag und Nacht 
					bedeckt war von des ew'gen Schnees Wehen – 
					aus einem Hindu ward zum Lappen er gemacht. 
					Vor seinem Abschied hub er an zu sprechen: 
					»Ihr Guten, ich muß von euch fort; 
					zwar weiß ich nicht, für welch Verbrechen, 
					allein ich muß. Nicht lang mehr bleib' ich hier am Ort, 
					höchstens 'nen Monat noch, vielleicht nur wen'ge Tage. 
					Benutzt die Zeit: Sinnt auf drei Wünsche, die ich dann 
					euch sicherlich erfüllen kann – 
					jedoch nicht mehr als drei.« 
					 
					Ist wünschen eine Plage 
					oder was Neues für die Menschen? Nein! 
					Reichtum war's, was die zwei als ersten Wunsch erfaßten; 
					in Hüll' und Fülle strömt' hinein 
					des Goldes Glanz in ihre Kasten; 
					Korn in die Scheuern, in die Keller edler Wein. 
					Doch diese Massen all' zu ordnen, welche Lasten! 
					Buchhalten, wieviel Zeit! Verwalten, welche Müh'! 
					Bald waren abgehetzt sie spät und früh. 
					Die Diebe machten ihnen Sorgen, 
					die großen Herren kamen zu borgen, 
					der Fürst besteuert' sie. Unglücklich war das Paar 
					des übergroßen Reichtums wegen. 
					»Befrei vom Überfluß uns, von dem läst'gen Segen!« 
					riefen die zwei. »Glücklich die Dürftigen fürwahr! 
					Armut ist besser noch als solchen Reichtums Fülle. 
					Fort, Schätze, weg mit euch! Und du, der Gott, der stille 
					Schützer gesunden Sinns, des innern Friedens Hort, 
					du goldner Mittelstand, kehr wieder!« Bei dem Wort 
					kam er und ward dem Paar zum zweitenmal beschieden, 
					und wieder wurden sie zufrieden. 
					Nach diesem zweiten Wunsch waren so glücklich sie 
					wie vorher, und wie alle die sind, 
					die mit Wünschen nur und eitlen Phantasien 
					die Zeit vergeuden, die sie ernstem Tun entziehen. 
					Der Kobold lächelt über sie. 
					Damit es aber doch noch etwas von ihm habe, 
					eh' in die Ferne er zum Flug sich schwingt, 
					erfleht das Paar der Weisheit Gabe. 
					Das ist ein Schatz, der niemals Sorgen bringt. 
					 
					Fab.7 
					Der Hof des Löwen 
					 
					Es wünschte einst der Löwe, daß er alle kannte, 
					zu deren Herrscher ihn der Himmel einst ernannte; 
					drum lud er durch Gesandte her 
					von jeder Gattung die Vasallen. 
					Ein Rundschreiben verschickte er 
					mit seinem Siegel hin zu allen. 
					Das Schreiben sagte: »Einen Monat lang 
					wird der Monarch mit Sang und Klang 
					Hof halten in des Schlosses Hallen. 
					Den Anfang macht ein groß Gelag, 
					dem ein Hanswurstspiel folgen mag.« 
					Der Fürst meint', solche Prachtentfaltung 
					wird' gelten auch als Machtentfaltung. 
					Er nötigt' sie zum Schloß hinein. 
					Ein Fleischhaus war's! Allen durch Mark und Bein 
					drang der Geruch. Der Bär hielt sich, um sich zu fassen, 
					die Nase zu; er hätt's wohl besser bleiben lassen. 
					Der Fürst hat die Grimasse gleich erblickt 
					und in die Unterwelt den Ekligen geschickt. 
					Der Affe lobt des Königs Zorn und Kralle, 
					er lobt' die Höhle auch; mit dieser Luft 
					verglichen wäre Blumenduft 
					Geruch von Knoblauch nur! Die Schmeichelreden alle 
					halfen ihm wenig, und auch er kam bald zu Falle. 
					Des Löwen Majestät schien nah 
					verwandt wohl mit Caligula. 
					Der Fuchs stand dicht dabei. »Nun?« wohlgewogen 
					fragt ihn der Fürst. »Was riechst du? Frank und frei 
					sag's mir«. Doch der entschuldigt' sich: Er sei 
					verschnupft, und könne gar nichts riechen, ungelogen! 
					Aus der Affäre hat er sich geschickt gezogen. 
					 
					Lernt hieraus, wenn gescheit ihr seid: 
					Wollt ihr bei Hof euch Gunst erwerben – das ist wichtig -, 
					seid weder fade Schmeichler, noch sprecht zu aufrichtig; 
					gebt ausweichend zweideutig nur Bescheid. 
					 
					Fab.8 
					Die Geier und 
					die Tauben 
					 
					Mars stiftete einst Aufruhr in den Lüften droben. 
					Ein Streit hatt' bei den Vögeln sich erhoben 
					(bei denen nicht, die uns der Frühling bringt 
					und deren Beispiel unterm Blätterdache 
					sowie der Sang, der ihrer Kehl' entklingt, 
					bewirkt, daß Venus neu in uns erwache; 
					noch die an ihren Wagen spannt als Paar 
					die Mutter Amors): Der Geier Schar 
					mit krummen Schnäbeln und mit scharfen Krallen, 
					sie war um einen toten Hund in Streit verfallen. 
					Es regnet' Blut – ich übertreibe nicht; 
					wollt' Zug um Zug ich alles im Gedicht 
					euch schildern, möchte wohl der Atem mir vergehen. 
					Manch Heldenhaupt erlitt den blut'gen Tod; 
					geschmiedet an den Fels, hofft' seiner Not 
					Prometheus jetzt ein Ende bald zu sehen. 
					Es machte Spaß, das Ringen anzuschaun; 
					ein Jammer war's, zu sehn das Todesgrau'n. 
					Mit Kraft, Gewandtheit, List und Kriegeskniffen 
					ward hier gekämpft. Von grimmer Wut ergriffen, 
					haben die beiden Heere nichts gespart, 
					Bevölkerung zu schaffen für die Lüfte, 
					welche die Schatten atmen; dicht geschart 
					erfüllten sie das öde Reich der Grüfte. 
					 
					Des Streites blinde Wut rief allgemach 
					das Mitleid eines andern Volkes wach 
					mit buntem Hals und zärtlich treuem Herzen, 
					dem Ungemach durch seine Mittlerschaft 
					ein Ziel zu setzen und des Kampfes Schmerzen. 
					Gesandte schickt' das Taubenvolk; nicht ohne Kraft 
					und sehr geschickt sie ihre Sache machten: 
					Die Geier hörten auf, sich abzuschlachten; 
					sie schlossen Waffenstillstand, Frieden dann – 
					doch weh, zum Schaden jener Unschuldsvollen, 
					denen sie dankbar hätten huld'gen sollen. 
					Unter den braven Tauben nun begann 
					das Räuberpack ein Blutbad anzurichten; 
					es rottete sie aus in Stadt und Land. 
					Die Ärmsten zeigten wenig klugen Sinn, 
					eines so wilden Volkes Zwist zu schlichten. 
					 
					Der Bösen Zwist bringt allen anderen Gewinn 
					und kann zur Sicherheit uns dienen. 
					Zwietracht sä' unter sie, da sonst mit ihnen 
					sich nie und nirgends Frieden halten läßt. 
					Dies nur beiläufig – Schweigen ist der Rest. 
					 
					Fab.9 
					Die 
					Landkutsche und die Fliege 
					 
					Auf steilem Weg bergan zogen durch tiefen Sand 
					sechs starke Pferde in der Sonne glühendem Brand 
					'ne Landkutsche mit viel Beschwerden. 
					Frau, Mönch und Greis stieg aus an diesem Ort, 
					Die Pferde kamen keuchend kaum noch fort. 
					Da kommt 'ne Fliege an, sie nähert sich den Pferden, 
					sticht den und jenen und ist gar so dumm, 
					zu meinen, Freude bringe ihr Gesumm. 
					Selbst auf des Kutschers Nas' ist sie zu sehen, 
					wofür sie auch noch Dank begehrt. 
					Als dann die Kutsche wieder fährt – 
					weil nebenher zu Fuß die Leute gehen – 
					ist sie so frech, den Ruhm sich einzig zuzuschreiben. 
					Geschäftig geht und kommt sie und erscheint 
					wie ein Sergeant, der losgeht auf den Feind, 
					um seine Kompanie zum Sieg voranzutreiben. 
					Auf ihr allein – so klagt sie noch – 
					ruh' aller Arbeit und der Sorge Joch, 
					und niemand wolle hilfreich ihr zur Seite treten: 
					Der Mönch tät' sein Brevier herbeten – 
					der Augenblick sei gut gewählt! -, ein Weibchen sang: 
					jetzt sei wohl grade Zeit zu lust'ger Lieder Klang! 
					Frau Fliege fängt nun an, ihr in das Ohr zu singen, 
					und was noch mehr an dummen Dingen. 
					Nach schwerer Arbeit langt die Kutsche oben an. 
					»Erholen wir uns nun!« versetzt die Fliege dann. 
					»Mir dankt ihr's daß ans Ziel ihr kamt so frühe; 
					ihr faulen Gäule, jetzt bezahlt mir meine Mühe!« 
					 
					Gewisse Leute tun geschäftig; hier und dort 
					drängen sie dreist sich vor beständig. 
					Sie tun, als wären sie notwendig, 
					und sind nur lästig. Jagt sie fort! 
					 
					Fab.10 
					Die 
					Milchfrau und der Milchtopf 
					 
					  
					Vorsichtig trug Perrette den milchgefüllten Topf 
					mit einem Kissen auf dem Kopf; 
					sie hofft, ohn' Hindernis glücklich zur Stadt zu eilen. 
					Ganz leicht geschürzt, geht schnellen Schritts sie zu; 
					um sich nicht zu verweilen, 
					nur einen Rock und flache Schuh'. 
					Schon zählt das Weibchen mit dem schlanken 
					und drallen Mieder in Gedanken 
					den Preis für ihre Milch; schon legt das Geld sie an, 
					kauft hundert Eier ein zum Brüten, und nach Franken 
					rechnet sie den Gewinn, den sie d'raus ziehen kann. 
					»Leicht wird es mir«, sagt sie mit Lachen, 
					»zu Hause aufzuziehen die Küken, zart und klein; 
					sehr schlau müßt' Meister Fuchs es machen, 
					ließ' er mir nicht genug zum Ankauf für ein Schwein! 
					Ein Ferkel mästen kann so schlimm nicht sein; 
					fett soll's schon werden, hab' ich's erst, in jedem Falle! 
					Verkauf' ich es, bringt's mir ein rundes Sümmchen ein. 
					Wer will mich hindern, daß als schönstes Paar im Stalle 
					'ne Kuh, ein Kälbchen auch ich für den Preis ersteh', 
					das in der Herde dann ich lustig hüpfen seh'?« 
					Perette hüpft dabei selbst vor Freude. Jähen Falles 
					stürzt hin die Milch: Kuh, Kalb, Schwein, Küken – hin ist 
					alles. 
					Die Herrin all des Guts sah mit betrübtem Blick 
					in Trümmern ihre Schätze liegen 
					und fürchtet, für das Mißgeschick 
					Prügel von ihrem Mann zu kriegen. 
					Zur Posse ward der Scherz gemacht: 
					»Der Milchtopf« wurde viel belacht. 
					 
					Wer liebt zu schweifen nicht im Blauen 
					und wer Luftschlösser nicht zu bauen? 
					Picrocholus, Pyrrhus und die Milchfrau – jeder fällt, 
					der Narr dem Weisen gleichgestellt, 
					dem wachen Traum anheim, der uns gefangenhält; 
					ein Trugbild, mit des Geistes Aug' zu schauen, 
					zeigt: Uns gehört die Welt, 
					uns alle Ehren, alle Frauen. 
					Bin ich allein, tret' ich dem Tapfersten zu nah, 
					ich schwärme weiter, ich entthrone Persiens Schah; 
					ein König, bin ich, steh' auf hoher Zinne, 
					und auf mein Haupt regnet ein Diadem. 
					Ein Zufall wirkt, daß ich mich auf mich selbst besinne, 
					und siehe da: Ich bin das Hänschen wie vordem. 
					 
					Fab.11 
					Der Pfarrer und 
					der Tote 
					 
					Still fuhr und ernst ein Toter hin, 
					der letzten Ruhestatt entgegen; 
					Ein Pfarrer eilt' mit heitrem Sinn, 
					ihn möglichst schnell ins Grab zu legen. 
					Auf einem Wagen trat der Sel'ge an die Fahrt, 
					gar fest verpackt und wohl verwahrt, 
					mit dem Gewand bekleidet, das wir Sarg benennen, 
					dem Rock, der dienen wird für alle Zeit, 
					und von dem sich der Tote nie wird trennen. 
					Der Pfarrer saß an seiner Seit', 
					und um's nach Vorschrift auszuführen, 
					sagt' er manch fromm Gebetlein her, 
					manch Stücklein aus der Bibellehr': 
					»Herr Toter, laßt's Euch nicht berühren! 
					Wir geben Euch nach Brauch kirchliche Ehr'; 
					es ist ja nur um die Gebühren!« 
					Hochwürden wenden von dem Toten keinen Blick, 
					als schützt' er diesen Schatz vor Diebsgeschick, 
					als sagt' er ihm in seinem Herzen: 
					»Von Euch, Herr Toter, krieg' ich doch 
					so viel Geld, so viel an Kerzen, 
					so viel an andern Sporteln noch.« 
					Ein Fäßchen kaufen wollt' er sich dafür im Städtchen 
					vom Allerbesten weit und breit; 
					ein niedlich Nichtchen und auch Gretchen, 
					sein allerliebstes Stubenmädchen, 
					sie brauchten beide auch ein neues Kleid. 
					So rechnet' er mit Wohlbehagen – 
					ein Stoß! Der Wagen in zwei Teile bricht; 
					Hochwürden liegen daneben dicht – 
					des Toten Sturz hat ihm den Schädel eingeschlagen. 
					Das Pfarrkind zieht den Pfarrer nach; nicht gern 
					folgt dieser nun dem Ruf des Herrn, 
					und beide gehen vereint von hinnen. 
					 
					All unser Leben, unser Sinnen, 
					dem Pfarrer gleicht's, der zählt auf seines Toten Kopf, 
					und jener Milchfrau mit dem Topf. 
					 
					Fab.12 
					
					Vom Menschen, der dem Glück nachläuft, 
					und dem, der es in seinem Bett erwartet 
					 
					Wer möchte nicht dem Glück nachlaufen? 
					Wüßt' ich nur einen Ort, wo in bequemer Rast 
					ich sehen könnt' den Narrenhauf 
					all derer, die in eitler Hast 
					dem Kind des Schicksals stets nachjagen ohn' Ermatten 
					als treu Gefolg' im Dienste eines flücht'gen Schatten! 
					Und haben sie's beinah erfaßt, 
					gleich flieht es fort, kein Wunsch ist wahr geworden. 
					Die Ärmsten dauern mich; wenn man die Toren schaut, 
					wird Mitleid mehr als Ärger laut. 
					»Der Mensch dort«, sagen sie, »hat Kohl nur angebaut, 
					und seht, nun ist er Papst geworden! 
					Sind wir den weniger als er?« Ihr seid viel mehr! 
					Allein was hilft Verdienst im Leben? 
					War blind das Glück nicht von jeher? 
					Und ist die Tiara wert das, was man aufgegeben, 
					die Ruhe, diesen Schatz, der Sterblichen Begehr, 
					den als der Götter Erbe pries der Dichter Heer? 
					Da, wo Fortuna weilt, entweicht die Ruh' fast immer. 
					Drum suche diese Göttin nimmer; 
					sie sucht dich selber schon – das ist so ihre Art. 
					 
					Zwei Freund' in einer Stadt besaßen leider nur 
					ein klein Vermögen. Nun, der eine seufzte immer 
					nach Glück. »Wenn wir«, sprach er zum andern einst, 
					›auswanderten‹? »Sag, was du meinst! 
					Du weißt, nichts gilt im Vaterlande der Prophet; 
					vielleicht blüht anderswo das Glück.« 
					»Such du!« spricht jener. »Ich begnüge mich mit meinem 
					Stande, 
					mit Land und Leuten, und so bleibe ich zurück. 
					Folg deinem Trieb! Ich weiß, du bist gar bald zu Rande 
					und kehrst dann heim; doch ich gelobe dir vorerst 
					zu schlafen, bis du wiederkehrst.« 
					Von Ehrgeiz oder, wenn man will, vom Geize 
					getrieben, tritt die Reis' er an 
					und kommt am nächsten Tag dann 
					an einen Ort, der für die laun'sche Göttin Reize 
					mehr als ein andrer hat: Der Hof ist dieser Ort. 
					Dort bleibt er ein'ge Zeit und stellt sich immerfort 
					abends und morgens ein, voll Glückes Träumen, 
					damit er keine Stunde kann versäumen; 
					kurz, immer ist er da, und doch kommt er zu nichts. 
					 
					»Suchen wir anderswo! «spricht er. »Woran gebricht's? 
					Fortuna, weiß ich, wohnt in diesen Räumen, 
					täglich kehrt sie bei dem und jenem ein; 
					ich seh's! Wie kommt es, daß bei mir allein 
					das launenhafte Weib sich weigert einzukehren? 
					Wohl hat man mir gesagt, es wär' an diesem Ort 
					nicht angebracht, zu viel der Ehren zu begehren. 
					Lebt wohl, ihr Herrn vom Hof, lebt wohl, ich gehe fort. 
					Jagt einem Trugbild nach in buntem Flitterstaate! 
					Fortuna, sagt man mir, hat Tempel in Surate; 
					gehen wir dorthin!« Gesagt, getan: Er schifft sich ein. 
					Seelen aus Stein! Der Mensch war hart wie Diamanten, 
					der diesen Pfad einschlug und unbekannten 
					Abgründen trotzte, er zuerst und ganz allein! 
					Zur Heimat wandte oft die Blicke 
					jetzt unser Freund, der die Geschicke 
					der Reise, die Gefahren wohl begriff: 
					Seeräuber, Sturm, Windstill' und tück'sches Felsenriff – 
					Diener des Todes, den oft weit vom Vaterlande 
					mit Plag' und Qual man sucht an fernem Strande, 
					obwohl man bald genug daheim ihn finden kann. 
					Nach Indien kommt er; dort sagt man ihm, in Japan 
					weile Fortuna jetzt mit ihren Gnadensegen. 
					Nun tragen dorthin ihn die trägen 
					Fluten, und alles was er fand 
					als Frucht von seinem langen Reisen, 
					die Lehre war's, die uns die Wilden schon beweisen: 
					»Lerne von der Natur und bleib im Vaterland.« 
					Auch in Japan fand er kein besseres Gelingen, 
					als ihm bereits in Indien geschehn; 
					dies muß't ihn zur Erkenntnis bringen, 
					wie unrecht er getan, von Hause fortzugehn. 
					 
					Des Wanderns fruchtloser Beschwerde 
					entsagend, kehrt er heim;und nah dem trauten Herde, 
					weint er vor Freud' und spricht: »Wer nur zuhause lebt, 
					der Wünsche Leidenschaft zu bändigen bestrebt! 
					Er weiß gottlob es nur vom Hörensagen, 
					was Hof, was Meer ist und wie schwer dein Joch zu tragen 
					Fortuna! Ja, an uns läßt du vorübergehn 
					Würden und Geld, denen mit Hast und Bangen 
					man nachjagt, ohne das Verheißne jemals zu erlangen. 
					Ich bleibe, und unendlich besser werde ich mich stehn.« 
					Noch während er sie spricht, die klugen Worte 
					und seinen Wunsch, Fortuna zu erjagen, so besiegt, 
					sieht er sie sitzen an der Pforte des Freundes, 
					der zuhaus in tiefem Schlummer liegt. 
					 
					Fab.13 
					Die beiden Hähne 
					 
					Zwi Hähne lebten still; 'ne Henne kam dazu, 
					und gleich hat sich ein Krieg entsponnen. 
					Amor, du trägst die Schuld: Troja zerstörtest du, 
					um dich hat jener Streit begonnen, 
					der durch den Xantus färbte sich mit Götterblut. 
					Ausdauernd war im Kampf der beiden Hähne Wut. 
					Bald ward es rings bekannt; herbei zum Schauspiel eilte 
					das kammgeschmückte Volk, und manche Helena 
					mit prächtigem Gefieder teilte 
					als Preis man jenem zu, den man als Sieger sah. 
					Der andre schlich davon, um einsam zu beklagen 
					schmählich verlorne Ehr' und Liebeslust, 
					woran der Gegner sich, stolz, daß er ihn geschlagen, 
					vor seinen Augen freut. Täglich von neuem mußt' 
					der Anblick seinen Haß und seinen Mut entflammen; 
					er wetzt den Schnabel, und mit seinen Flügeln schlägt 
					die Luft er und rafft wuterregt 
					zu neuem Kampfe sich zusammen. 
					Nicht nötig! Frech auf Dächer setzt' 
					der Sieger sich, im Ruhme sich zu sonnen. 
					Ein Geier nahm ihn wahr, und jetzt 
					vorbei sind Ehr' und Liebeswonnen! 
					Des Geiers Kralle setzt' ein End' dem kecken Tun. 
					Des Schicksals Tücke wollte nun 
					den Überlebenden erneut der Henne paaren, 
					und wieder macht er ihr den Hof – 
					für das Geklatsche, welch ein Stoff! 
					Denn Weiber hatte er bereits in Scharen. 
					 
					So spielt das Schicksal gern mit uns im Übermut: 
					Mit Hochmut hat schon oft des Siegers Fall begonnen. 
					Mißtrauen wir dem Glück, und sei'n wir auf der Hut, 
					besonders, wenn wir eine Schlacht gewonnen! 
					 
					Fab.14 
					
					Die Undankbarkeit und Ungerechtigkeit 
					der Menschen gegen das Schicksal 
					 
					Ein großer Handelsherr ward reich – er hatte Glück: 
					Die Winde dienten ihm auf mehr als einer Reise, 
					nicht Riff noch Strudel nahm, wie's ihre Weise, 
					von seiner Ware ihm auch nur ein einzig Stück. 
					Neptun und Atropos – an seinen Kameraden 
					übten ihr Recht sie aus, indes Fortunas Gnaden 
					stets sicher ihren Freund geführt zum sichern Port. 
					Treu ward bedient er von Buchhaltern und Kollegen; 
					Tabak, Zucker und Zimt, des fernen Indiens Segen, 
					auch Porzellan verkauft' er gleich an Bord; 
					Luxus und Mode mehrten seinen Schatz nur immerfort 
					und seiner Taschen goldnen Regen. 
					Dukaten waren bald sein kleinstes Geld; 
					Prachtkutschen hielt er, Pferd' und Hund' im Hause, 
					sein Fasten glich dem Hochzeitsschmause. 
					Ein Freund, der sah, wie reich sein Mahl bestellt, 
					fragt' ihn: »Woher die Pracht, die hier ich sehe?« 
					»Woher denn sonst, als weil ich mein Geschäft verstehe? 
					Mir selber dank ich's: Klugheit, Mut und Fleiß, 
					womit mein Geld ich stets gut anzulegen weiß.« 
					 
					Es war im gar zu wohl, daß immer er gewonnen, 
					er setzt' aufs Spiel den früheren Gewinn; 
					doch nun kam's anders: Nichts ging ihm nach Wunsch und Sinn. 
					Warum? Er war zu unbesonnen: 
					Ein schlecht belad'nes Schiff scheiterte auf dem Meer; 
					auf einem andren fehlten Waffen und auch Leute, 
					Seeräuber nahmen es als Beute; 
					ein drittes kehrte heim, befrachtet schwer 
					mit unverkaufter Ware – nicht geblieben 
					war Mode, Luxus wie vorher. 
					Auch hatten seine Leut' ihn sehr betrogen, 
					und er selbst, der's gar zu arg getrieben 
					und viel verschwendet hatte mit dem Schwarm 
					leichtsinn'ger Freunde, ward nun plötzlich arm. 
					Sein Freund, der so verarmt ihn sah, fragt jetzt ihn leise: 
					»Wie kommt das?« - »Ach, das Schicksal hat's gewollt!« 
					Drauf jener: »Tröste dich; und ist es dir nicht hold 
					und bist du glücklich nicht, so sei zumindest weise.« 
					 
					Weiß nicht, ob er den Rat bedacht; 
					doch weiß ich: Jeder wird, was glücklich er vollbracht, 
					auf Rechnung seiner Klugheit schreiben; 
					und folgt ein Rückschlag dann auf töricht Treiben, 
					dann schelten wir das ungetreue Glück. 
					So ist die allgemeine Stimme: 
					 
					Das Gute taten wir, das Schicksal nur das Schlimme; 
					wir haben immer recht, und unrecht das Geschick. 
					 
					Fab.15 
					Die Wahrsagerinnen 
					 
					Oft hat der Zufall an des Volkes Meinung teil, 
					und den Erfolg bestimmt die öffentliche Meinung. 
					Man trifft die traurige Erscheinung 
					in jedem Rang und Stand: Überall Vorurteil, 
					Kabale, Eigensinn – Gerechtigkeit nur selten. 
					Es ist ein Strom. Was tun? Man laß ihm seinen Lauf! 
					So war's, und so hört's nimmer auf. 
					 
					Als Wahrsagerin wollt' in Paris ein Weib einst gelten. 
					Jeder besuchte sie und ging um Rat sie an: 
					Wer was verloren hatte, wer auf Liebe sann, 
					der Gatte, der sein Weib liebt' gar zu treu und tüchtig, 
					die böse Mutter wie die Frau, die eifersüchtig – 
					alles lief zur Wahrsagerin. 
					Es wollte jeder hören, was nach seinem Sinn. 
					Durch schlaue List lockt' sie die meisten: 
					Ein Fachausdruck, ein freches sich Erdreisten, 
					ein günst'ger Zufall oft – das reichte hin, 
					und alles schrie: »Welch ein Mirakel!« 
					Unwissend, wie sie war, ihr Hirn ein leeres Fach, 
					galt sie doch bald als ein Orakel. 
					Die Pythia bewohnt' ein Stübchen unterm Dach; 
					dort füllt' aus dieser einz'gen Quelle 
					das Weib in allergrößter Schnelle 
					so ihren Beutel, daß ein Amt sie ihrem Mann 
					und selber sich ein stattlich Haus erstehen kann. 
					 
					In das Dachstübchen zog sodann 
					'ne andere Mieterin, zu der in Hüll' und Fülle 
					Fraun, Mädchen, Diener, Herren, jung und alt kam 
					und ihre Künste, wie vordem, in Anspruch nahm; 
					das kleine Stübchen war die Höhle der Sibylle. 
					Das vor'ge Weib hatte den Ort in Ruf gebracht. 
					Die jetz'ge mochte tun und reden, was sie wollte: 
					»Wahrsagen, ich? Ihr spaßt! Als wenn ich lesen sollte! 
					Ich weiß nur, wie vor Gott ein Kreuz man macht!« 
					Alles umsonst: Wahrsagen mußte sie. Es rollte – 
					ohne ihr Zutun – manches Goldstücklein 
					ihr zu; mehr als zwei Advokaten nahm sie ein. 
					Der Hausrat kam der Sache sehr zustatten: 
					Vier lahme Sessel und ein alter Besenstiel 
					erschienen als geheimnisvolle Schatten. 
					Hätte dies Weib auch noch so viel 
					Wahres gesagt in schmuckem Zimmer, 
					man hätte sie verlacht: Zum Dachstübchen ging immer 
					der Zug, es brachte den Profit, 
					während die andre Frau in Zorn und Not geriet. 
					 
					Das Aushängschild verschafft die Kunden. 
					Manch schlechter Redner ward als Meister schon befunden 
					und hat um sich geschart in hochbezahlten Stunden 
					ein großes Auditorium. 
					O fragt mich nicht warum! 
					 
					Fab.16 
					
					Die Katze, das Wiesel und das Kaninchen 
					 
					In des Kaninchens Wohnung schlich 
					das schlaue Wiesel eines Morgens sich. 
					Der Wirt war fort, drum ging das rasch vonstatten; 
					das Wiesel richtet sich gleich ein in seinem Bau, 
					indes bei Blumenduft und frischem Morgentau 
					Kaninchen grüßt die Sonne auf den Matten. 
					Nachdem genug der Speis' und Frühluft es genoß, 
					sucht's wieder auf sein unterirdisch Schloß. 
					Das Wiesel steckte just die Nase aus dem Fenster. 
					»Barmherz'ge Götter! Sehe ich Gespenster?« 
					So rief das Tier, jetzt von der Väter Sitz verjagt. 
					»Holla, mein Wiesel! Auf der Stelle 
					mach dich davon in aller Schnelle, 
					sonst wird's den Ratten all' im Land umher gesagt!« 
					Spitznäschen aber meinte, dem gehört die Erde, 
					der in Besitz zuerst sie nahm. 
					Ein schöner Grund zur Kriegsbeschwerde: 
					ein Haus, in das es selbst nur kriechend kam! 
					»Ich wüßte gern«, sprach es, »nach welchem Recht 
					die Nutzung eines Hauses bliebe stets im selbigen 
					Geschlecht.« 
					Karnickel sprach: »Es ist so Brauch und Sitt' im Leben. 
					Durch ihr Gesetz geschützt und drauf gestützt, bewohn' 
					dies Haus als Herr ich und Gebieter lange schon; 
					denn immer ward's vererbt vom Vater auf den Sohn. 
					Sollt' die Eroberung ein bessres Recht wohl geben?« 
					Das Wiesel drauf: »Still! Laß uns eben 
					den Streit erledigen vor Fangeleises Thron.« 
					 
					Dies war ein Kater, der an tief verborgnem Platze 
					behaust war, eine falsche Katze, 
					ein Katzenheiliger, recht feist und alt, 
					der als ein kluger Richter galt. 
					Karnickel hat es angenommen; 
					vor dieser tück'schen Majestät 
					sind bald die beiden angekommen. 
					»So tretet näher« Fangeleise sprach, »denn seht, 
					die Ohren werden immer schwächer mit den Jahren.« 
					Die beiden tun's, den Richtspruch zu erfahren. 
					Allein kaum sieht er sie in seines Arms Bereich, 
					da wirft der Heilige, scheinbar fromm und bieder, 
					die bösen Krallen aus nach rechts und links zugleich; 
					versöhnend die Parteien, würgt er beide nieder. 
					 
					So geht es, wenn, um ihren Streit zu enden, 
					die kleinen Fürsten sich an ihren König wenden. 
					 
					Fab.17 
					
					Schlangenkopf und Schlangenschwanz 
					 
					  
					Zwei der Glieder an der Schlange 
					machen, ach, dem Menschen bange: 
					Kopf und Schwanz; und alle zwei 
					stehn den grausen Parzen bei, 
					die sich sehr an ihnen weiden, 
					wenn auch unter diesen beiden 
					einst ein großer Streit entsprang um den Gang. 
					Stets der Kopf ging vor dem hintern Teile, 
					drum der Schwanz zum Himmel klagt' und ihm sagt': 
					»Schau, ich mache Meil' auf Meile, 
					ganz wie jener's haben will. 
					Glaubt er, daß ich stets dies dulde still? 
					Was als Diener denn gewinn' ich? 
					Bin ich doch, wie Gott es will, 
					nicht sein Knecht; sein Bruder bin ich. 
					Da wir aus demselben Blut, 
					gib mit ihm mir gleiche Rechte; 
					trag' ich doch ein Gift, ich dächte, 
					stark wie seines, schnell und gut! 
					Höre drum, was ich erflehe: 
					Ordne – denn du kannst es – an, 
					daß der Reihe nach voran 
					meinem Bruder Kopf ich gehe. 
					Glaub, ich führ' ihn gut und glatt, 
					daß er nicht zu klagen hat.« 
					 
					Der Himmel war grausam genug und ließ sich rühren. 
					Ach, seine Güte bringt zu oft nur bittre Pein; 
					er sollte doch wohl lieber taub für blinde Wünsche sein. 
					Hier war er's nicht: Ernannt, den Marsch zu führen, 
					sah der Schwanz bei hellem Tage doch 
					mehr nicht als im Ofenloch, 
					rannte blind durch alle Räume, 
					gegen Menschen, Stein' und Bäume 
					und graden Weg zum Styx, dem Strom der Unterwelt. 
					 
					Wehe dem Staat, der gleichem Trug verfällt! 
					 
					Fab.18 
					Das Tier im Mond 
					 
					Wenn wir von einem Weisen hören, 
					daß ihrer Sinne Trug die Menschen stets belog, 
					wird gleich ein andrer Weiser schwören, 
					daß niemals uns ein Sinn betrog. 
					Sie haben beide recht: Mit vollem Grund bezichtigt 
					täuschenden Trugs der Philosoph den Sinn, 
					soweit der Mensch urteilt auf dessen Zeugnis hin. 
					Jedoch, es wird das Urteil wiederum berichtigt, 
					wenn wir den Gegenstand zur Ferne, die ihn trennt 
					von uns und zu den andren Dingen 
					sowie zu dem benützten Instrument 
					in richtige Beziehung bringen. 
					Weise schuf die Natur alles nach Folg' und Grund – 
					ich tu' ein andermal euch dies ausführlich kund. 
					Die Sonne seh' ich. Wie erscheint sie mir? Als stellten 
					ihr ganzes Maß mir dar drei Fuß im Umfang nur; 
					Doch könnte ich dort oben gehen auf ihrer Spur, 
					wie würd' mein Auge schaun das Aug' der Welten? 
					Ihre Entfernung zeigt mir ihre Größe, und 
					durch Winkelmessung kann ich sie genau darlegen. 
					Das Volk meint, sie sei flach, ich weiß sie kugelrund; 
					ich laß' sie stillstehn und die Erde sich bewegen; 
					kurz, was mein Auge schaut, weiß ich zu widerlegen, 
					und dieses Sinnes Trug täuscht mich in keinem Fall. 
					Mein Geist, er findet doch am Ende überall 
					die Wahrheit unterm Scheine durch Erkenntnis; 
					und keineswegs befind' ich mich im Einverständnis 
					mit meinem Auge, das zu schnell oft vorwärtsdringt, 
					noch mit dem Ohre, das den Schall nur langsam bringt. 
					Den Stab, im Wasser krumm, muß grade richten 
					Vernunft, und sie muß herrschend alles schlichten. 
					 
					Dank ihrer Macht und Herrschaft trügt 
					mein Auge nimmer mich, obwohl es immer lügt. 
					Schenkt' ich im Glauben, müßt', wie viele meinen, 
					im Monde drinnen mir ein Mann erscheinen. 
					Kann einer drin sein? Nein. Was ist des Pudels Kern? 
					Nur ein paar Linien sind's, die wirken so von fern. 
					Des Mondes Fläche kann ein glattes Bild nicht geben: 
					Gebirgig ist sie hier, dort ist sie wieder eben 
					und zeigt uns oft durch Schatten und durch Licht 
					ein Tier, ein menschliches Gesicht. 
					Mußt' England jüngst was Ähnliches erleben! 
					Durchs Fernrohr sah man, da erschien 
					ein neues Tier im Mond, und alle schrien, 
					es hab' ein Wunder sich begeben, 
					ein Wechsel sei geschehn dort oben neuster Zeit, 
					der zweifellos ein groß Ereignis prophezeit. 
					Ob nicht von dort der Krieg der Völkerschaften 
					entstammt? Der König kam herbei - gar hochgeneigt 
					ist er als weiser Fürst den höhern Wissenschaften -, 
					das Ungetüm im Mond hat sich auch ihm gezeigt. 
					Ein Mäuschen war's, das im den Glase sich verborgen, 
					im Fernrohr selber war der Quell der Kriegessorgen. 
					Man lachte. Glücklich Volk! Wann kommt der Tag, 
					da Frankreich solchem Tun wie du sich widmen mag? 
					 
					Mars überschüttet uns mit reichen Ruhmesgaben: 
					Nur unsre Feinde scheun den Kampf, wir suchen ihn; 
					gewiß, Viktoria wird, die Göttin hoch erhaben, 
					Ludwigs Geliebte, stets mit ihm zu Felde ziehn. 
					Sein Lorbeer, Klio selbst hat ihn in Erz gegraben. 
					Auch Mnemosynes* Töchter haben 
					uns nicht verlassen, hell strahlt uns der Freude Licht; 
					Friede ist unser Wunsch, doch unser Sehnen nicht. 
					Karl freut sich sein; doch würd' er, gälte es zu streiten, 
					beweisen eine Macht und England sicher leiten 
					zu jenen Spielen, die in Ruh' es heut genießt. 
					Indes, geläng' es ihm, den Frieden zu erstreben, 
					welch edler Weihrauch! Ob ein besserer ihm sprießt? 
					Sollt' etwa minder schön eines Augustus Leben 
					als Cäsars Siegesruhm und Heldenlorbeer sein? 
					O glücklich Volk! Wann wird der Friede uns gegeben, 
					daß wieder wir, wie du, uns ganz den Künsten weihn? 
					 
					*(Mnemosyne-griech.Göttin 
					des Gedächtnisses, Mutter der 9 Musen) 
					 
					 
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