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Lieder 16-31
 


 

Reinmar der Alte
geb. vermutlich um 1200

Herkunft und Stand sind unbekannt, ebenso sein Sterbedatum. Dieses erschließt sich in
etwa aus der Literaturstelle im Tristan Gottfrieds von Straßburg, in welcher Reinmars Tod
beklagt wird. Da Gottfrieds Tristan um 1210 angesetzt wird, dürfte Reinmar somit im
1. Jh. des 13. Jh.s gestorben sein.
Der Beiname "der Alte" dient zur Unterscheidung von späteren Vertretern (unter anderem
Reinmar von Zweter, Reinmar der Fiedler).


Um die Person dieses Minnesängers hat sich ein förmliches Dickicht von Hypothesen
gebildet. Nachweisbar ist aber folgendes:
Reinmar war wohl ein älterer Zeitgenosse Walthers
von der Vogelweide. Sein Verhältnis mit Walther als "Fehde" bezeichnen zu wollen kann man als
verfehlt betrachten. Es ist sicherlich nicht auszuschließen, ja sogar wahrscheinlich,
dass Reinmar und Walter in irgendeinem Konkurenzverhältnis standen. Viele vermuten einen
Existenzkampf um die Stellung am Wiener Hof.

Die Lieder Reinmars stellen die Ideologie der "Hohen Minne" in reinster und gleichzeitig extremer
Weise dar.
Häufig benutzt Reimar die Form des Frauenmonologs oder des Dialogs zwischen Frau
und Boten.

Auch er wird zu den "zwölf alten Meistern" gezählt.

Quelle der Lieder:
©Reclam: 2002 Reinmar/Lieder. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert ©Günther Schweikle

 
Ein liep ich mir vil nâhe trage Ich bin der sumerlangen tage sô frô
Si koment underwîlent her Swaz ich nu niuwer mære sage
Ich hân vil ledeclîche brât Ich wirbe umbe allez, daz ein man
Wie ist ime ze muote wundert mich Daz beste, daz ie man gesprach
Sô ez iender nâhet gegen dem tage Ich weiz den weg nû lange wol
Ich wæne mir liebe geschehen wil Mich hœhet, daz mich lange hœhen sol
Ich alte ie von tage ze tage Der lange süeze kumber mîn
Vil sælic wart er ie geborn  


Lied 1

Minnelied

 

1.
Ein liep ich mir vil nâhe trage,
des ich ze guote nie vergaz.
Des êre singe ich unde sage,
mit guoten triuwen mein ich daz.
Si muoz mir iemer sîn vor allen wîben:
an dem muote wil ich manigu jâr belîben.
waz bedarf ich leides mêre,
wan daz ich si fremede,
daz klage ich unde mueget mich dicke sêre.

2.
Ez wirt ein man der sinne hât,
vil lîhte sælic unde wert.
Der mit den liuten umbe gât,
des herze niht wan êren gert.
Diu fröide wendet im sîn ungemüete.
sich sol ein ritter flîzen maniger güete.
ist ieman, der daz nîde,
daz ist ein sô gefüeger schade,
den ich für al die werlt vil gerne lîde.

3.
Ez ist ein nît, der niht enkan
verheln an den liuten sich.
War umbe sprichet manic man:
»wes tœrt sich der?« und meinet mich?
Daz kunde ich im gesagen, ob ich wolte,
ich enwânde niht, daz ieman frâgen solte,
er enpflæge schœner sinne,
er wan nieman in der werlte lebt,
er envinde wol sînes herzen küniginne.

 

1.
Etwas Liebes trage ich tief in mir,
das ich mir zum Besten nie vergaß.
Zu dessen Ehre singe und sage ich,
in fester Treue meine ich das.
Sie muß mir immer teuer sein vor allen anderen Frauen:
Bei dieser Meinung will ich viele Jahre bleiben!
Was brauche ich mehr an Leid,
als daß ich ihr ferne bin,
das beklage ich, und es bedrückt mich oft schmerzlich.

2.
Es wird ein Mann, der Verstand hat,
sehr leicht glücklich und geschätzt,
wenn er mit den Leuten verkehrt
und sein Herz nichts als Ehre begehrt.
Diese Freude verwandelt ihm seinen Mißmut.
Ein Ritter soll sich vieler edler Taten befleißigen.
Gibt es jemand, der dies scheel ansieht -
das ist ein so geringfügiger Schaden,
den ich der Welt zuliebe gerne ertrüge.

3.
Es gibt eine Mißgunst, die sich nicht
verheimlichen läßt bei den Leuten.
Warum spricht mancher Mann:
»Weshalb macht sich der zum Toren?« und meint mich?
Das könnte ich ihm sagen, wenn ich wollte,
- ich glaube nicht, daß das jemand fragen würde,
außer er hielte sich nicht an höfische Regeln -
denn niemand auf der Welt lebt,
der nicht doch seines Herzens Königin fände.

 

Lied 2
Wechsel

 

1.
»Si koment underwîlent her
die baz dâ heime möhten sîn.
Ein ritter, des ich lange ger,
bedæt der baz den willen mîn,
Sô wære er ze allen zîten hie,
als ich in gerne sæhe.
owê, waz suochent die,
die nîdent daz, ob iemen guot geschæhe.«

2.
Mir ist geschehen, daz ich niht bin
langer frô wan unz ich lebe.
Si wundert wer mir schœnen sin
und daz hôchgemüete gebe,
daz ich ze der werlte niht getar,
ze rehte alsô gebâren.
nie genam ich frouwen war,
ich was in holt, die mir ze mâze wâren.

3.
Genâde suochet an ein wîp
mîn dienest nû vil manigen tac,
an einen alse guoten lîp
sie nôt ich gerne lîden mac.
Ich weiz wol, daz si mich geniezen lât
mîner stæte.
Wâ næme si sô bœsen rât,
daz si an mir missetæte?

4.
»Gnâden ich gedenken sol
an ime, der mînen willen tuot.
Sît er mir getriuwet wol,
sô will ich hœhen sînen muot.
Wes er mit rehter stæte frô!
ich sage ime liebiu mære,
daz ich in gelege alsô,
mich dûhte vil, ob ez der keiser wære.«

 
1.
»Sie kommen bisweilen hierher,
die besser daheim geblieben sein sollten!
Ein Ritter, nach dem ich mich seit langem sehne —
bedächte der besser meinen Willen,
so wäre er jederzeit hier,
wenn ich ihn gerne sehen würde.
Ach, was suchen dagegen diejenigen,
die es hassen, wenn jemand Gutes geschähe.«

2.
Mir ist etwas widerfahren, so daß ich nicht
länger froh bin, als solange ich lebe.
Sie wundern sich, wer mir höfischen Sinn
und das Hochgefühl gebe,
so daß ich vor der Welt nicht wage,
mich entsprechend zu betragen.
Nie nahm ich Damen wahr,
die mir gegenüber sich entsprechend verhielten.

3.
Erhörung sucht bei einer Frau
mein Dienst nun schon viele Tage.
Für ein so edles Wesen
kann ich diese Not gerne leiden.
Ich weiß wohl, daß sie mir zugute kommen läßt
meine Beständigkeit.
Woher nehme sie auch so schlechten Rat,
daß sie an mir übel handelte?

4.
»An Erhörung muß ich denken
bei ihm, der meinen Willen tut.
Da er mir aufrichtig treu ist,
so will ich sein Gemüt erhöhen.
Er sei in rechter Beständigkeit froh!
Ich sage ihm angenehme Kunde,
daß ich ihn so bette:
mich dünkte dies viel, wenn es der Kaiser wäre.«

 

Lied 3
Erweiterter Wechsel

 

1.
Ich hân vil ledeclîche brât
in ir genâde mînen lîp.
Und ist mir noch vil ungedâht,
daz iemer werde dehein ander wîp,
diu von ir gescheide mînen muot.
swaz diu werlt mir ze leide tuot,
daz belîbet von mir ungeklaget,
wan ir nîden
mohte ich nie sô wol erlîden.
ein liebez mære ist mir gesaget.

2.
Mir kumet eteswenne ein tac,
daz ich vor vil gedenken niht
gesingen noch gelachen mac.
Sô wænet maniger, der mich siht,
daz ich in grôzer swære sî.
mir ist vil lîhte ein fröide nâhe bî.
wil diu schœne triuwen pflegen
und diu guote,
so ist alsô wol mir ze muote,
alse der bî frouwen hât gelegen.

3.
»Ich wirde jæmerlîchen alt,
sol mich diu werlt alsô vergân,
daz ich deheinen gewalt
an mînem lieben friunde hân,
daz er tæte ein teil des willen mîn.
mich müet und sol ime ieman lieber sîn.
Bote nû sage ime niht mê,
wan mir ist leide
und führte des, saz sich scheide
diu triuwe, der wir pflâgen ê.«

4.
Möhte ich der werlte mînen muot
erzeigen als ich willen hân,
sô diuhte ez si vil lîhte guot,
ob ich durch si iht hân getân.
Nû enweiz ich, wie ich leben sol
und gedenke wie getuon ich wol.
Wil diu schœne triuwen pflegen
und diu guote,
sô ist mir alse wol ze muote
als der bî frouwen ist gelegen.

 
1.
Ich habe völlig frei
ihrer Gnade mein Leben ausgeliefert.
Und es ist mir jetzt noch ganz undenkbar,
daß es jemals irgend eine andere Frau geben werde,
die von ihr meinen Sinn abwende.
Was immer die Welt mir an Leid antut,
das bleibt von mir unbeklagt;
nur ihr Hassen
könnte ich nie ebenso ertragen.
Eine süße Nachricht wurde mir gesagt.

2.
Für mich kommt ab und zu ein Tag,
an dem ich vor lauter Nachdenken nicht
singen noch lachen kann.
So glaubt mancher, der mich sieht,
daß ich in tiefer Trauer sei.
Mir steht aber sehr wahrscheinlich eine Freude bevor:
Will die Schöne Treue üben
- und die Gute, -
dann bin ich gerade so hochgemut
wie der, welcher bei einer Frau gelegen ist.

3.
»Ich werde jammervoll alt,
sollte mich die Welt in der Weise aufgeben,
daß ich keine Gewalt
über meinen lieben Freund habe,
daß er einen Teil meines Willens erfüllte.
Mich quält, ob ihm jemand lieber sein könnte.
Bote, nun sage ihm nicht mehr,
als daß mir traurig zumute ist,
und daß ich fürchte, daß sich löse
die Treuebindung, die mir einstmals pflegten.«

4.
Könnte ich der Welt mein Inneres
offenbaren, wie ich willens bin,
dann schätzte sie es vielleicht für gut ein,
wenn ich etwa ihretwegen etwas geleistet habe.
Nun weiß ich nicht, wie ich leben soll,
und denke darüber nach, wie ich richtig handle.
Wird die Schöne ihr Versprechen halten
- und die Gute, -
dann bin ich gerade so hochgemut
wie der, welcher bei einer Frau gelegen ist.

 

Lied 4
Minneklage

 

1.
Wie ist ime ze muote wundert mich,
dem herzeclîche liep geschiht?
Er sælic man, da fröit er sich,
als ich wol wæne, ich enweiz ez niht.
Doch sæhe ich gerne wie er tæte,
ob er iht pflæge wunneclîcher stæte,
ime wesen von rehte bî.
Got gebe, daz ich erkenne noch wie solichen
lebenne sî.

2.
Ich weiz bî mir selben wol, daz ein zage
unsanfte ein sinnic wîp bestât.
Ich sach si, wæne ich, alle tage,
daz mich des iemer wunder hât,
daz ich niht redete, swaz ich wolte,
als ich sîn beginnen under wîlent solte.
sô gesweig ich, daz ich niht ensprach, wan
ich wol weste, daz nieman liep von ir geschach.

3.
Dô sprechen zît was wider diu wîp,
dô warp ich als ein ander man,
dô wart mir einiu alse der lîp,
von der ich niuwan leit gewan.
Dô wânde ich ie, si wolte ez wenden.
Bæte ich si noch, ich künde ez niht verenden,
nû hân ich mir ein leben genomen, daz sol,
ob got von himel wil, mir ze bezzern staten komen.

4.
Gewan ich ie deheinen muot,
der hôhe stuont, den hân ich noch.
Mîn leben dunket mich vil guot,
und ist ez niht, sô wæne ich es doch.
Ez tuot mir wol, waz wil ich sîn mêre,
und fürhte unrehten spott niht ze sêre
und kann wol lîden bœsen haz.
solte ich sîn alsô die lenge pflegen,
ich gerte sîn niemer baz.

5.
Ist daz mich dienest helfen sol,
als ez manigen hât getân,
sô gewinnet mir ir hulde wol
ein wille, den ich lange hân.
Der riet mir daz ich si bæte,
und zurnde sis, daz ich ez dannoch tæte.
Nû tuon ich ez, swaz sô mir geschiht,
in reiner wîse ein sælic wîp lâze ich sô lîhte niht.

6.
Mîn herze ist swære zaller zît,
swenne ich der schœnen niht ensihe.
Si mugen ez lâzen âne nît,
ob ich der wârheit im vergihe,
wan si mir wonet in mînem sinne,
und ich die lieben âne mâze minne -
nâher danne in dem herzen mîn.
Sine möhte von ir güete mir niht lange frömde sîn.

7.
Mich gerou noch nie, daz ich den sin
an ein sô schœne wîp verlie.
Ez dunket mich ein guot gewin.
Ir gruoz mich minneclîch enpfie.
Vil gerne ich ir des iemer lône.
si lebt mit zühten wünneclîchen schône,
der tugenden si geniezen sol.
Mir geviel in mînen zîten nie ein wîp sô rehte wol.

8.
Got hât gezieret wol ir leben,
alsô, daz michs genüegen wil,
und hât ze fröiden mir gegeben
an einem wîbe liebes vil.
Sol mir ir stæte komen ze guote,
daz gilt ich ir mit semelîchem muote,
und nîde nieman durch sîn heil, wand ich ze
wunsche danne hân der werlte mînen teil.

9.
»Ich lebte ie nâch der liute sage,
wan daz si niht gelîche jehent.
Als ich ein hôhez herze trage,
und si mich wolgemuoten sehent,
des spottet einer sêre,
der ander giht, mir sî diu fröide ein êre.
Nûn weiz ich, wem ich volgen sol.
Het ich wîsheit unde sin, sô tæt ich gerne wol.«

 
1.
Wie ist dem zumute, frage ich mich,
dem von Herzen kommende Liebe zuteil wird?
Er, der Glückliche, freut sich da,
wie ich wohl glaube – ich weiß es nicht.
Doch sähe ich gerne, wie er sich beträgt,
ob er etwa wonnereiche Beständigkeit übt;
die sollte ihm von Rechts wegen zugehören.
Gott gebe, das ich noch erfahre,
wie es um ein solches Leben bestellt ist.

2.
Ich weiß von mir selbst gut, daß ein Schüchterner
sich schwerlich an eine kluge Frau heranwagt.
Ich sah sie, glaube ich, alle Tage,
so daß es mich immerzu wundernimmt,
daß ich nicht sagte, was ich wollte,
wenn ich bisweilen damit anfangen sollte.
So schwieg ich still und sprach nicht, denn
ich wußte wohl, daß niemand von ihr Liebe erfuhr.

3.
Als es Zeit war, mit den Frauen zu sprechen,
da warb ich wie andere Männer, da wurde mir eine
so lieb wie das Leben, von der ich nichts als Leid
erfuhr. Damals hoffte ich immer, sie wolle es
abwenden. Bäte ich sie heute noch – ich könnte es
nicht zu einem guten Ende bringen.
Nun habe ich mir ein Leben erwählt, das soll, so Gott
im Himmel will, mir zu besseren Umständen verhelfen.

4.
Erlangte ich jemals einen Gemütszustand, der mich
hochgemut machte – den habe ich noch!
Mein Leben dünkt mich sehr gut, und ist es das nicht,
so glaube ich es doch.
Es behagt mir wohl, was will ich mehr von ihm,
und ich fürchte ungerechten Spott
nicht allzu sehr und kann wohl bösen Haß ertragen.
Sollte ich dies Leben in dieser Art weiterhin führen,
ich begehrte niemals ein besseres!

5.
Verhält es sich so, daß mir der Dienst helfen soll,
wie er machen geholfen hat,
so gewinnt mir ihre Gunst wohl
ein Wunsch, den ich seit langem hege.
Der riet mir, daß ich sie bäte, und zürnte sie deshalb -
daß ich es dennoch tun solle. Nun tue ich es,
was auch immer mir widerfährt, eine glückverheißende
Frau in reiner Art lasse ich so leicht nicht.

6.
Mein Herz ist allezeit bedrückt,
wenn ich die Schöne nicht sehe.
Sie können es ohne Mißgunst zulassen,
wenn ich ihm die Wahrheit eingestehe,
denn sie lebt in meinen Gedanken,
da ich die Liebe ohne Maßen minne -
tiefer drinnen als nur im Herzen. Sie sollte
ihrer Herzensgüte wegen mir nicht lange fern sein.

7.
Mich reute noch nie, daß ich mein Sinnen
einer schönen Frau auslieferte.
Dies dünkt mich ein großer Gewinn.
Ihr Gruß empfing mich herzlich.
Gar gerne lohne ich ihr dies immerdar.
Sie lebt auf höfische Art, freudenvoll und geziemend,
dieser Vorzüge soll sie sich erfreuen! Mir gefiel
zeit meines Lebens nie eine Frau so wirklich gut.

8.
Gott hat ihr Leben wohl ausgezeichnet,
so daß ich mich damit wohl zufrieden geben will,
und hat zur Freude mir gegeben
viel Liebenswertes durch eine Frau.
Wird mir ihre Beständigkeit zugute kommen -
das vergelte ich ihr mit gleicher Gesinnung,
und beneide niemand seines Glückes wegen, denn ich
habe dann nach Wunsch meinen Teil an der Welt.

9.
»Ich lebte immer nach dem Gebot der Leute,
nur daß sie sich nicht gleich äußern.
So oft ich ein frohes Herz habe
und sie mich wohlgemut sehen, spottet
der eine darüber kräftig, der andere behauptet,
mir gereiche diese Freude zur Ehre. Nun weiß ich
nicht, wem ich folgen soll. Hätte ich Weisheit
und Einsicht, dann handelte ich gerne richtig.«

 

Lied 5
Anti-Tagelied

 


1.
Sô ez iender nâhet gegen dem tage
sô getar ich niht gefrâgen >ist es tac?<
Daz kumet mir von sô grôzer klage,
daz ez mir niht ze helfe komen mac.
Doch gedenke ich wol, daz ich sîn anders pflac
hie vor, dô mir diu sorge niht sô ze herzen lac.
Iemer an dem morgen trœste ich mich der
vogele sanc. mire kome ir helfe an der zît,
mir ist beidiu sumer unde winter alze lanc.

2.
Ime ist wol, der mac gesagen,
daz er sîn liep in senenden sorgen lie.
Nû muoz aber ich ein anderz klagen:
Ich gesach ein wîp nâch mir getrûren nie.
Swie lange ich was, sô tet si doch daz ie.
diu nôt mir underwîlent rehte an mîn herze gie.
Und wære ich anders iemen alse unmære
manigen tac, deme het ich gelâzen den strît.
Diz ist ein dinc, des ich mich niht getrœsten mac.

3.
Diu Liebe hât ir varnde guot
alsô geteilet, daz ich den schaden hân.
Der nam ich mêre in mînen muot,
danne ich von rehte sollte haben getân,
Doch wæne ich, si ist von mir vil unverlân,
swie lützel ich der triuwen mich anderhalp
verstân. Si was ie mit fröiden, ich muose in
sorgen sîn. Alsô vergie mich diu zît.
Ez taget mir leider selten nâch dem willen mîn.

4.
Diu werlt verswîget mîniu leit
und saget vil lützel iemer, wer ich bin.
Ez dunket mich unsælichkeit,
daz ich mit triuwen allen mînen sin
bewendet hân, dar ez mich dunket vil
unde mir der besten eine des niht gelouben wil.
Ez wart von schulden nieman sô rehte wê.
Got helfe mir, daz ich mich bewar,
daz ich ûz ir hulden kome niemer mê.

5.
»Owê trûren unde klagen,
wie sol mir dîn mit fröiden iemer werden buoz?
Mir tuot vil wê, daz ich dich tragen muoz.
Die swære wendet nieman, er entuoz,
den ich mit triuwen meine, gehort ich sînen gruoz,
daz er mir nâhen læge, sôzergienge al mîn nôt.
Sîn fremden tuot mir den tôt
unde macher mir diu ougen dicke rôt.«

 


1.
Wenn es irgend auf den Tag zugeht,
dann wage ich nicht zu fragen >ist es Tag<?
Das kommt mir von so großem Leid,
daß dies mir nicht zu Hilfe kommen kann.
Doch erinnere ich mich wohl, daß ich es anders hielt,
vordem, als mir die Sorge nicht so auf dem Herzen lag.
Immer des Morgens tröste ich mich am Gesang der Vögel.
Kommt mir nicht ihre Hilfe zur rechten Zeit,
dauern mir beide, Sommer und Winter, allzu lange.

2.
Dem ist wohl, der sagen kann,
daß er seine Geliebte in liebender Sorge zurückließ.
Nun muß ich dagegen das Gegenteil beklagen:
Ich sah nie eine Frau nach mir sich traurig sehnen.
Wie lange ich auch schon lebe, so tat sie das doch nie.
Dies Leid schnitt mir manches Mal tief ins Herz.
Und wäre ich jemand anderem viele Tage lang ebenso gleichgültig
– dem hätte ich das Feld überlassen.
Dies ist eine Sache, über die ich nicht hinwegkommen kann.

3.
Die Liebe hat ihre bewegliche Habe
so verteilt, daß ich den Schaden habe.
Daraus nahm ich mehr in mein Herz auf,
als ich vernünftigerweise getan haben sollte.
Doch fürchte ich, sie wird von mir wohl niemals verlassen,
wie wenig ich an Treue ihrerseits auch gewärtigen kann.
Sie war immer bei den Freuden, ich mußte in Sorgen leben.
So überging mich die Zeit.
Es tagt mir leider selten nach meinem Willen.

4.
Die Welt verschweigt mein Leid
und sagt immer so gut wie nichts darüber, wer ich bin.
Es deucht mich Unheil,
daß ich in Treue all mein Sinnen
dorthin gerichtet habe, wo es mich viel deucht,
wenn mir auch eine der Besten dies nicht glauben will.
Es wurde mit Grund niemandem so wirklich weh!
Gott helfe mir, daß ich mich vorsehe,
damit ich nie mehr aus ihrer Gnade falle.

5.
»Ach, trauern und klagen!
Wie soll ich für dich jemals durch Freude entschädigt werden?
Mir tut sehr weh, daß ich dich ertragen muß,
du bist zu schwer, doch muß ich dich ertragen.
Dieses Leid nimmt niemand von mir, es sei denn, er täte es,
den ich in Treue liebe. Hörte ich ihn sagen,
daß er bei mir liegen wolle, dann verginge all meine Not.
Sein Fernsein gibt mir den Tod und macht mir die Augen oft rot.«

 

Lied 6
Minnevision

 

Ich wæne mir liebe geschehen wil:
mîn herze hebet sich ze spil,
ze fröiden swinget sich mîn muot,
alse der valke enfluge tuot
und der are ensweime.
joch liez ich friunde da heime.
Wol mich, vinde ich die
wol gesunt alse ich siu lie.
Vil guot ist daz wesen bî ir.
herre got gestate mir,
daz ich si sehen müeze
und alle ir sorge büeze,
obe sî in deheinen sorgen sî,
daz ich ir die geringe und si mir die mîne dâ bî.
Sô mugen wir fröide niezen.
ô wol mich danne langer naht! wie künde mich der verdriezen.

 
Ich glaube, mir wird Erfreuliches widerfahren:
Mein Herz macht sich auf zum Vergnügen,
zu Freuden schwingt sich mein Sinn auf,
wie der Falke im Flug
und der Adler im Dahinschweben!
Fürwahr, ich ließ Freunde daheim zurück:
Wohl mir, finde ich die
wohlbehalten, wie ich sie verließ!
Überaus angenehm ist es, bei ihr zu sein.
Herr Gott, gestatte mir,
daß ich sie sehen werde
und all ihre Sorge von ihr nehme,
falls sie in irgendwelchen Sorgen ist,
daß ich ihr diese verringere, und sie mir dabei die meine.
Dann können wir Freude genießen!
O wohl mir dann der langen Nacht! Wie könnte ich der überdrüssig werden!

 

Lied 7
Minneklage

 


1.
Ich alte ie von tage ze tage
und bin doch hiure nihtes wîser danne vert.
Und het ein ander mîne klage,
deme riet ich sô, daz ez der rede wære wert,
und gib mir selben bœsen rât.
Ich weiz vil wol, waz mir den schaden gemachet hât,
daz ich si nie verheln kunde, swaz mir war,
des hân ich ir geseit sô vil,
daz si ez niht mêre hœren wil.
Nû swîge ich unde nîge dar.

2.
Sô vil als ich gesanc nieman,
der anders niht enhæte wan einen blôzen wân.
Durch daz ich nû niht mêre kan,
des wunder niemen, mir hât zwivel, den ich hân,
allez daz ich kunde gar genomen.
Wenne sol mir iemer spilnde fröide komen?
noch sæhe ich mich gerne in hôhem muote als ê.
Mich enscheide ein wîp von dirre klage
und spreche ein wort, daz ich ir sage,
mir ist anders iemer wê.

3.
Und enwisse ich niht, daz si mich mac
wider al die werlt wert gemachen, ob si wil,
ich gediende ir niemer einen tac,
sus hât si tugende, den ich iemer volgen wil.
Langer niht wan al die wîle ich lebe,
sô bitte ich si, daz si mir ein liebez ende gebe.
Waz hilfet daz? ich weiz wol, daz siz niht entuot.
Nû tuo ez durch den willen mîn
und neme mîne rede für guot
und lâze mich ir tôren sîn.

4.
Ich wânde ie, ez wær ir spot,
die ich von minnen grôzer swære hôrte jehen.
Des engilte ich sêre, semmir got,
sît ich die wârheit an mir selben hân ersehen.
Mir ist komen an daz herze mîn
ein wîp, sol ich der vol ein jâr unmære sîn,
unde sol daz iemer alse lange stân,
daz si mîn niht nimet war,
sô muoz mîn fröide von ir gar
vil lîhte ân allen trôst zergân.

5.
Sît mich mîn sprechen nû niht kan
gehelfen noch gescheiden von der swære mîn,
sô wolte ich, daz ein ander man
die mîne rede hete zuo der sælde sîn,
und iedoch niht an die stat,
dar ich nu lange bitte und her mit triuwen bat.
dar engan ich nieman heiles, swenne ez mich vergât.
Nû gedinge ich ir genâden wol.
Waz si mir âne schulde doch
langer tage gemachet hât.

 

1.
Ich werde von Tag zu Tag immer älter und bin
doch heuer um nichts klüger als letztes Jahr.
Und hätte ein anderer meinen Grund zur Klage,
dem riete ich so, daß meine Rede zu etwas nütze wäre,
und doch gebe ich mir selbst schlechten Rat.
Ich weiß recht gut, was mir den Schaden zugefügt hat:
daß ich ihr nie verbergen konnte, was mich bekümmerte;
davon habe ich ihr so viel gesagt,
daß sie es nicht mehr hören will.
Nun schweige ich und verneige mich vor ihr.

2.
So viel wie ich hat niemand gesungen,
der nichts anderes besaß als eine bloße Hoffnung.
Deshalb kann ich jetzt nicht mehr singen,
darüber wundere sich niemand: mir hat der Zweifel, den ich habe,
alles, was ich wußte, ganz geraubt.
Wann wird mir jemals Liebesfreude zuteil werden?
Noch heute sähe ich mich gerne hochgemut wie früher!
Befreit mich nicht eine Frau von dieser Not
und spricht ein Wort, das ich ihr vorsage,
dann ist mir eben immer weh ums Herz.

3.
Und wüßte ich nicht, daß sie mich kann von
der ganzen Welt angesehen machen. wenn sie will —
ich diente ihr nie auch nur einen Tag,
in solchem Grade besitzt sie gute Eigenschaften, denen ich immer nachstreben will,
länger nicht, als solange ich lebe,
bitte ich sie, daß sie mir ein angenehmes Ziel setze.
Was hilft das – ich weiß wohl, daß sie es nicht tut.
Nun möge sie es meinetwegen so halten
und meine Rede eben hinnehmen
und mich ihren Toren sein lassen.

4.
Ich glaubte immer, es sei ein Scherz,
wenn ich jemand vom großen Leid der Liebe sprechen hörte.
Dafür büße ich schmerzlich, bei Gott,
nachdem ich die Wahrheit an mir selbst erkannt habe:
Mir ist in mein Herz eingedrungen
eine Frau — sollte ich der ein volles Jahr lang gleichgültig sein,
und sollte das jemals ebenso lange sein,
daß sie mich nicht wahrnimmt,
so muß meine Freude durch sie
möglicherweise völlig ohne allen Trost vergehen.

5.
Da mir mein Sprechen nun nicht
helfen kann, noch mich von meinem Leid befreien,
so wünschte ich, daß ein anderer Mann
über meine Sprache zu seinem Heil verfügte,
aber jedoch nicht an dem Orte,
wo ich nun schon seit langem bitte und bisher in Treue bat!
Dort gönne ich niemandem Glück, auch wenn es mir entgeht.
Nun erhoffe ich wohl ihre Gnade.
Was hat sie mir ohne Verschulden
an langen Tagen beschert!

 

Lied 8
Minneklage

 

1.
Vil sælic wart er ie geborn,
dem disiu zît genædeclîchen hine gât,
âne aller slahte sende zorn,
und er ein teil darunder sînes willen hât.
Wie dem nû nâhet manic wunneclîcher tac,
wiw lützel er mir, sælic man, gelouben mac,
daz ich ûf sorge bin verdâht
und wirde ouch niemer rehte frô.
mich hat ein liep in trûren brâht.
daz ist unwendig, ez sî sô.

2.
Ich wil von ir niht ledic sîn,
die wîle ich iemer gerenden muot ze der werlte hân.
Daz beste gelt der fröiden mîn,
daz lît an ir und aller mîner sælden wân.
Swenne ich daz verliuse, sô enhân ich niht,
und enruoche ouch für den selben tac, swaz mir geschiht.
Ich mac wol sorgen umbe ir leben:
stirbet si, sô bin ich tôt!
hât si mir anders niht gegeben,
sô erkenne ich doch wol sende nôt.

3.
Gnâde, ist endelîche dâ!
Diu erzeige sich, ob ez an mir genâden sî.
Ich versuoch ez niender anderswâ,
von ir gebote wil ich niemer werden frî.
Daz siu dâ sprechent von verlorner arebeit,
sol daz der mîner einiu sîn, daz ist mir leit.
Ich wânde niht, dô ich sîn began,
ich gesæhe an ir noch lieben tac.
Ist mir da misselungen an,
doch gab ichz wol als ez da lac.

4.
Daz ich mîn leit sô lange klage,
des spottet die, den ir gemüete hôhe stât.
Waz ist in liep, daz ich in sage?
waz sprichet der von fröiden, der deheine hât!
Wolte ich liegen, sôst mir wunders vil geschehen.
sô trüge aber ich mich âne nôt, solt ich des jehen.
wan lânt si mich erwerben daz,
dar nâch ich ie mit triuwen ranc?
stê iemen danne ein lachen baz?
Daz gelte ein ouge und habe er doch danc.

 

1.
Sehr glücklich wurde jeweils derjenige geboren,
dem diese Zeit gnadenvoll hingeht,
ohne jede Art von sehnsuchtsbedingter Aufregung,
wenn ihm dabei zum Teil sein Wille erfüllt wird.
Wie dem sich nun manch wonnereicher Tag naht,
so wenig kann er, der glückliche Mann, mir glauben,
daß ich auf Sorge festgelegt bin,
und ich werde auch nie mehr so recht froh.
Mich hat eine Liebe zum Traurigsein gebracht,
das ist unabwendbar – sei es eben so.

2.
Ich will von ihr nicht frei sein,
solange ich jemals sehnsüchtige Erwartungen auf die Welt richte.
Die beste Verwirklichung meiner Freuden —
die liegt bei ihr, wie auch die Hoffnung für all mein Glück.
Und es ist mir an diesem Tag auch gleichgültig,
was immer mir geschieht.
Ich muß wohl um ihr Leben besorgt sein:
stirbt sie, dann bin ich tot!
Hat sie mir auch nichts anderes gegeben,
so kenne ich doch wenigstens Liebesnot.

3.
Gnade ist schließlich da!
Die erweise sich, wenn es bei ihr Gnade gibt.
Ich versuche es nirgendwo anders,
von ihrer Herrschaft will ich niemals frei werden!
Was sie da sprechen von verlorener Mühe,
sollte das bei meiner allein zutreffen – das wäre mir leid.
Ich erwarte nicht, als ich damit begann,
daß ich durch sie noch einen freundlichen Tag erblickte.
Ist es mir mißlungen,
so gab ich es doch gerne, wie es nun einmal stand.

4.
Daß ich mein Leid so lange beklage.
darüber spotten die, denen ihr Sinn hoch steht.
Was ist ihnen lieb, daß ich ihnen sage?
Was spricht der von Freuden, der keine hat!
Wollte ich lügen, dann ist mir viel Wunderbares widerfahren.
Dann betrüge ich mich aber ohne Not, sollte ich dies behaupten.
Warum lassen sie mich das nicht erwerben,
wonach ich immer in Treue strebte?
Stünde dann jemand ein Lachen besser an?
Das wäre mir ein Auge wert – und er erhielte dennoch Dank.

 

Lied 9
 

Ich bin der sumerlangen tage sô frô,
daz ich nû hügende worden bin.
Ouch stât mîn herze und mîn wille alsô,
ich minne ein wîp, dâ muoz ich hin.
Diu ist hôhgemut und nihr sô schœne,
daz ich si dâ von vor andern wîben krœne.
will aber ich von ir tugenden sagen,
des wirt sô vil, daz ich sîn niemer darf gedagen.

 
Ich bin über die sommerlangen Tage so froh,
daß ich nun hoffnungsvoll geworden bin.
Ebenso steht es um mein Herz und meinen Willen:
ich liebe eine Frau, dort muß ich hin.
Diese ist hochgesinnt, jedoch nicht so schön,
daß ich sie deshalb vor anderen Frauen kröne;
wollte ich aber von ihren inneren Vorzügen sprechen —
das würde so viel, daß ich darüber nie mehr zum Schweigen käme!

 

Lied 10
Frauenpreislied

 

1.
Swaz ich nu niuwer m
ære sage,
des sol mich nieman frâgen: ich enbin niht frô.
Die friunde verdriuzet mîner klage,
swes man ze vil geh
œret, dem ist allem alsô.
Nû hân ich sîn beidiu, schaden unde spot.
waz mir doch leides unverdienet, daz erkenne got,
und âne schulde geschiht!
ichn gelige herzeliebe bî,
ez hât an mînen fröiden nieman niht.

2.
Die hôchgemuoten zîhent mich,
ich minne niht sô sêre, als ich gebâre, ein wîp.
Siu liegent und unêrent sich:
si was mir ie gelîcher mâze sô der lîp.
Nû getrôste si darunder mir nie den muot.
der ungenâden muoz ich und des si mir noch getuot
erbeiten als ich mac.
mir ist eteswenne wol geschehen —
gewinne aber ich nû niemer guoten tac?

3.
Sô wol dir, wîp, wie reine ein name!
wie senfte du ze nennen und zerkennen bist.
Ez wart nie niht sô rehte lobesame,
dâ du ez an rehte güete kêrest, sô du bist.
Dîn lop mit rede nieman wol vol enden kan.
swes du mit triuwen pfligest, wol ime, der ist ein s
ælic man
und mac vil gerne leben.
du gîst al der werlte hôhen muot,
maht ouch mir ein wênic fröide geben?

4.
Ich hân ein dinc mir fürgeleit,
daz strîtet mit gedanken in dem herzen mîn:
Obe ich ir hôhe werdekeit
mit mînem willen wolte lâzen minre sîn,
Alde ob ich wolte, daz si gr
œzer sî
und si vil reine s
ælic wîp stê mîn und aller manne frî.
siu tuont mir beidiu wê,
ich enwirde ir lasters niemer frô,
vergêt si aber mich, daz klage ich iemer mê.

5.
Ob ich nu tuon und hân getân,
daz ich von rehte in ir hulden sollte sîn
und si vor aller werlte hân,
waz mag ich des, vergizzet si darunder mîn.
Swer nû giht, daz ich ze spotte künne klagen,
der lâze im mîn rede beide singen unde sagen
und merke und sage ez frî,
jô wâ ich ie spræche ein wort,
ezn lige ê ichz gespræche herzen bî.

 
1.
Was immer ich jetzt an Neuem verkünde,
danach braucht mich niemand fragen: ich bin nicht froh!
Die Freunde verdrießt meine Klage - wovon man
zu viel hört, damit ist es immer so.
Nun habe ich deswegen beides, Schaden und Spott.
Was mir doch an Leid unverdient, -das möge Gott erkennen -
und ohne Schuld widerfährt!
Liege ich nicht bei der Herzenslieben,
so hat niemand Freude von mir.

2.
Die Hochmütigen bezichtigen mich,
ich liebe eine Frau nicht so sehr, wie ich mich gebärde.
Sie lügen und entehren sich:
sie war mir immer genau so lieb wie das Leben.
Nur tröstete sie mir bisher nie den Sinn;
diese Ungnade und auch das, was sie mir noch antut, muß ich
erdulden, so gut ich kann.
Mir ist vormals Gutes widerfahren —
erlebe ich dagegen jetzt nie mehr einen guten Tag?

3.
Heil dir, Frau - welch reines Wort!
Wie wohltuend du auszusprechen und zu erkennen bist!
Es gab niemals etwas so zu Recht Lobenswertes,
wenn du Dich mit wahrer Güte verbindest, wie es deine Natur ist.
Dein Lob kann niemand mit Worten voll erfassen.
Wessen du dich in Treue annimmst, wohl ihm, der ist ein glücklicher Mann
und kann sehr freudvoll leben.
Du gabst der ganzen Welt hohen Sinn —
kannst du auch mir ein wenig Freude geben?

4.
Ich habe mir einen Fall vorgelegt,
der streitet mit Gedanken in meinem Herzen:
Ob ich ihren hohen Wert,
willentlich wollte geringer erscheinen lassen,
oder ob ich wollte, daß er noch größer sei
und sie, die reine, selig zu sprechende Frau, von mir und allen Männern unbehelligt sei.
Sie tun mir beide weh:
Ich würde über ihre Ehrenkränkung nie mehr froh,
übergeht sie mich aber - das beklage ich immerzu.

5.
Wenn ich das nun tue und getan habe,
wodurch ich von Rechts wegen in ihrer Gunst sein sollte
und sie über alles in der Welt erhebe —
was kann ich dafür, vergißt sie mich gleichwohl.
Wer nun sagt, daß ich zum Scherz klagen könne,
der lasse sich mein Gedicht vorsingen und vorsagen
und merke auf und sage es frei heraus —
fürwahr, wo ich je ein Wort gesagt,
das nicht, ehe ich es ausgesprochen, am Herzen gelegen hätte.

 

Lied 11
Frauenpreislied

 

1.
Ich wirbe umbe allez, daz ein man
ze werltlîchen fröiden iemer haben sol:
Daz ist ein wîp, der ich enkan
nâch ir vil grôzem werde niht gesprechen wol.
Lobe ich si, sô man ander frouwen tuot,
daz genimet si niemer tac von mir für guot.
doch swer ich des, si st an der stat,
dâs ûz wîplîchen tugenden nie fuoz getrat.
daz ist in mat.

2.
Alse eteswenne mir der lîp
durch sîne bœse unstæte râtet, daz ich var
und mir gefriunde ein ander wîp,
sô wil iedoch daz herze niender wan dar.
Wol ime des, daz ez sô rehte welen kan
und mir der süezen arbeite gan.
doch hân ich mir ein liep erkorn,
deme ich ze dienst, und wær ez al der werlte zorn,
wil sîn geborn.

3.
Unde ist daz mirs mîn sælde gan,
daz ich abe ir wol redendem munde ein küssen mac versteln,
gît got daz ich ez bringe dan,
sô wil ich ez tougenlîchen tragen und iemer heln.
und ist, daz siz für grôze swære hât
und vêhet mich durch mîne missetât,
waz tuon ich danne, unsælic man?
dâ nim eht ichz und trage ez hin wider, dâ ichz dâ nan,
als ich wol kan.

4.
Si ist mir liep, und dunket mich,
wie ich ir volleclîche gar unmære sî.
Waz darumbe? daz lîde ich.
ich was ir ie mit stæteclîchen triuwen bî.
Nû waz, ob lîhte ein wunder an ir geschiht,
daz si mich eteswenne gerne siht?
sâ denne lâze ich âne haz,
swer giht, daz ime an fröiden sî gelungen baz.
Der habe im daz.

5.
Diu jâr, diu ich noch ze lebenne hân,
swie vil der wære, ir wurde ir niemer tag genomen.
Sô gar bin ich ir undertân,
daz ich niht sanfte ûz ir gnâden mohte komen.
Ich fröiwe mich des, daz ich ir dienen sol,
si gelônet mir mit lîhten dingen wol.
geloube eht mir, swenne ich ir sage
die nôt, die ich an dem herzen trage
dicke an dem tage.

 
1.
Ich strebe nach allem, was ein Mann
an weltlichen Freuden immer haben muß:
Das ist eine Frau, die ich nicht
ihrem übergroßem Wert gemäß rühmen kann.
Lobe ich sie, wie man andere Damen lobt,
das nimmt sie mir niemals als angemessen ab.
Doch schwöre ich dies: Sie steht an der Stelle,
wo sie aus dem Bereich weiblicher Tugenden nie einen Fuß setzte.
Das heißt für euch >matt<!

2.
Wenn zuweilen mir der Leib
in seinem üblen Wankelmut rät, daß ich fortziehe
und mir eine andere Frau als Freundin nehme,
so will jedoch das Herz nirgends anders hin als dorthin wo sie ist.
Wohl ihm, daß es so richtig wählen kann
und mir die süße Mühsal gönnt!
Denn schließlich habe ich mir eine Liebe erwählt,
der ich zum Dienst – und wäre es der ganzen Welt zum Unwillen —
geboren sein will.

3.
Und ist es an dem, daß mir's mein Glück vergönnt,
daß ich von ihrem wohl-redenden Mund, einen Kuß stehlen kann,
und gibt Gott, daß ich ihn davonbringe,
so will ich ihn heimlich tragen und immer verbergen.
Und ist's an dem, daß sie dies für eine große Schmach hält
und mich wegen meiner Missetat anfeindet —
was tue ich dann, ich unglücklicher Mann?
Da nehme ich ihn eben und trage ihn wieder dahin zurück, wo ich ihn wegnahm,
so gut ich eben kann.

4.
Sie ist mir lieb, jedoch dünkt mich,
daß ich ihr ganz und gar gleichgültig bin.
Was soll's! Das leide ich!
Ich war ihr immer in beständiger Treue nahe.
Nun was dann, wenn vielleicht ein Wunder mit ihr geschieht,
so daß sie mich zuweilen gerne sieht?
Sofort lasse ich dann den frei von Neid,
der sagt, daß ihm besser gelungen sei, Freuden zu erlangen.
Der halte sich daran.

5.
Die Jahre, die ich noch zu leben habe
– wieviel derer sein mögen – ihr würde davon kein Tag entzogen.
So gänzlich bin ich ihr untertan,
daß ich nicht leichthin aus ihrer Gnade kommen möchte.
Ich freue mich darüber, daß ich ihr dienen darf,
sie lohnt mir durchaus mit geringen Dingen.
Sie möge mir nur glauben, wenn ich ihr sage
von der Not, die ich im Herzen trage
oft am Tage.

 

Lied 12
Minneklage

 

1.
Daz beste, daz ie man gesprach
oder iemer mê getuot,
daz hât mich gemachet rehtelôs.
Got weiz wol, sît ich si erste gesach,
so het ich ie den muot,
daz ich für si nie dehein wîp erkôs.
Kunde ich mich daran haben gewendet,
dâ man ez dicke erbôt
mînem lîbe rehte als ich wolte,
ich hete eteswaz volendet.
Ich rüeme âne nôt
mich der wîbe mêre danne ich sollte.
War sint komen die sinne mîn?
sol ez mir wol erboten sîn?
Hân ich tumber gouch sô verjehen?
swaz des wâr ist, daz muoz noch geschehen.

2.
Ein rede ist alsô nâhe komen,
daz si êrst frâget des,
waz genâden sî, der ich dâ ger.
Wil si des nû niht haben vernomen,
sô nimet mich wunder, wes
ich sô maniger swære niht enber,
diu mir alsô dicke nâhen
an dem herzen sint,
daz ich iemer tag frô belîbe,
sol mich der kumber niht vervâhen.
tæte ez danne ein kint,
daz sus iemer lebete nâch wîbe,
dem wolte ich wol wîzen daz.
mac ich mich noch bedenken baz,
und næme von ir gar den muot?
neinâ herre, joch ist si sô rehte guot.

3.
Het ich der guoten ie gelogen,
sô grôz als umbe ein hâr,
sô lite ich von schulden ungemach.
Ich weiz wol, waz mich hât betrogen:
dô seit ich ir ze gar
allez, daz mir ie von ir geschach,
und erbôt mich ir ze sêre.
dô si daz vernam,
daz ich durch nôt von ir niht komen kunde,
sît was si mir iemer mêre
in ir herzen gram
und erbôt mir leit ze aller stunde.
Alsô hân ich si verlorn.
nu wil si, dêst ein niuwer zorn,
daz ich si der rede gar begebe.
Weiz got, niemer al die wîle ich lebe.

4.
Swie dicke ich in den sorgen doch
des morgens bin betaget,
sô ez allez slief, daz bî mir lac!
Die enwissen noch enwizzent noch,
war mich mîn herze jaget:
dar ez vil unsanfte komen mac,
wan si enlât mich von ir scheiden
noch bî ir bestên,
ie dar under muoz ich gar verderben.
mit den listen, wæne ich, beiden
wil si mich vergên.
hœrent wunder kann si alsô werben?
Nein si, weiz got, si enkan!
ich hân si ein teil gelogen an:
si getet ez nie wan durch daz,
daz si mich wil versuochen baz.

5.
Dô Liebe kom und mich bestuont,
wie tet Genâde sô,
daz si ez niht endelîch beschiet?
Dô tet ich als alle tuont,
die gerne wæren frô,
wan der Trôst vil manigen wol beriet.
Daz si mir daz selbe tæte!
inrehalp der tür
hât si hiute leider sich verborgen.
mac si sehen an mîne stæte
und gê durch got her für
unde lœse mich von mînen sorgen.
Wan ich hân mit guoten siten
vil kumberlîche her gebiten,
ob sich diu guote niht entstât.
ôwê gewaltes, den si an mir begât.

 
1.
Das Beste, das je ein Mann sagte
oder jemals sagen wird,
das hat mich rechtlos gemacht.
Gott weiß wohl – seit ich sie zum ersten Mal sah,
da hatte ich hinfort den Willen,
daß ich statt ihrer nie irgendeine andere Frau wählte.
Könnte ich mich doch dorthin gewendet haben,
wo man es mir oft antrug —
mir! — gerade so, wie ich es wollte,
ich hätte etwas erreicht!
Ich rühme ohne Grund
mich der Frauen, mehr als ich sollte.
Wohin ist mein Verstand gekommen?
Soll es mir etwa angeboten werden?
Habe ich dummer Tor so daneben gesprochen?
Was davon wahr ist, das muß noch geschehen.

2.
Eine Rede ist so gut angekommen,
daß sie zum ersten Mal danach fragt,
was das für eine Gnade sei, die ich da begehre.
Will sie dies bis jetzt nicht vernommen haben,
dann nimmt mich wunder, weshalb
ich von so manchem Leid nicht frei bin,
das mir so oft nahe
am Herzen liegt,
so daß ich für jeden Tag froh bin,
an dem mich der Kummer nicht umfängt.
Handelte so jemals ein junger Mensch,
der immer in Sehnsucht nach einer Frau lebte,
dem wollte ich das wohl verweisen.
Kann ich mich noch heute besser besinnen
und wendete von ihr gänzlich meinen Sinn?
Nein, nein, Herr! Ist sie doch so ganz ohne Makel!

3.
Hätte ich die Edle jemals angelogen,
so geringfügig wie ein Haar,
so erlitte ich mich Recht Ungemach.
Ich weiß wohl, was mich verführt hat:
damals sagte ich ihr zu klar
alles, was mir je von ihr zugefügt wurde,
und bot mich ihr zu offen an.
Als sie das vernahm,
daß ich notgedrungen von ihr nicht wegkommen könnte —
seitdem war sie mir um so mehr
in ihrem Herzen gram
und bereitete mir Leid zu jeder Stunde.
So habe ich sie verloren.
Nun will sie, das ist eine neue Aufwallung,
daß ich sie mit Reden ganz verschone.
Weiß Gott – niemals, so lange ich lebe!

4.
Wie oft ich doch in Sorgen
des morgens den Tag erlebte,
während alles schlief, was bei mir lag!
Die wußten nicht, noch wissen sie jetzt,
wohin mich mein Herz jagt:
dahin, wohin es recht schwer kommen kann,
denn sie läßt mich nicht von ihr scheiden,
noch bei ihr bleiben:
Immer dazwischen, muß ich gänzlich verderben.
Mit den beiden Mitteln, glaube ich,
will sie mich zugrunde richten.
Hört Verwunderliches – kann sie so handeln?
Nein, weiß Gott, sie kann nicht!
Ich habe ein wenig über sie gelogen:
Sie tat dies nie, außer deshalb,
weil sie mich auf die Probe stellen will.

5.
Als die Liebe kam und mich überfiel,
was tat die Gnade da,
daß sie dies nicht endlich schlichtete?
Da handelte ich wie alle handeln,
die gerne glücklich wären,
denn der Trost riet gar manchem wohl dazu.
Daß sie mir doch dasselbe zuteil werden ließe!
Hinter der Tür
hat sie heute leider sich verborgen.
Kann sie meine Treue erblicken,
dann trete sie um Gottes Willen hervor
und erlöse mich von meinen Sorgen!
Denn ich habe mit höfischem Anstand
recht kummervoll bisher gewartet,
ob die Edle dies nicht einsieht.
Ach über die Macht, die sie über mich hat!

 

Lied 13
Minneklage

 

1.
Ich weiz den weg nû lange wol,
der von der liebe gât unz an daz leit.
Der ander, der mich wîsen sol
ûz leide in liebe, der ist mir noch unbereit.
Daz mir von gedanken ist alse unmâzen wê,
des überhœre ich vil und tuon als ich des niht verstê.
gît minne niuwan ungemach,
so müeze minne unsælic sîn.
die selben ich noch ie in bleicher varwe sach.

2.
Ein wîse man sol niht ze vil
sîn wîp versuochen noch gezîhen, dâst mîn rât,
von der er sich niht scheiden wil,
und si der wâren schulde ouch deheine hât.
Swer will al der werlte lüge an ein ende komen,
der hât ime ân nôt ein vi herzeclîchez leit genomen.
man sol bœse rede verdagen
und frâge ouch nieman lange des,
daz er ungerne hœre sagen.

3.
Siu jehent, daz stæte sî ein tugent,
der andern frouwe, wol im der sîn habe.
Si hât mit stæte in mîner jugent
mir gebrochen mit ir schœnen zühten abe,
daz ich si unz an mînen tôt niemer mê gelobe.
ich sihe wol, swer nû vertr sêre wüente als er tobe,
daz den diu wîp noch minnent ê
danne einen man, der des niht kan.
ich gesprach in nie sô nâhe mê.

4.
War umbe füeget diu mir leit,
von der ich hôhe sollte tragen den muot?
Jô, wirbe ich niht mit kündekeit
noch durch versuochen als iedoch vil maniger tuot.
Ich wart nie rehte frô, wan alse ich si sach,
und gie von herzen gar, swaz mîn munt ie wider si gesprach.
sol nû diu triuwe sîn verlorn,
so darf eht nieman wunder nehmen,
hân ich underwîlent einen kleinen zorn.

5.
Des einen und dekeines mê
wil ich ein meister sîn, al die wîle ich lebe,
daz lob wil ich, daz mir bestê
und mir die kunst diu werlt gemeine gebe:
Daz nieman sîn leit sô schône kan getragen.
des begêt ein wîp an mir, daz ich naht noch tac niht kan gedagen.
nu hân eht ich sô senften muot,
daz ich ir haz ze fröiden nime.
ôwê, wie rehte unsanfte daz mir doch tuot.

6.
Ez tuot ein leit nâch liebe wê,
sô tuot ouch lîhte ein liep nâch leide wol.
Swer welle, daz er frô bestê,
daz eine er durch daz ander lîden sol,
mit bescheidenlîcher klage und gar ân arge site.
zer werlte ist niht sô guot, daz ich ie gesach, sô guot gebite.
Swer die gedulteclîchen hât,
der kam des ie mit fröiden hin.
Alsô dinge ich, daz mîn noch werde rât.

 
1.
Ich kenne den Weg nun seit langem gut,
der von der Freude bis zum Leid führt.
Der andere der mich führen soll
aus Leid zur Freude, der ist mir noch ungebahnt.
Daß mir von Gedanken so ohne Maßen weh ist,
das übergehe ich meist und tue so, als ob ich dies nicht verstehe.
Gibt Minne nichts als Unglück,
dann möge Minne verflucht sein!
Eben diese sah ich noch immer in bleicher Farbe.

2.
Ein weiser Mann soll nicht zu sehr
seine Frau auf die Probe stellen noch beschuldigen, das ist mein Rat,
von der er sich nicht trennen will,
und die auch keine echte Schuld hat.
Wer der Lügenhaftigkeit der ganzen Welt ein Ende machen will,
der hat ohne Not ein herzbedrückendes Leid auf sich genommen.
Man soll zu übler Rede schweigen,
und man frage auch niemand lange nach dem,
was er ungern sagen hört.

3.
Sie sagen, daß Beständigkeit eine Tugend sei —
der andern Herrin. Wohl dem, der sie besitzt!
Sie hat mit Beständigkeit in meiner Jugend
mir geschadet mit ihrer höfischen Sittsamkeit,
daß ich sie bis zu meinem Tod nie mehr loben werde.
Ich sehe wohl – wer sich nun sehr verrückt aufführt, als tobe er,
daß den die Frauen noch eher lieben
als einen Mann, der dies nicht kann.
Ich habe ihnen dies nie so offen gesagt.

4.
Warum fügt die mir Leid zu,
durch die ich meinen Sinn hoch tragen sollte?
Führwahr, ich werbe nicht mit Kunstfertigkeit,
noch um sie auf die Probe zu stellen, wie es doch so mancher macht.
Ich wurde nie recht froh, außer wenn ich sie sah,
und es kam ganz von Herzen, was mein Mund je zu ihr sagte.
Soll nun diese Aufrichtigkeit verloren sein,
dann darf es wirklich niemand wundernehmen,
wenn ich bisweilen einen kleinen Zorn habe.

5.
In dem einen und keinem andern mehr
will ich ein Meister sein, solange ich lebe,
von diesem Lob will ich, daß es mir zustehe
und daß mir diese Kunst die Welt einmütig zuspreche:
daß niemand sein Leid so mit Würde tragen kann.
Dies fügt mir eine Frau zu, so daß ich weder Nacht noch Tag schweigen kann.
Nun habe ich aber ein so demütiges Herz,
daß ich ihre Feindschaft als Freude hinnehme.
Ach, wie so recht schmerzlich mir das doch ist!

6.
Es tut Leid nach Freude weh,
ebenso tut vielleicht auch Freude nach Leid wohl.
Wer will, daß er froh bleibe,
muß das eine um des andern willen leiden,
mit einsichtiger Klage und ganz ohne übles Gebaren.
Auf der Welt ist nichts, was ich auch je gesehen habe, so gut wie angemessenes
Ausharren. Wer das geduldig übt,
der kam damit immer mit Freuden voran.
Ebenso hoffe ich, daß auch mir noch geholfen werde.

 

Lied 14
Minneklage

 

1.
Mich hœhet, daz mich lange hœhen sol,
daz ich nie wîp mit rede verlôs.
Sprach in iemen anders denne wol,
daz was ein schult, die ich nie verkôs.
In wart nie man sô gar unmære,
der ir lop sô gerne hœrte und dem ir genâde lieber wære.
iedoch hânt siu den dienest mîn,
wan al mîn trôst und al mîn leben, daz muoz an einem wîbe sîn.

2.
Wie mac mir iemer iht sô liep gesîn,
deme ich sô lange unmære bin?
Lîde ich die liebe mit dem willen mîn,
sô hân ich niht ze guoten sin.
Ist aber, daz ich ez niht mac erwenden,
sô mohte mir ein wîp ir rât wol enbieten und ir helfe senden,
und lieze mich verderben niht.
ich hân noch trôst, swie klein er sî: swaz geschehen sol, daz geschiht.

3.
In disen bœsen ungetriuwen tagen
ist mîn gemach niht guot gewesen.
Wan daz ich leit mit zühten kan getragen,
ich enkunde niemer sîn genesen.
Tæte ich nâch leide als ichz erkenne,
siu liezen mich vil lîhte, die mich dâ gerne sâhen eteswenne
und mir vil sanfte wâren bî.
Nû muoz ich fröide nœten mich, durch daz ich bî der werlte sî.

4.
Der ie die werlt gefröite baz danne ich,
der müeze mit genâden leben.
Der tuoz ouch noch, was sîn verdriuzet mich,
mir hât mîn rede niht wol ergeben:
Ich diende ie, mir lônde niemen.
daz truog ich alsô, daz mîn ungebærde sach lützel iemen,
und daz ich nie von ir geschiet.
si sælic wîp enspreche >sing<, niemer mê gesinge ich liet.

5.
Ich sach si, wær ez al der werlte leit,
die ich doch mit sorgen hân gesehen.
Wol mich sô minneclîcher arebeit,
mir erkunde niemer baz geschehen.
Darnâch wart mir vil schiere leide,
ich schiet von ir, daz niemer man von wîbe mit der nôt gescheide,
und daz mir nie sô wê geschach.
owê, dô ich dannen muoste gân, wie jæmerlîch ich umbesach.

6.
Owê, daz ich einer rede vergaz,
daz tuot mir hiute und iemer wê.
Dô si mir âne huote vor gesaz,
warumbe redete ich dô niht mê?
Dô was eht ich sô frô der stunde
unde ouch der wîle, daz man der guoten mir ze sehenne gunde,
daz ich vor liebe niene sprach.
ez mohte ouch manne noch geschehen, der si sæhe, als ich si sach.

 
1.
Mich erhebt, was mich lange Zeit erheben soll:
daß ich nie eine Frau durch Reden verlor.
Sprach von ihnen einer anders als gut —
das war ein Vergehen, das ich nie verzieh!
Ihnen wurde nie ein Mann so gänzlich gleichgültig,
der ihr Lob so gerne hörte und dem ihre Gnade nicht lieber gewesen wäre.
Dennoch gehört ihnen mein Dienst,
denn all mein Trost und all mein Leben, die müssen einer Frau geweiht sein.

2.
Wie kann mir jemals etwas so lieb sein,
dem ich seit so langer Zeit gleichgültig bin?
Erleide ich diese Liebe mit meinem Willen,
so habe ich keinen allzu klaren Verstand.
Ist es aber so, daß ich es nicht abwenden kann,
so könnte mir eine Frau ihren Rat wohl anbieten und ihre Hilfe senden,
und ließe mich nicht verderben.
Ich habe noch einen Trost, wie klein er auch sei: was geschehen soll, das geschieht.

3.
In diesen schlechten, treulosen Tagen
ist mein Befinden nicht gut gewesen.
Wenn ich mein Leid nicht mit Anstand ertragen könnte —
ich könnte niemals darüber hinwegkommen.
Handelte ich dem Lied gemäß, wie ich es erfahre —
sie verließen mich sehr wahrscheinlich, die mich zuweilen hier gerne sahen
und mich so freundlich umgaben.
Nun muß ich mich zur Freude zwingen, damit ich bei der Welt sein kann.

4.
Der je die Welt besser erfreute als ich,
der möge in Gnaden leben.
Der tue dies auch noch, wenn ich dessen überdrüssig bin.
Mir hat meine Dichtung nichts Gutes erbracht:
ich diente immer, mir lohnte niemand.
Das ertrug ich so, daß meine Verzweiflung kaum jemand sah,
und daß ich nie von ihr schied.
Wenn die glückverheißende Frau nicht spricht >singe< — singe ich nie mehr ein Lied.

5.
Ich sah sie – wäre es auch der ganzen Welt zuwider, —
sie, die ich dennoch mit Kummer gesehen habe.
Gepriesen sei eine solche Mühsal aus Liebe!
Mir konnte niemals Besseres widerfahren.
Danach wurde mir sehr bald traurig zumute,
ich schied so von ihr, daß nie mehr ein Mann von einer Frau mit solchem Schmerz scheiden
wird, und daß mir noch nie solches Weh widerfuhr.
Ach, als ich von dannen mußte – wie voll Jammer blickte ich zurück!

6.
Ach, daß ich zu reden versäumte —
das quält mich heute und immerdar.
Als sie ohne Aufsicht vor mir saß,
warum redete ich da nicht mehr?
Da war ich eben so glücklich über die Stunde
und auch über die Zeit, die man mir vergönnte, die Edle zu sehen,
daß ich vor Freude nicht sprach.
Das könnte auch einem anderen Mann geschehen, der sie so sähe, wie ich sie sah.

 

Lied 15
Minneklage

 

1.
Der lange süeze kumber mîn
an mîner herzelieben frouwen ist erniuwet.
Wie mohte ein wunder grœzer sîn,
daz mîn verlorner dienest mich sô selten riuwet,
und ich doch nie den boten gesach,
der mir ie bræte trôst von ir, wan leit und ungemach.
Wie sol ich iemer dis unsælde erwenden?
Unmære ich ir, daz ist mir leit.
Si wart mir nie sô liep kunde ichz verenden.

2.
Wâ nû, getriuwer friunde rât?
Waz tuon ich des mir liebet, daz mir leiden solte?
Mîn dienest spot erworben hât
und anders niht, wan ob ichz noch gelouben wolte.
Joch wæne ich ez nu gelouben muoz.
Des wirt ouch niemer leides mir unze an mîn ende buoz,
sît si mich hazzet, die ich von herzen minne.
Mir kunt ez nieman gesagen,
nu bin ich sîn vil unsanfte worden inne.

3.
Daz si mich als unwerden habe,
als si mir vor gebâret, daz geloube ich niemer.
Nu laze ein teil ir zornes abe:
wan endelîchen ir genâden bit ich iemer.
Von ir enmac ich noch ensol.
Sô sich genuoge ir liebes fröiwent, sô ist mir mit leide wol,
enkan ich anders niht von ir gewinnen.
ê daz ich âne ir hulde sî,
sô wil ich ir güete und ir gebærde minnen.

4.
Môhte si mich daz lâzen gesehen,
wære ich ir liep, wie si mich haben wolte,
und müge ez anders niht geschehen,
sô tuo si doch reht, als ob ez wesen solte,
und lege mich ir wol nâhe bî
und biete mirz ein wîle als ez von herzen sî.
Gevalle ez danne uns beiden, sô sî stæte.
Verlüre aber ich ir hulde dâ,
sô sî verborn, als ob si ez nie getæte.

5.
Owê daz alle die nu lebent,
sô wol hânt befunden, wie mir ist nâch einem wîbe,
und daz siu mir den rât niht gebent,
daz ich getrœstet wurde noch bî lebendem lîbe.
Joch klage ich niht mîn ungemach,
wan daz den ungetriuwen ie baz danne mir geschach,
die nie gewunnen leit von senender swære.
Wolte got, erkanden guotiu wîp
ir sumelîcher werben, wie deme wære.

6.
Ein rede der liute tuot mir wê,
da enkam ich niht gedulteclîchen zuo gebâren.
Nu tuont siz alle deste mê,
si frâgent mich ze vil von mîner frouwen jâren
und sprechent, welher tage si sî,
dur daz ich ir sô lange bin gewesen mit triuwen bî.
si sprechent, daz ez möhte mich verdriezen.
nu lâ daz aller beste wîp
ir zuhtelôser frâge mich geniezen.

 
1.
Mein langwährender süßer Kummer
um meine herzliebe Herrin ist erneuert:
wie konnte ein Wunder größer sein,
als daß mein vergeblicher Dienst mich so selten reut,
obwohl ich doch nie den Boten erblickte,
der mir je Trost von ihr gebracht hätte, — statt Leid und Ungemach.
Wie soll ich jemals dieses Unglück ändern?
Bin ich ihr zuwider – das ist mir schmerzlich. Sie würde
mir nie so teuer sein, als wenn ich es zu einem glücklichen Ende gebracht hätte.

2.
Wo bleibt er nun, der Rat getreuer Freunde?
Wie verhalte ich mich, daß mir das angenehm ist, was mir verleidet sein sollte?
Mein Dienst hat Spott geerntet
und nichts anderes, wenn ich es nur bis heute hätte glauben mögen.
Doch fürchte ich, ich muß es nun glauben.
Deshalb wird mir auch für mein Leid bis zu meinem Ende niemals Abhilfe,
nachdem sie mich haßt, die ich von Herzen liebe.
Mir konnte dies niemand sagen,
nun bin ich dessen auf sehr schmerzliche Weise inne geworden.

3.
Daß sie mich für einen so Unwürdigen hält,
wie sie mir vorspielt, das glaube ich niemals.
Nun lasse sie ein wenig von ihrem Zorn ab:
nichts als endlich ihre Gnade erbitte ich immerzu.
Von ihr loskommen kann und soll ich nicht!
Wenn sich viele ihrer Liebenswürdigkeit erfreuen, dann ist mir mit Leid wohl,
da ich anderes nicht von ihr bekommen kann.
Ehe ich ohne ihre Huld bin,
will ich ihren Edelmut und ihr Benehmen lieben.

4.
Könnte sie mich das erkennen lassen,
wie sie, wäre ich ihr angenehm, mich behandeln wollte!
Und kann es anders nicht geschehen,
so tue sie doch genau so, wie es sein sollte,
und lege mich ganz nahe zu ihr
und gewähre es mir eine Weile so, wie wenn es von Herzen käme.
Gefiele es dann uns beiden, so sei es von Dauer.
Verlöre ich jedoch dabei ihre Gnade,
so sei es übergangen, als ob sie es nie getan hätte.

5.
Ach, daß alle, die jetzt leben,
so gut herausgefunden haben, wie es um mich einer Frau wegen steht,
und daß sie mir den Rat nicht geben,
damit ich getröstet würde noch zu meinen Lebzeiten.
Doch beklage ich mein Unglück nicht,
außer daß es den Unbeständigen immer besser ging als mir,
die nie Leid aus sehnsuchtsvollem Schmerz erfuhren.
Wollte Gott, daß die edlen Frauen durchschauten,
wie es um das Werben einiger von diesen bestellt ist.

6.
Ein Gerede der Leute tut mir weh,
dazu kann ich mich nicht geduldig verhalten.
Nun tun sie es alle um so mehr:
Sie fragen mich allzu viel nach den Jahren meiner Herrin
und meinen, wie alt sie sei,
da ich ihr so lange in Treue dienstbar gewesen sei.
Sie meinen, daß es mich verdrießen könnte.
Nun möge mich die beste aller Frauen
für ihre ungezogene Frage entschädigen.

 

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