Fabelverzeichnis
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Brant 2
 
Von Schätze finden
Vom Tadeln und Selbertun
Die Lehre der Weisheit
Von Überschätzung des Glücks
Von zu viel Sorge
Vom Borgen
Von unnützem Wünschen
Von unnützem Studieren
Von Wider-Gott-Reden
Von selbstgerechten Narren
Von viel Pfründen
Vom Aufschubsuchen
Vom Frauenhüten

 
Von Ehebruch
Immer ein Narr bleiben
Von leichtem Zürnen
Von Rechthaberei
Von Glückes Zufall
Von unfolgsamen Kranken

 

Wer ettwas fyndt / vnd dreyt das hyn
Vnd meynt gott well / das es sy syn
So hat der tufel bschyssen jn

 

Wer etwas findet und trägt das hin
Und wähnt, Gott schenkt es ihm, in seinem Sinn,
So hat der Teufel betrogen ihn.

 
XX.
Von schatz fynden

Der ist eyn narr der ettwas fyndt
Vnd jn sym synn ist also blindt
Vnd spricht / das hat mir got beschert
Ich acht nit wem es zů gehœrt /

Was eyner nit hat vß gespreit
Das ist zů schnyden jm verseit /
Eyn yeder wisß by siner ere
Das das eym andern zů gehœr
Was er weiß das es syn nit ist

Es hilfft nit / ob jm schon gebryst
Vnd er es fyndet on geuerd
Er lůg das es dem wider werd
Weißt er jn / des es ist gesyn
Oder geb es den erben syn

Ob man die all nit wissen kan
So geb man es eym armen man
Oder sunst durch gotts willen vß
Es soll nit bliben jn dym huß
Dann es ist ab getragen gůt

Dar durch verdampt jn hellen glůt
Gar mancher vmb solch synden sitzt
Den man offt ribt / so er nit schwitzt /
Achor behielt das nit was syn
Vnd brocht dar durch das volck jn pyn

Zů letst wart jm / das er nit meynt
Do man on bærmung jn versteynt /
Wer vff sich ladt eyn kleyne bürd
Der næm eyn grosser / wen es jm wurd /
Fynden vnd rouben acht got glich

Dann er din hertz ansycht vnd dich /
Vil wæger ist gantz fynden nüt
Dann fundt / den man nit wider gitt
Was man fyndt vnd kumbt eym zů huß
Das kumbt gar vngern wider druß

 
20.
Von Schätze finden

Der ist ein Narr, wer etwas findet
Und im Verstand ist so erblindet,
Daß er spricht: »Gott hat mir das beschert;
Ich frag' nicht, wem es zugehört!«

Was einer nicht hat ausgesät,
Ist ihm versagt auch, daß er's mäht,
Und jeder weiß, bei seiner Ehre,
Daß dies einem andern zugehöre.
Was, wie er weiß, sein Gut nicht ist,

Das hilft ihm nicht, ob's ihm gebrist 74
Und er es finde ohn' Gefährde;
Er schau, daß es dem wieder werde,
Wenn er ihn weiß, der es erworben,
Oder geb' es den Erben, falls jener gestorben,

Und wenn man die nicht wissen kann,
Geb' man es einem armen Mann
Oder sonst um Gottes Willen aus;
Es soll nicht bleiben in dem Haus,
Denn es ist fortgetragen Gut,

Dadurch verdammt in Höllenglut
Gar mancher um solch Finden sitzt,
Den man oft reibt, wenn er nicht schwitzt.
Achor behielt, was nicht war sein
Und bracht' dadurch das Volk in Pein,

Zuletzt ward ihm, was er nicht meinte,

Als ohn' Erbarmung man ihn steinte.
Wer auf sich nimmt eine kleine Bürde,
Trüg' größre auch, wenn sie ihm würde.
Rauben und finden Gott gleich achtet,

Weil er dein Herz und dich betrachtet.
Nichts finden macht kein Herz betrübt,
Doch Fund, den man nicht wiedergibt.
Denn was man findet und trägt ins Haus,
Das kommt gar ungern wieder heraus.

 

 

Wer zeygen důt eyn gůte stroß
Vnd blibt er jn dem pfütz vnd moß
Der ist der synn vnd wißheit bloß

 
Wer guten Weg zeigt andern zwar,
Doch bleibt, wo Schlamm und Pfütze war,
Der ist der Sinn' und Weisheit bar.

 
XXI.
Vō stroffē vnd selb tun

Der ist eyn narr der stroffen will
Das jm zů tůn nit ist zů vil
Der ist eyn narr vnd vngeert
Der alle sach zům bœsten kert

Vnd yedem ding eyn spett anhenckt
Vnd nit syn eygnen bresten denckt
Ein hant die an dem wægscheid stat
Die zeygt eyn weg / den sie nit gat
Wer jn sym oug eyn trotboum trag

Der tűg jn druß / ee dann er sag
Brůder / hab acht / ich sieh an dir
Ein æglin die mißfallet mir
Es stat eym lerer vbel an
Der sunst kan stroffen yederman

Wann er das laster an jm hat
Das vbel ander lüt an stat /
Vnd das er lyden můß den spruch
Herr artzt důnt selber heylen üch
Mancher kan ratten ander lüt

Der jm doch selb kan raten nüt
Als Gentilis vnd Mesue
Der yeder starb am selben we
Des er meynt helffen yederman
Vnd aller meyst geschriben von /

Eyn yedes laster das geschieht
So vil schynbarer man das sieht
So vil / als der wurt hœher geacht
Der sollichs laster hat volbraht
Dů vor die wergk / dar noch die lere

Wilt du verdienen lob vnd ere
Das volck von jsrahel hatt synn
Stroffen die sűn Benyamyn
Vnd lagen sie dar nyder doch
Dann sie jn sünden worent noch

 
21.
Vom Tadeln und Selbertun

Der ist ein Narr, der tadeln will,
Was ihm zu tun ist nicht zuviel;
Der ist ein Narr und ungeehrt,
Der jedes Ding zum Schlechten kehrt,

Der einen Lappen an alles hängt
Und nicht der eignen Gebrechen denkt.
Eine Hand, die an der Wegscheid steht.
Zeigt nur den Weg, den sie nicht geht,
Und wer im Aug' den Balken hat,

Tu' ihn heraus, eh' er gibt Rat:
»Bruder, hab' acht, ich seh' an dir
Ein Fäserlein, das mißfällt mir!«
Dem, der da lehrt, steht's übel an,
Wenn er sonst tadelt jedermann

Und selbst dem Laster nach doch geht,
Das andern Leuten übel steht,
Und wenn er hören muß den Spruch:
»Herr Arzt, für dich erst Heilung such!«
Mancher den andern Rat zuspricht,

Der sich doch selbst kann raten nicht;

Wie Gentilis und Mesuë, 75
Deren jeder starb am selben Weh,
Das er von andern gern vertrieben,
Worüber fleißig er geschrieben.

Ein jedes Übel, das geschieht,
Um soviel deutlicher man sieht,
Als man denselben hat in Acht,
Der solchen Fehler hat vollbracht.
Tu erst das Werk und darnach lehre,

Willst du verdienen Lob und Ehre.
Einst hatte Israel im Sinn
Zu strafen den Stamm Benjamin,
Obschon es lag darnieder doch
Und selbst noch trug der Sünde Joch.

 
 
Wer gern die wißheyt hœrt vnd lert
Gentzlich zů jr sich allzyt kert
Der wurt jn ewikeyt geert

 
Wer gern die Weisheit hört und lehrt
Und ganz zu ihr sich allzeit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.

 
XXII.
Die ler der wisheit

Die wißheyt schrygt mit heller stym
O menschlich gschlecht myn wort vernym
Vff bschydikeyt hant acht jr kyndt
Mercken all / die jn dorheyt synt /

Sůchen die ler vnd nit das gelt
Wißheyt ist besser dann all welt
Vnd alles das man wünschen mag
Stellen noch wißheyt nacht vnd tag
Nüt ist / das ir glich vff der erd

In rætten ist wißheyt gar werdt
All sterck vnd all fürsichtikeyt
Stot zů mir eyn / spricht die wißheyt
Durch mich / die kunig hant jr kron
Durch mich / all gsatz mit reht vff ston

Durch mich / die fürsten hant jr landt
Durch mich / all gwælt jr rehtspruch hâd
Wer mich lieb hat / den lieb ouch ich
Wer mich frü sucht / der fyndt mich
By mir ist richtům / gůt / vnd ere

Mich hat besessen gott der herre
Von anbegynn jn ewikeyt
Durch mich hatt got all ding bereit
Vnd on mich ist gar nüt gemacht
Wol dem / der mich allzyt betracht

Dar vmb myn sůn nit synt so træg
Sellig ist der gat vff mym wæg
Wer mich findt / der fyndt heil vnd glück
Der mich hasßt / der verdyrbt gar dick
Die plag wurt vber narren gan

Sie werdent wißheyt sehen an
Vnd den lon / der drumb ist bereit
Vnd werend wurt jn ewikeyt
Das sie jnblůtend vnd selbst sich
In jamer nagent ewiklich

 
22.
Die Lehre der Weisheit

Die Weisheit ruft mit heller Stimm':
»Menschlich Geschlecht, mein Wort vernimm!
Erfahrung achte stets, mein Kind!
Aufmerket all', die töricht sind!

Sucht die Belehrung, nicht das Geld!
Weisheit ist besser als die Welt
Und Alles, was man wünschen mag!
Nach Weisheit trachte Nacht und Tag!
Nichts ist, was ihr gleicht auf der Erd';

Weisheit im Rate ist gar wert;
All' Stärk' und all' Fürsichtigkeit
Ist einzig mein,« so spricht Weisheit.
»Dem König die Krone aufs Haupt ich setze,
Ich schaff' mit Recht alle Gesetze;

Durch mich die Fürsten haben ihr Land,
Durch mich die Macht ihr Recht erfand.
Wer mich lieb hat, den lieb' auch ich;
Wer früh mich sucht, der findet mich.
Bei mir ist Reichtum, Gut und Ehr',

Mich hat besessen Gott der Herr
Von Anbeginn in Ewigkeit.
Durch mich macht Gott all Ding bereit,
Und ohn' mich ist gar nichts gemacht.
Wohl dem, der mich stets hat in Acht.

Drum, meine Söhne, seid nicht träge,
Selig, wer geht auf meinem Wege!
Wer mich findet, hat Glück und Heil,
Wer mich haßt, dem wird Verderben zuteil!«
Übel wird es den Narren gehn,

Sie werden den Glanz der Weisheit sehn
Und den Lohn, so jener ist bereit
Und währen wird in Ewigkeit,
Daß Schmerz sie greift; – sie werden sich
In Jammer nagen ewiglich.

 
   
Wer meynt das jm gantz nütz gebrest
Vnd er glück hab vffs aller best
Den trifft der klüpfel doch zů lest

 
Wer meint, vollkommen sei sein Heil
Und stetes Glück allein sein Teil,
Den trifft zuletzt der Donnerkeil.

 
XXIII.
Vō vberhebūg glucks

Der ist eyn narr der rümen gtar
Das jm vil glücks zů handen far
Vnd er glück hab jn aller sach
Der wardt des schlegels vff dem tach

Dann glücksal der zergenglicheyt
Eyn zeychen ist vnd vnderscheyt
Das got des menschen sich verrůcht
Den er zů zytten nit heymsůcht
Im spruchwort mâ gemeynlich gyecht

Eyn fründt den andern offt besiecht
Eyn vatter strofft offt synen sůn
Das er vorcht hab / vnd recht ler tůn
Eyn artzt / gibt sur vnd bitter trangk
Do mit dest ee genæß der krangk

Eyn scherer meisselt / schnydt die wund
Do mit der siech bald werd gesunt /
We we dem krancken wann verzagt
Der artzt / vnd er nit strofft / noch sagt
Das solt der siech nit han geton /

Er solt das / vnd das han gelon /
Sunder er spricht / gent jm recht hyn
Als das er wil / vnd glustet jn /
Als wæn der tufel bschissen wil
Dem gibt er glück / vnd richtum vil

Gedult ist besser jn armůt
Dann aller welt glück / richtům / gůt /
Sins glücks sich nyemans vberhab
Dann wenn gott will / so nymbt es ab /
Eyn narr ist / wer do schryget dyck

O glück wie loßtu mich / o glück
Was zychstu mich / gib mir so vil
Das ich eyn narr blib noch eyn wil
Dann grosser narren wurden nye
Dann die allzyt glück hatten hye

 
23.
Von Überschätzung des Glücks

Das ist ein Narr, der Rühmens macht,
Daß ihn das Glück stets angelacht
Und er Glück hab' in jeder Sache:
Der harrt des Schlägels 76 auf dem Dache.

Denn der Vergänglichkeit Glücksal
Ein Zeichen ist und ein Merkmal,
Daß Gott des Menschen ganz vergißt,
Der nicht zur Zeit geprüfet ist.
Im Sprichwort man gemeinlich spricht:

»Ein Freund den andern oft besicht 77
Ein Vater tadelt oft die Söhne,
Daß er an Rechttun sie gewöhne;
Ein Arzt gibt sauern und bittern Trank,
Daß desto eh genes' der Krank';

Ein Bader sondiert und schneidet die Wunde,
Damit der Sieche bald gesunde,
Und weh dem Kranken, wann verzagt
Der Arzt und nicht mehr straft noch sagt:
»Das sollte der Sieche nicht haben getan

Und des nicht haben sich unterfahn!«

Vielmehr spricht: »Gebt ihm nur recht hin
Das, was er will und lüstet ihn!«
Wen also der Teufel bescheißen will,
Dem gibt er Glück und Reichtum viel.

Geduld ist besser in Armut
Denn aller Welt Glück, Reichtum, Gut.
Auf Glück soll niemand Stolz empfinden,
Denn wenn Gott will, so wird es schwinden.
Ein Narr schreit jeden Augenblick:

»O Glück, was läßt du mich, o Glück?
Wes zeihst du mich? Gib mir recht viel,
Weil ich ein Narr noch bleiben will!«
Drum, größre Narren wurden nie
Denn die Glück hatten allzeit hie!

 
   
Wer aller welt sorg vff sich ladt
Vnd nit gedenckt syn nutz vnd schad
Der lyd sich / ob er ettwan bad

 
Wer aller Welt Sorg' auf sich ladet,
Nicht denkt, ob es ihm nützt ob schadet,
Hab' auch Geduld, wenn man ihn badet.

 
XXIV.
Von zů vil sorg

Der ist eyn narr / der tragen will
Das jm vffheben ist zů vil
Vnd der alleyn will vnderston
Das er selb dritt nit mœcht gethon

Wer nymbt die gantz welt vff syn rück
Der felt jn eynem ougenblück
Man lyßt von Alexander das
Die gantz welt jm zů enge was
Vnd schwitzt dar jnn / als ob er nit

Für synen lib genůg hett witt
Ließ doch zů letst benűgen sich
Mit sibenschůhigem erterich
Allein der dot erzeigen kan
Wo mit man můß benűgen han

Diogenes vil mæhtiger was
Wie wol sin bhusung was eyn faß
Vnd er nüt hatt vff aller erdt
So was doch nüt das er begerdt
Dann Alexander solt für gon

Vnd jm nit vor der sunnen ston /
Wer hohen dingen stellet noch
Der můß die schantz ouch wogen hoch
Was hülff eyn menschen das er gwynn
Die gantz welt / vnd verdurb er drynn

Was hülff dich / das der lib kæm hoch
Vnd fœr die sel jns hellen loch /
Wer sorget ob die gænß gent bloß
Vnd sægen will all gaß vnd stroß
Vnd eben machen berg vnd tal

Der hat keyn fryd / růw / vberal
Zů vil sorg / die ist nyenan fůr
Sie machet manchen bleich vnd dürr
Der ist eyn narr der sorgt all tag
Das er doch nit gewenden mag

 
24.
Von zu viel Sorge

Der ist ein Narr, der tragen will,
Was ihm zu heben ist zu viel,
Und der allein darauf bedacht,
Was kaum von dreien wird vollbracht.

Wer auf den Rücken nimmt die Welt,
In einem Augenblick oft fällt.
Man liest von Alexander, daß
Die ganze Welt zu eng ihm was;
Er schwitzte drin, als ob er kaum

Für seinen Leib drin hätte Raum,
Und fand zuletzt doch seine Ruh
In einem Grab von sieben Schuh.
Der Tod allein erst zeiget an,
Womit man sich begnügen kann.

Diogenes mehr Macht besaß,
Und dessen Wohnung war ein Faß;
Wiewohl er nichts hatt' auf der Erde,
Gab es doch nichts, was er begehrte
Als: Alexander möchte gehen

Und ihm nicht in der Sonne stehn.

Wer hohen Dingen nach will jagen,
Der muß auch hoch die Schanze wagen. 78
Was hilft's dem Menschen zu gewinnen
Die Welt und zu verderben drinnen?

Was hilft's dir, daß der Leib käm' hoch
Und die Seele führ' ins Höllenloch?
Wer Gänse nicht will barfuß lassen
Und Straßen fegen rein und Gassen
Und eben machen Berg und Tal,

Der hat nicht Frieden überall.
Zu viele Sorg' ist nirgend für,
Sie machet manchen bleich und dürr.
Ein Narr nur sorgt und denkt daran,
Was er ohnehin nicht ändern kann.

 
   
Wer vil zů borg vff nemen will
Dem essent wœlff doch nit syn zyl /
Der esel schlecht jn vnderwil

 
Wer will zu Borg aufnehmen viel,
Dem fressen die Wölfe doch nicht das Ziel, 79
Und der Esel schlägt ihn, wann er will.

 
XXV.
Von zuo borg vff nemē

Der ist me dann eyn ander narr
Wer stæts vff nymbt vff borg vnd harr
Vnd jn jm nit betrahten wil
Das man spricht / wœlff essen keyn zyl

Als důnt ouch die / den jr boßheyt
Gott lang vff besserung vertreit
Vnd sie doch tæglich mer vnd mer
Vff laden / dar durch gott der herr
Ir warttet / byß das stundlin kunt

So bzalen sie bym mynnsten pfundt
Es sturben frowen / vieh / vnd kyndt
Do der von Amorreen sünd
Vnd Sodomiten kam jr ziel /
Hierusalem zů boden fiel

Do jm gott beittet lange jor
Die Niniuiten bzaltten vor
Gar bald jr schuld / vnd wurden quit
Doch bhartten sie die lenge nit
Sie nomen vff noch grœsser we

Des schickt jn gott keyn Jonas me /
All ding die hant jr zyt vnd zyl
Vnd gant jr stroß noch / wie gott wil /
Wem wol ist mit nēmen vff borg
Der hat zů bzalen gantz keyn sorg /

Nit biß by den / die bald jr hendt
Strecken / vnd für dich bürgen wendt
Dann so man nit zů bzalen hett
Sie nement kuter von dem bett /
Do hunger jn Egypten was

Nomen sie korn vff so vil / das
Sie eygen wurden hyndennoch
Vnd můsten das bezalen doch /
Wann der esel anfoht syn dantz
Haltt man jn nit wol by dem schwantz

 
25.
Vom Borgen

Der ist mehr Narr als andre Narren,
Wer stets auf Borg aufnimmt und Harren
Und nicht bei sich erwägen will
Das Wort: »Es frißt der Wolf kein Ziel!«

So tun auch die, deren Schlechtigkeit
Gott trägt auf Bessrung lange Zeit,
Und die doch täglich mehr und mehr
Sich laden auf, weshalb der Herr
Ihrer wartet, bis kommt ihre Stund'

Und sie zahlen bis zum letzten Pfund.
Es starben Frauen, Vieh und Kind,
Als einstmals kam Gomorras Sünd'
Und Sodoms zu dem letzten Ziel.
Jerusalem zu Boden fiel

Als Gott gewartet manches Jahr;
Die Niniviten zahlten zwar
Bald ihre Schuld und wurden quitt,
Doch beharrten sie die Länge nit;
Sie nahmen auf noch größre Schand',

Da ward kein Jonas mehr gesandt.

Alle Dinge haben Zeit und Ziel
Und gehn ihre Straße, wie Gott will.
Wer wohl sich fühlt bei seinem Borgen,
Macht ums Bezahlen sich nicht Sorgen.

Sei nicht bei denen, die rasch die Hand
Hinstrecken für dich zum Bürgepfand.
Denn so man nicht zum Bezahlen hätte,
Nähmen sie's Kissen von dem Bette. 80
Als Hunger einst Ägypten fraß,

Nahmen sie soviel Korn auf, daß
Sie eigen wurden hinterher,
Und mußten's doch bezahlen schwer.
Denn wenn der Esel beginnt den Tanz,
Hält man ihn nicht fest bei dem Schwanz.

 
 
Wer wünschet das er nit verstot
Vnd nit syn sachen setzt zů got
Der kumbt zů schaden dick vnd spott

 
Wer sich erwünscht, was ihm nicht not,
Und seine Sach' nicht setzt auf Gott,
Der kommt zu Schaden oft und Spott.

 
XXVI.
Von vnnutzē wunschē

Der ist eyn narr der wünschen důt
Das jm als bald schad ist als gůt /
Vnd wann ers hett / vnd wurd jm wor
So wer er doch eyn narr als vor

Mydas der kunig wünschen wolt
Das alls / das er angriff / würd goldt
Do das wor wart / do leidt er nott
Dann jm zů gold wart wyn vnd brot /
Recht hatt er / das er deckt sin hor

Das man nit sæch syn esels or
Die dar noch wůchsen jn dem ror
We dem syn wünsch all werden wor /
Vil wünschen das sie leben lang
Vnd důnt der sel doch also trang

Mit schlēmen / prassen im wynhuß
Das sie vor zyt můß faren vß /
Dar zů ob sie schon werden alt
Sint sie doch bleich / siech / vngestalt
Ir backen vnd hüt sint so lær

Als ob eyn aff jr můter wær /
Vil getzlicheyt die jugent hat
Das altter jn eym wesen stat
Inñ zittern glyder / stym / vnd hirn /
Eyn trieffend naß / vnd glatzeht stirn /

Synr frowen ist er vast vnmær /
Im selbst / vnd synen kynden schwær
Im schmeckt vnd gfelt nüt was man důt
Vnd sicht vil das jn nit dunckt gůt /
Welch leben lang / die hand groß pin

Allzyt jn nüwem vnglück syn
In truren vnd jn stætem leidt /
Enden jr tag jn schwartzem kleyd
Nestor / Peleus / vnd Laertes /
Beklagten sich jm alter des

Das sie zů lang ließ leben gott
Do sie jr sűn an schowten dot /
Wer Priamus gestorben vor
Vnd het gelebt nit so vil jor
Sæh er nit leid so jæmerlich

An sűn / frow / dœchter / stat / vnd rich /
Wann Mythridates / vnd Marius /
Cresus / vnd der groß Pompeyus
Nit werent worden also alt
Werent sie dott in grossem gwalt /

Wer hübscheyt jm / vnd synem kynd
Wünschet / der sůcht vrsach zů sünd
Wer Helena nit gwesen schon
Pariß het sie jn kriechen gelon /
Wer hæslich gsyn Lucrecia

Sie wer geschmæchet nit also /
Hett Dyna kropff vnd hofer ghan
Sychem hett sie gelossen gan /
Es ist gar seltten das man treit
Bynander schonheyt vnd küscheyt /

Vor vß / die hübschen hansen nůn
Die went all bübery yetz tůn
Vnd werden doch gefellet dick
Das man sie sticht jm narren strick /
Mancher wünscht / hüser / frow / vnd kynd

Oder das er vil gulden fynd
Vnd des glich goückels / das gott wol
Erkennt / wie es geroten sol
Dar vmb gibt er vns ettwan nüt
Vnd das er gibt / nymbt er zů zyt

Ettlich dem gwalt ouch wünschē noch
Vnd wie sie stygen vff vast hoch
Vnd btrachten nit das hœher gwalt
Dest hœher wider abher falt
Vnd das / wer vff der erden lyt

Der darff vor vall sich vœrchten nyt
Gott gibt vnß alles das er will
Er weist was recht ist / was zů vil
Ouch was vns nütz sy / vnd kum wol
War vß vns schad entspringen sol

Vnd wann er vns nit lieber hett
Dann wir vns selb / vnd das er dæt
Vnd macht vns (was wir wünschttē) wor
Es ruwt vns / ee vß kem eyn jor /
Dann vnser bgir die macht vns blint

Zů wünschen ding / die wider vns sint /
Wer wůnschen well das er reht leb
Der wünsch das jm gott dar zů geb
Eyn gsunden synn / lib / vnd geműt
Vnd jn vor vorcht des todes bhűt

Vor zorn / begyr / vnd bœsem gydt
Wer das erwirbt jn diser zyt
Der hat sin tag geleit baß an
Dann Hercules ye hat gethan
Oder Sardanapalus hatt

In wollust / gfüll / vnd fæderwatt
Vnd hatt alles das jm wurt sin not
Darff nit an rüffen glück für got
Eyn narr wünscht synen schaden dyck
Syn wunsch würt offt syn vnglück

 
26.
Von unnützem Wünschen

Das ist ein Narr, der Wünsche tut,
Die ihm mehr schädlich sind als gut;
Denn wenn er's hätt' und würd' ihm wahr, –
Er blieb' der Narr doch, der er war.

Der König Midas wünscht' als Sold, 81
Was er berührte, würde Gold;
Als das geschah, – da litt er Not,
Nun ward zu Gold ihm Wein und Brot.
Daß man nicht säh' sein Eselsohr,

Das ihm gewachsen drauf im Rohr,
Verhüllte er mit Recht sein Haar.
Weh dem, des Wünsche werden wahr!
Viele wünschen, daß sie leben lange,
Und machen doch der Seele bange

Mit Praß und Schlemmen im Weinhaus,
Daß sie vor Zeit muß fahren aus;
Dazu, wenn sie schon werden alt,
Sind sie doch bleich, siech, ungestalt;
Ihre Wangen und Leiber sind so leer,

Als ob ein Aff' ihre Mutter wär'.

Viel Freude hat nur, wer noch jung,
Das Alter ist ohn' Abwechselung,
Ihm zittern Glieder, Stimm' und Hirn,
Ihm trieft die Nas', ist kahl die Stirn,

Es ist den Frauen zuwider fast,
Sich selbst und seinen Kindern zur Last;
Ihm schmeckt und gefällt nichts, was man tut,
Es sieht viel, was ihm dünkt nicht gut.
Lang leben andre, um in Pein

Und neuem Unglück stets zu sein,
In Trauer und in stetem Leid;
Sie enden die Tag' im schwarzen Kleid;
Es konnte Nestor in alten Tagen
Samt Peleus und Laertes klagen,

Daß sie zu lang ließ leben Gott,
Weil sie die Söhne sahen tot.
Wär' Priamus gestorben eh',
Er hätt' erlebt nicht so viel Weh,
Das ihm mit Jammer ward bekannt

An Frau und Kindern, Stadt und Land.
Wenn Mithridat und Marius,
Pompejus, Krösus noch zum Schluß
Nicht so alt worden wären,
Sie wären gestorben hoch in Ehren.

Wer Schönheit sich und seinem Kind
Erwünscht, der sucht Ursach' zur Sünd.
War Helena nicht als schön bekannt,
Ließ Paris sie in Griechenland;
Wär' häßlich gewesen Lukrezia,

Dann solche Schmach ihr nicht geschah;
Wenn Dina kröpfig und höckrig war,
Bracht' Sichem nicht ihrer Ehre Gefahr.
Schönheit und Keuschheit offenbar
Gar selten beieinander war.

Zumal die hübschen Hansen 82 nun
Begehren Büberei zu tun
Und straucheln doch, daß man sie oft
Am Narrenstrick sieht unverhofft.
Mancher wünscht Häuser, Frau und Kind,

Oder daß er viel Gulden find'
Und ähnliche Torheit – von der Gott wohl
Erkennt, wie sie geraten soll;
Drum säumt er, sie uns zu erteilen,
Und was er gibt, nimmt er zuweilen.

Etliche wünschen sich Gewalt
Und Aufstieg ohne Aufenthalt
Und sehen nicht, daß wer hoch steigt,
Von solcher Höhe fällt gar leicht,
Und daß, wer auf der Erde liegt,

Vorm Fall sich braucht zu fürchten nicht.

Gott gibt uns alles, was er will;
Er weiß, was gut ist, was zu viel,
Auch was uns nütz sei und bekomme,
Und was uns schade und nicht fromme;

Und wenn er uns nicht lieber hätt'
Als wir uns selbst, und wenn er tät'
Und macht uns, was wir wünschten, wahr, –
Es reut' uns, eh' verging ein Jahr.
Denn die Begierde macht uns blind

Zu wünschen Ding', die schädlich sind.
Wer wünschen will, daß er recht lebe,
Der wünsche, daß der Herr ihm gebe
Gesunden Sinn, Leib und Gemüte
Und ihn vor Furcht des Todes hüte,

Vor Zorn, vor bösem Geiz und Gier.
Wer das für sich erwirbet hier,
Hat seine Zeit gelegt besser an
Als Herkules je hat getan
Oder als Sardanapalus tat

Trotz Wollust, Füll' und allem Staat;
Der hat alles, was ihm ist not,
Braucht nicht zu rufen das Glück statt Gott.
Ein Narr wünscht seinen Schaden oft:
Sein Wunsch wird Unglück unverhofft.

 
 
Wer nit die rechte kunst studiert
Der selb jm wol die schellen rűrt
Vnd wurt am narren seyl gefűrt

 
Wer nicht die rechte Kunst 83 studiert,
Derselbe wohl die Schellen rührt
Und wird am Narrenseil geführt.

 
XXVII.
Von vnnutzē studieren

Der studentten ich ouch nit für
Sie hant die kappen vor zů stür
Wann sie alleyn die streiffen an
Der zippfel mag wol naher gan

Dann so sie soltten vast studieren
So gont sie lieber bůbelieren
Die jugent acht all kunst gar kleyn
Sie lerent lieber yetz alleyn
Was vnnütz vnd nit frůchtbar ist

Das selb den meystern ouch gebrüst
Das sie der rehten kunst nit achten
Vnnütz geschwetz alleyn betrachten
Ob es well tab syn / oder nacht
Ob hab eyn mensch / eyn esel gmacht

Ob Sortes oder Plato louff
Sollch ler ist yetz der schůlen kouff /
Syndt das nit narren vnd gantz dumb
Die tag vnd nacht gant do mit vmb
Vnd krützigen sich vnd ander lüt

Keyn bessere kunst achten sie nüt
Dar vmb Origines / von jnñ
Spricht / das es sint die frœsch gesyn
Vnd die hundsmucken die do hant
Gedurechtet Egypten landt /

Do mit so gat die jugent hyen
So sint wir zů Lyps / Erfordt / Wyen
Zů Heidelberg / Mentz / Basel / gstanden
Kumen zů letst doch heym mit schanden
Das gelt das ist verzeret do

Der truckery sint wir dann fro
Vnd das man lert vfftragen wyn
Dar vß wurt dann eyn henselyn
So ist das gelt geleit wol an
Studenten kapp will schellen han

 
27.
Von unnützem Studieren

Der Studenten ich auch nicht schone:
Sie haben die Kappe voraus zum Lohne,
Und wenn sie die nur streifen an,
Folgt schon der Zipfel hintendran,

Denn wenn sie sollten fest studieren,
So gehn sie lieber bubelieren. 84
Die Jugend schätzt die Kunst gar klein;
Sie lernt jetzt lieber ganz allein,
Was unnütz und nicht fruchtbar ist.

Denn dies den Lehrern auch gebrist,
Daß sie der rechten Kunst nicht achten,
Unnütz Geschwätz allein betrachten:
Ob es erst Tag war oder Nacht?
Obwohl ein Mensch einen Esel gemacht?

Ob Sortes 85 oder Plato gelaufen?
Die Lehr' ist jetzt an Schulen kaufen.
Sind das nicht Narren und ganz dumm,
Die Tag und Nacht gehn damit um
Und kreuzigen sich und andre Leut'

Und achten beßre Kunst keinen Deut?
Darum Origenes von ihnen
Spricht, daß sie ihm die Frösche schienen
Und die Hundsmücken, die das Land
Ägypten plagten, wie bekannt.

Damit geht uns die Jugend hin,

So sind zu Lips 86 wir, Erfurt und Wien,
Zu Heidelberg, Mainz, Basel gestanden
Und kamen zuletzt doch heim mit Schanden.
Ist dann das Geld verzehret so,

Dann sind der Druckerei wir froh,
Und daß man lernt auftragen Wein: 87
Der Hans wird dann zum Hänselein.
So ist das Geld gelegt wohl an:
Studentenkapp' mit Schellen dran!

 
 
Solt gott noch vnserm willen machen
Vbel ging es jn allen sachen
Wir wurden weynen me dann lachen

 
Sollt' Gott nach unserm Willen machen,
So ging es schlimm in allen Sachen,
Wir würden weinen mehr, denn lachen.

 
XXVIII.
Von wider gott reden

Der ist eyn narr / der macht eyn für
Das er dem sunnen schyn geb stür
Oder wer fackeln zündet an
Vnd will der sunnen glast zů stan

Vil mer der gott strofft vmb syn werck
Der heisßt wol Henn von narrenberg
Dann er all narren vbertrifft
Sin narrheyt gibt er jn geschrifft
Dann gotts gnad vnd fürsichtikeyt

Ist so voll aller wissenheyt
Das sie nit darff der menschen ler
Oder das man mit rům sie mer
Dar vmb o narr / was straffst du gott
Din wißheit ist gen jm eyn spot

Loß gott důn synem willen nach
Es syg gůttæt / stroff / oder rach
Loß wittern jn / loß machen schœn
Dann ob du joch dar vmb bist hœn
So gschicht es doch nit dester ee

Din wünschen důt alleyn dir wee
Dar zů versündest dich gar schwær
Vil wæger dir geschwygen wer
Wir betten das syn will der werd
Als jn dem hymel / so vff erd /

Vnd du narr wilt jn stroffen leren
Als ob er sich an dich můst keren
Gott weiß all ding baß ordinieren
Dann durch din narreht fantisieren
Das judisch volck das lert vns wol

Ob gott well das man murmlen sol
Wer was sin ratgeb zů der zyt
Do er all ding schůf / macht vß nüt
Wer hat jm geben vor vnd ee
Der rűm sich des / vnd stroff jn me

 
28.
Von Wider-Gott-Reden

Der ist ein Narr, der Feuer facht,
Zu mehren des Sonnenscheines Macht,
Oder wer Fackeln setzt in Brand,
Dem Sonnenglanze zum Beistand;

Doch wer Gott tadelt um sein Werk,
Der heißt wohl Heinz von Narrenberg,
Die Narren all er übertrifft,
Seine Narrheit gibt er in Geschrift.
Denn Gottes Gnad' und Fürsichtigkeit

Ist so voll aller Wissenheit –
Daß sie entbehrt der Menschenlehre,
Oder daß man mit Ruhm sie mehre.
Darum, o Narr, was tadelst du Gott?
Dein Wissen ist vor ihm ein Spott.

Laß Gott tun seinem Willen nach,
Sei's Guttat, Strafe oder Rach';
Laß wittern 88 ihn, laß machen schön,
Denn ob du auch magst bös aussehn,
Geschieht es doch nicht desto eh,

Dein Wünschen tut allein dir weh;

Dazu versündigst du dich schwer,
So daß dir Schweigen besser wär'!
Wir beten, daß sein Wille werde
So wie im Himmel, auf der Erde,

Und du Narr willst ihn tadeln lehren,
Als ob er sich an dich müßt' kehren!
Gott kann es besser ordinieren 89
Als durch dein närrisch phantasieren.
Der Juden Volk belehrt uns wohl,

Ob Gott will, daß man murren soll;
Wer gab ihm Rat zu jener Zeit,
Als er aus Nichts schuf Herrlichkeit?
Wer etwas ihm gegeben ehr,
Der rühm' sich des und schelt' ihn mehr!

 
 
Wer vff syn frumkeyt halt alleyn
Vnd ander vrtelt bϧ vnd kleyn
Der stoßt sich offt an hertte steyn

 
Wer sich rechtschaffen glaubt allein
Und andre hält für schlecht und klein,
Der stößt sich oft an hartem Stein.

 
XXIX.
Der ander lut vrteil

Der ist eyn narr der sich vertrœst
Vff won / vnd meynt er sig der grϧt
Vnd weiß nit das jn eyner stund
Syn sel fert dieff jn hellen grund

Aber den trost hat yeder narr
Er meynt nit syn der næhst der far
Wann er schon ander sterben sicht
Bald hat eyn vrsach er erdicht
Vnd kan sagen / der dett also /

Der was zů wild / der seltten fro
Der hatt diß / vnd der jhens gethan
Dar vmb hatt jn gott sterben lan
Vnd vrteilt eynen noch sym tod
Der villicht ist jn gotts gnod

So er jn grœssern sünden lebt
Wider gott vnd syn næhsten strebt
Vnd forcht dar vmb nit stroff noch bůß
Vnd weiß doch das er sterben můß
Wo / wenn / vnd wie / ist jm nit kundt

Biß das die sel fert vß dem mundt
Doch gloubt er nit das syg eyn hell
Biß er hin jn kumbt vber die schwell
So wurt jn den der synn vff gan
So sie jn mitt der flâmen stan

Eyn yeden dunckt syn leben gůt
Alleyn das hertz gott kennen důt
Für bœß schetzt man offt manchen man
Den gott doch kent / vnd lieb will han
Mancher vff erden würt geert

Der noch sym tod zůr hellen fert
Eyn narr ist wer gesprechen dar
Das er reyn sig von sünden gar
Doch yedem narren das gebrist
Das er nit syn will / das er ist

 
29.
Von selbstgerechten Narren

Ein Narr sich auf den Trost verläßt
Und meint, er sei der allerbest'
Und weiß nicht, daß in einer Stunde
Die Seel' ihm fährt zum Höllengrunde.

Denn diesen Trost hat jeder Narr,
Er meint, noch fern zu sein der Bahr';
Sieht andre er im Sterbekleid,
Hat einen Grund er bald bereit
Und sagt dann wohl: »Der lebte so!

Der war zu wild; der selten froh!
Der hat dies, jener das getan,
Drum tat ihm Gott das Sterben an!«
Er richtet den nach seinem Tod,
Der Gnade fand vielleicht bei Gott,

Während er in größern Sünden lebt,
Wider Gott und seinen Nächsten strebt
Und scheut nicht Strafe drum noch Buß'
Und weiß doch, daß er sterben muß.
Wo, wann und wie ist ihm nicht kund,

Bis ihm die Seel' fährt aus dem Mund;
Doch glaubt er nicht an eine Hölle,
Bis er kommt über ihre Schwelle,
Dann wird ihm wohl der Sinn aufgehn,
Wird er inmitten der Flammen stehn!

Einen jeden dünkt sein Leben gut,

Doch Gott das Herz erkennen tut;
Für schlechter hält man manchen Mann,
Den Gott doch kennt und lieb gewann.
Auf Erden mancher wird geehrt,

Der nach dem Tod zur Hölle fährt.
Ein Narr ist, wer es wagt und spricht,
Er sei befleckt von Sünden nicht:
Doch jedem Narren das gebrist,
Daß er nicht sein will, was er ist.

 
 
Wem noch vil pfrůnden hie ist nott
Des esel fellt me dann er got
Vil seck die synt des esels dot

 
Wem nach viel Pfründen hier ist not,
Des Esel fällt oft in den Kot:
Viel Säcke sind des Esels Tod.

 
XXX.
Von vile der pfrunden

Der ist eyn narr / wer hat eyn pfrůn
Der er alleyn kum recht mag tůn
Vnd ladt noch vff so vil der seck
Biß er den esel gantz ersteck

Eyn zymlich pfrůnd nert eynen wol
Wer noch eyn nymbt / der selb der sol
Acht han / das er eyn oug bewar
Das jm das selb nit ouch vß far
Dann wo er noch eyn dar zů nynnt

Wurt er an beiden ougen blynt
Dar noch keyn tag noch nacht hat růw
Wie er on zal vff nem dar zů
Als ist dem sack der boden vß
Biß er fert jnn das gernerhuß /

Aber man důt yetz dispensieren
Dar durch sich mancher ist verfieren
Der meynt das er sy sicher gantz
So eilff vnd vnglück wurt syn schantz /
Mancher vil pfrůnden bsitzen důt

Der nit wer zů eym pfrűndlin gůt
Dem er allein wol recht mœcht tůn
Der bstelt / duscht / koufft / so manig pfrůn
Das er verjrrt dick an der zal
Vnd důt jm also we die wal

Vff welcher er doch sytzen well
Do er mœg syn eyn gůt gesell
Das ist eyn schwer sorglich collect
Worlich der dot jm hafen steckt
Seltten man pfrűnden yetz vß gyt

Symon vnd Hyesy louffen mit
Merck wer vil pfrůnden haben well
Der letsten wart er jnn der hell
Do wurt er fynden eyn presentz
Die me důt dann hie sechs absentz

 
30.
Von viel Pfründen

Ein Narr ist, wer eine Pfründe gewann,
Der er allein kaum gerecht werden kann,
Und lädt soviel Säcke auf den Rücken,
Bis daß der Esel muß ersticken.

Pfründ', die geziemet, nähret wohl;
Wer mehr sich nimmt, derselbe soll
Achthaben, dass ein Aug' er wahre,
Damit ihm das nicht auch ausfahre;
Denn wenn er Pfründen noch gewinnt,

Wird er auf beiden Augen blind,
Dann hat er Tag und Nacht nicht Ruh',
Wie er zahllose nehm' dazu.
Dem Sack ist ganz der Boden aus,
Bis daß er fährt zum Totenhaus.

Aber man tut jetzt dispensieren 90,
Wodurch sich mancher läßt verführen,
Der meint, daß er sei sicher ganz,
Bis elf und Unglück wird sein' Schanz' 91.
Viel Pfründen mancher besitzen tut,

Der nicht zu einem Pfründlein gut,
Dem er möcht' recht Genüge tun,
Der tauscht und kauft nun ohne Ruhn,
Daß er wohl irr wird in der Zahl
Und schmerzt ihn also sehr die Wahl,

Wo er sitz' auf der rechten Stelle,

Um dort zu leben als guter Geselle. 92
Das ist eine sorgenvolle Kollekt':
93
Wahrlich, der Tod im Hafen steckt! 94
Wo man Pfründen jetzt verleiht,

Sind Simon und Hiesi nicht weit.
Merk: will viel Pfründen ein Geselle,
So harrt er der letzten in der Hölle,
Da wird er finden eine Präsenz,
Die mehr bringt als sechsmal Absenz. 95

 
 
Wer singt Cras Cras glich wie eyn rapp
Der blibt eyn narr biß jnn syn grapp
Morn hat er noch eyn grœsser kapp

 
Wer singt »cras, cras« 96 gleichwie ein Rabe,
Der bleibt ein Narr bis hin zum Grabe;
Und hat morgen eine noch größere Kapp'.

 
XXXI.
Von vffschlag suchē

Der ist eyn narr dem gott jn gyt
Das er sich besseren soll noch hüt
Vnd soll von synen sünden lan
Eyn besser leben vohen an

Vnd er jm selbs sůcht eyn vffschlag
Vnd nymbt zyl vff eyn andern tag
Vnd singt Cras / Cras / des rappē gsang
Vnd weißt nit ob er leb so lang /
Dar durch synt narren vil verlorn

Die allzyt süngen / morn / morn / morn /
Was sünd an trifft vnd narrheyt sust
Do ylt man zů mit grossem lust
Was got an trifft / vnd recht ist gton
Das will gar schwærlich naher gon

Vnd sůcht eyn vffschlag jm allzyt
Bychten ist besser morn / dann hüt
Morn went wir erst recht leren tůn
Als spricht mancher verlorner sůn
Das selb morn / kumbt dañ nyemer me

Es flüht vnd smyltzt glich wie der schne
Biß das die sel nym blibē mag
So kumbt dann erst der mornig tag
So wurt von we der lib gekrenckt
Das er nit an die sel gedenckt

Also verdurbent jn der wűst
Der juden vil / der keyner műst
Noch solt gantz kumen jn das landt
Das gott verhieß mit syner handt
Wer hüt nit gschickt zů ruwen ist

Der fyndt morn me das jm gebrist
Wæn hüt berűfft die gottes stym
Der weißt nit / ob sie morn rüff jm
Der sint vil tusent yetz verlorn
Die meynten besser werden morn

 
31.
Vom Aufschubsuchen

Der ist ein Narr, dem Gott gebeut,
Daß er sich bessern soll noch heut
Und ab von seinen Sünden stehn,
Ein besser Leben sich ersehn,

Und der nicht gleich sich bessern mag,
Nein, Frist sich setzt zum andern Tag
Und singt »cras, cras!« des Raben Sang,
Und weiß nicht, ob er lebt so lang.
Viel Narren sind verlorngegangen,

Die allzeit: »Morgen! Morgen!« sangen.
Was Sünd' und Narrheit sonst angeht,
Da eilt man zu so früh wie spät;
Was Gott betrifft und Rechtes tun,
Das schleicht gar langsam näher nun,

Dem suchen Aufschub stets die Leute.
»Morgen ist besser beichten denn heute!
Wir lernen Rechttun morgen schon!«
So spricht gar mancher verlorne Sohn.
Derselbe Morgen kommt nimmer je,

Er flieht und schmilzt gleichwie der Schnee.

Erst wenn die Seel' nicht bleiben mag,
Dann erst kommt dieser morgige Tag,
Dann wird von Schmerz der Leib bedrängt,
Daß er nicht an die Seele denkt.

So sind auch in der Wüste vergangen
Der Juden viel; deren sollte gelangen
Kein einziger in jenes Land,
Das Gott verhieß mit milder Hand.
Wer heut' nicht fähig zur Reue ist,

Hat morgen noch mehr, was ihm gebrist.
Wen heute rief die Gottesstimm',
Weiß nicht, ob sie ruft morgen ihm,
Drum sind viel Tausend jetzt verloren,
Die morgen sich zu bessern schworen!

 
 
Der hűtt der hewschreck an der sunn
Vnd schüttet wasser jn eyn brunn
Wer hűttet das syn frow blib frum

 
Heuschrecken hütet an der Sonnen
Und Wasser schüttet in den Bronnen,
Wer hütet die Frau, so er gewonnen.

 
XXXII.
Von frowen huetten

Vil narren tag / vnd seltten gůt
Hat wer synr frowen hűtten důt
Dann welch wol wil / die důt selb recht
Welch vbel wil / die macht bald schlecht

Wie sie zů wegen bring all tag
Ir bœß fürnemen vnd anschlag
Leitt man eyn malschloß schon dar für
Vnd bslüßt all rygel / tor / vnd tűr /
Vnd setzt jns huß der hűtter vil

So gatt es dennaht als es wil
Was halff der turn dar jnn Danæ ging
Dar für / do sie eyn kynd entpfyng /
Penelope was fry vnd loß
Vnd hatt vmb sich vil bůler groß

Vnd was jr man zwentzig jor vß
Bleib sy doch frum / jn irem huß
Der sprech alleyn / das er noch sy /
Vor btrügniß syner frowen fry
Der hab syn frow ouch lieb vnd holt

Den syn frow nie betriegen wolt
Eyn hübsch frow die eyn nærrin ist
Ist glich eym roß dem oren gbryst
Wer mit der selben eren will
Der machet krumber fürchen vil

Eyn frōme frow sol haben gberd
Ir ougen schlagen zů der erd
Vnd nit hoffwort mit yederman
Tryben / vnd yeden gæfflen an
Noch hœren alles das man jr seitt /

Vil kuppler gont jn schoffes kleydt
Hett nit Helen vff pariß gifft
Eyn antwürt geben jn geschrifft
Vnd Dydo durch jr schwester Ann
Sie werent beid on frœmde mann

 
32.
Vom Frauenhüten

Viel Narrentag' und viel Verdruß
Hat, wer der Frauen hüten muß;
Denn welche wohl will, tut selbst recht,
Die übel will, die macht bald schlecht, 97

Wie sie zu Wege bring' all Tag
Ihr schlechte Absicht und Anschlag.
Legt man ein Malschloß 98 schon dafür
Und schließt all Riegel, Tor und Tür
Und setzt ins Haus der Hüter viel,

So geht es dennoch, wie es will.
Was half der Turm, drein Danae ging,
Dafür, daß sie ein Kind empfing?
Penelope war frei und los
Und hatt' um sich viel Buhler groß,

Ihr Mann blieb zwanzig Jahre aus,
Sie blieb gar schön in ihrem Haus.
Der sprech' allein, daß er noch sei
Von Weiberlist und Truge frei,
Und halt' die Frau auch lieb und hold,

Den seine Frau nie täuschen wollt'.

Eine Frau, die hübsch, doch närrisch ist,
Gleicht einem Roß, dem's Ohr gebrist;
Wer mit derselben ackern will,
Der macht der krummen Furchen viel.

Das sei der braven Frau Gebärde:
Die Augen schlagen zu der Erde,
Nicht Artigkeit von jedermann
Eintauschen, jeden gäffeln an,
Noch hören alles, was man sagt:

Viel Kupplern Schafsgewand behagt.
Hätt' Helena nicht, als Paris schrieb,
Antwort gegeben, er sei ihr lieb,
Und Dido durch ihre Schwester Ann',
Sie wären beid' ohn fremden Mann.

 
   
Wer durch die fynger sehen kan
Vnd loßt syn frow eym andern man
Do lacht die katz die müß sůsß an

 
Wer durch die Finger sehen kann
Und läßt die Frau einem andern Mann,
Da lacht die Katz' die Maus süß an.

 
XXXIII.
Von eebruch

Eebrechen wigt man als geryng
Als ob man schnellt eyn kyseling /
Eebruch / das gsatz yetz gantz veracht
Das keiser Julius hatt gemacht

Man vœrht keyn pen noch stroff yetz me
Das schafft das die synt jn der ee
Zerbrechen krűg vnd hæfen glich
Vnd kratz du mich / so kratz ich dich
Vnd schwig du mir / so schwig ich dir

Man kan wol haltten finger für
Die ougen / das man sæch dar vß
Vnd wachend tůn / als ob man ruß /
Man mag yetz lyden frowen schmach
Vnd gat dar nach keyn stroff noch rach

Die mann / starck mægen hant jm land
Sie mœgen towen gar vil schand
Vnd tůn als ettwan dett Catho
Der lech syn frow Hortensio /
Wenig sint den gat yetz zů hertz

Vß eebruch sollch leyd / sorg / vnd smertz
Als Atrydes strafften mit recht
Do jn jr wiber worent gschmæht /
Oder als Collatinus det
Das man Lucretz geschmæhet het /

Des ist der eebruch yetz so groß
Clodius beschisßt all weg vnd stroß /
Der yetz mit geyßlen die wol strich
Die vß dem eebruch rűmen sich /
Als man Salustio gab lon

Mancher der wurd vil schnatten han /
Ging yedem eebruch sollch plag nach
Als dann Abymelech geschach /
Vnd den sűnen Benyamyn /
Oder dar noch ging sollich gwynn

Als Dauid gschah mit Bersabee
Manchen glust brechen nit die ee /
Wer lyden mag das syn frow sy
Im eebruch / vnd er wont jr by
So er das wißlich weisßt vnd sycht

Den halt ich für keyn wysen nycht
Er gibt jr vrsach mer zů fall
Dar zů die nochburn mumlen all
Er hab mit jr teyl vnd gemeyn
Sie bring ouch jm den rœrroub heyn

Sprech zů jm / hans myn gůtter man
Keyn liebern will ich / wen dich han
Eyn katz den müsen gern noch gat
Wann sie eynst angebissen hat /
Welch hatt vil ander mann versůcht

Die würt so schamper vnd verrůcht
Das sie keyn scham noch ere me acht
Irn můtwill sie alleyn betracht /
Eyn yeder lůg das er so leb
Das er synr frow keyn vrsach geb

Er hallt sie früntlich / lieb vnd schon
Vnd vœrcht nit yeden glocken thon /
Noch kyfel mit jr nacht vnd tag
Lůg dar by was die glocken schlag
Dann ich das rott jn truwen keym

Das er vil gest fűr mit jm heym
Vor vß lůg für sich der genow
Wer hat ein hübsch / schō / weltlich frow
Dann nyemans ist zů truwen wol
All welt ist falsch vnd vntruw vol

Menelaus hett syn frow behan
Hett er Paris do vsßhin gelan /
Hett Agammennon nit zů huß
Gelossen syn fründt Egysthus
Vnd dem vertruwt hof / gůt / vnd wyb

Er wer nit kumen vmb syn lyb /
Glych wie Candaules der dor groß
Der zeigt syn wyb eym andern bloß /
Wer nit syn freüd mag han alleyn
Dem gschicht reht das sie werd gemeyn

Dar vmb soll man han für das best
Ob eelüt nit gern haben gest
Vor vß / den nüt zů trüwen ist
Die weltt steckt voll beschysß vnd lyst
Wer argwon hat / der gloubt gar bald

Das man tűg das jm nit gefalt
Als Jacob mit dem rock beschach
Den er mit blůt besprenget sach
Aswerus gdocht das Amon meynt
Hester gesmæhen der doch weynt /

Abraham vorcht synr frowen ee
Dann er ye kæm gon Gerare
Wæger eyn schmyrtzler jn sym huß
Dann brűten frœmde eyer vß
Wer vil vß fliegen will zů wald

Der wurt zů eyner grasmuck bald /
Wer brennend kol jnn gœren leidt
Vnd schlangen jnn sym bůsen treyt
Vnd jnn synr teschen zücht eyn muß
Solch gest lont wenig nutz jm huß

 
33.
Von Ehebruch

Ehbrechen wägt man als gering,
Als ob man schnellt' einen Kieseling.
Ehbruch hat des Verbots nicht acht,
Des Kaiser Julius gemacht.

Man scheut jetzt Straf noch Tadel nicht,
Das macht, die in der Ehe Pflicht
Zerbrechen Töpf' und Häfen gleich 99
Und: »Schweig du mir, so ich dir schweig!«
Und: »Kratz du mich, so kratz' ich dich!«

Man kann die Finger halten sich
Vor's Auge so, daß man doch sieht,
Und wachen bei geschlossenem Lid.
Man kann jetzt leiden Frauenschmach,
Und folgt nicht Straf' noch Rache nach.

Stark ist im Land der Männer Magen,
Viel Schande können sie vertragen
Und tun, was ehemals Cato tat,
Der dem Hortens die Frau abtrat.
Gar wen'gen gehen jetzt zu Herzen

Aus Ehbruch Leid' und Sorg' und Schmerzen,
Wie die Atriden straften recht,
Da ihre Frauen man geschwächt,
Oder wie Collatinus tat,
Als man Lukrezia Schmach antat.

Drum ist der Ehbruch jetzt so groß,

Auf allen Straßen ist Clodius 100 los.
Wer jetzt mit Geißeln die wohl strich',
Die wegen Ehbruchs rühmen sich,
Wie man Salustio gab Lohn –

Trüg mancher Striemen viel davon.
Wär' solche Straf' für Ehbruch da,
Wie Abimelech einst geschah,
So wie den Söhnen Benjamin,
Oder würd' ihm solcher Gewinn,

Wie David geschah mit Bersabe 101
Mancher würd' brechen nicht die Eh'.
Wer leiden kann, daß sein Weib sei
Im Ehbruch, und er wohnt ihr bei,
So er das kündlich weiß und sieht,

Den hält für klug nicht mein Gemüt.
Er gibt ihr Ursach mehr zu Fall;
Dazu die Nachbarn munkeln all,
Er hab' mit ihr teil und gemein,
Und ihre Beute sei auch sein.

Sie sprech' zu ihm: »Hans, guter Mann,
Dich seh' ich doch am liebsten an!« –
Die Katz' den Mäusen gern nachgeht,
Wenn sie das Mausen erst versteht;
Und die viel andre hat versucht,

Wird also schandbar und verrucht,

Daß Ehr' und Scham sie nicht mehr achtet,
Nach Üppigkeit allein sie trachtet.
Ein jeder schau, daß er so lebe,
Daß er der Frau nicht Ursach gebe;

Er halt' sie freundlich, lieb und schön
Und fürcht' nicht jeder Glock' Getön,
Noch keif' er mit ihr Nacht und Tag;
Er sehe, was die Glocke schlag',
Dann laß dies treuer Rat dir sein:

Führ' nicht viel Gäste bei dir ein!
Vor allen schaue der genau,
Wer hat eine feine, hübsche Frau,
Denn niemand ist zu trauen wohl,
Die Welt ist falsch und Untreu' voll.

Es blieb' die Frau dem Menelaus,
Wenn Paris nicht kam in das Haus;
Hätt' Agamemnon den Aegisth
Nicht zu Haus gelassen, wie Ihr wißt,
Und ihm vertraut Weib, Hof und Gut,

Hätt' fließen müssen nicht sein Blut,
Gleichwie Kandaules, der Tor so groß,
Der zeigte sein Weib einem andern bloß.
Wer Freude nicht will haben allein,
Dem geschieht ganz recht, wird sie gemein;

Drum soll man halten das für's Beste,

Wenn Ehleut' nicht gern haben Gäste.
Zumal denen nicht zu trauen ist:
Die Welt steckt voll Betrug und List!
Wer Argwohn hat, der glaubt gar bald,

Man tue, was ihm nicht gefallt,
Wie Jakob mit dem Rock geschah,
Den er mit Blut besprenget sah;
Ahasverus dachte, daß Haman meinte
Die Esther zu schmähen, der doch weinte;

Für Sarah fürchtete Abraham eh,
Bevor er kam gen Gerare.
Besser ist ängstlich hüten das Haus
Als fremde Eier brüten aus.
Wer viel ausfliegen will zu Wald,

Der gleichet der Grasmücke 102 bald.
Wer brennende Kohlen im Kleide trägt
Und Schlangen in seinem Busen hegt
Und in der Tasche zieht eine Maus –
Die Gäste nützen wenig dem Haus.

 
 
Manchen dunckt / er wer witzig gern
Vnd ist eyn ganß doch / hür als vern
Dann er keyn zůcht / vernunfft / will lern

 
Mancher hält sich für weise gern
Und bleibt eine Gans doch heuer wie fern, 103
Lernt nicht Vernunft noch Zucht begehrn.

 
XXXIV.
Narr hur als vern

Eyn narr ist der vil gůttes hœrt
Vnd würt syn wißheyt nit gemœrt
Der allzyt bgert erfaren vil
Vnd sich dar von nit besseren wil

Vnd was er sicht will er han ouch
Das man merck / das er sy eyn gouch
Dann das ist aller narren gbrust
Was nuw ist / allzyt doren glust
Vnd hant doch bald vernüwgert dran

Vnd wellen ettwas frœmdes han
Eyn narr ist wer vil land durchfert
Vnd wenig kunst / noch tugend lert
Als ist eyn ganß geflogen vß
Vnd gagack kumbt wider zů huß /

Nit gnůg / das eyner gwæsen sy
Zů Rom / Hierusalem / Pauy
Aber do ettwas geleret han
Das man vernunfft / kunst / wißheit kan
Das halt ich fůr eyn wandlen gůt /

Dann ob voll krützer wer din hůt
Vnd du künst schissen berlin kleyn
Hielt ich doch nit vff das allein
Das du vil land ersůchet hast
Vnd wie eyn ků / on wißheit gast

Dann wandlen ist kein sunder ere
Es sy dann das man sunders ler
Hett Moyses jn Egypten nüt /
Vnd Daniel gelert die zyt
Do er was jn Chaldeen landt

Sye weren nit so wol erkant
Mancher kumbt melbig zů der bicht
Der gantz wisß werden meint / vnd licht
Vnd gat beræmt doch wider heyn
Vnd dreyt am hals eyn mülensteyn

 
34.
Immer ein Narr bleiben

Ein Narr ist, wer viel Gutes hört
Und doch nicht seine Weisheit mehrt,
Wer allzeit wünscht Erfahrung viel
Und sich davon nicht bessern will,

Und was er sieht, begehret auch,
Damit man merk', er sei ein Gauch.
Denn das plagt alle Narren sehr:
Was neu ist, das ist ihr Begehr;
Doch ist die Lust dran bald verloren

Und etwas andres wird erkoren.
Ein Narr ist, wer durchreist viel Land
Nichts lernt und mehrt nicht den Verstand,
Der als eine Gans geflogen aus
Und kommt als Gagak heim nach Haus.

Nicht genug ist's, daß er gewesen sei
Zu Rom, Jerusalem, in der Türkei,
Sondern daß etwas gelernt er hat,
Daß er besitzt Vernunft, Kunst, 104 guten Rat;
Das halt' ich für ein Wandeln gut.

Denn wär' voll Kreuze auch dein Hut, 105

Und könntest du scheißen Perlen fein,
So schätzte ich doch nicht allein,
Daß du viel Land besucht und sahst
Und – wie die Kuh ohn' Weisheit stahst.

Denn wandern bringt nicht große Ehre,
Es sei denn, daß man klüger wäre.
Hätt' Moses im Ägypterland
Und Daniel nicht bekommen Verstand,
Als er war in Chaldäa fern,

Man würde sie nicht also ehrn.
Mancher kommt staubig zu der Beicht',
Der rein zu werden meint und leicht,
Und geht doch wieder fort unrein
Und trägt am Hals den Mühlenstein.

 
 
Wer stæts jm esel hat die sporen
Der juckt jm dick biß vff die oren
Bald zürnen / stat wol zů eym doren

 
Wer stets im Esel hat die Sporen,
Der rückt ihm oft bis auf die Ohren:
Leicht zürnen steht wohl einem Toren.

 
XXXV.
Von luchtlich zyrnen

Der narr den esel allzyt ryt
Wer vil zürnt do man nüt vmb gyt
Vnd vmb sich schnawet als eyn hunt
Keyn gůtig wort gat vß sym mundt

Keyn bůchstab kan er dann das R
Vnd meynt man soll jn vœrchten ser
Das er müg zürnen wann er well
So spricht eyn yeder gůtter gsell
Wie důt der narr sich so zerryssen

Vnglück will vns mit narren bschyssen
Er wænt man hab keyn narren vor
Gesehen / dann hans esels or /
Der zorn hyndert eyns wysen můt
Der zornig weyßt nit was er důt /

Archytas / do jm vnrecht gschach
Von synem knecht / zů jm er sprach /
Ich soltt das yetz nit schencken dir
Wann ich nit merckt eyn zorn jn mir /
Des glychen Plato ouch geschach

Keyn zorn von Socrates man sach /
Wæn lycht syn zorn jn vngedult
Zücht / der velt bald jn sünd vnd schuldt /
Gedult / senfft widerwertikeyt
Eyn weiche zung bricht herttikeyt

All tugend / vngedult verschytt
Wer zornig ist / der bettet nit
Vor schnellem zorn / dich allzyt hűt
Dann zorn wont jnn eyns narrē gmůt
Vil ringer wer eyns beren zorn

Der joch syn jungen hett verlorn
Dann tulden / das eyn narr dir důt
Der vff syn narrheyt setzt syn můt /
Der wiß man důt gemach allzyt
Eyn gæher / billich esel rytt

 
35.
Von leichtem Zürnen

Der Narr das Eselreiten liebt,
Der unnütz sich mit Zorn betrübt
Und um sich knurret wie ein Hund,
Kein gutes Wort läßt aus dem Mund,

Keinen Laut kennt als nur das R
Und meint, man soll ihn fürchten sehr,
Weil er kann zürnen nach Behagen.
Drum hört man gute Freunde sagen:
»Wie tut der Narr sich so zerreißen!

Unglück will uns mit Narrn bescheißen!
Er wähnt, man hab' nicht Narren zuvor
Gesehen als Hans Eselsohr!«
Den Weisen blendet Zornesglut,
Der Zornige weiß nicht, was er tut.

Archytas 106 sprach zu seinem Knecht,
Als ihm von dem geschah Unrecht:
»Ich würde dies nicht schenken dir,
Spürt' ich nicht jetzo Zorn in mir!«
Mit Plato solches auch geschah;

An Sokrates nicht Zorn man sah.

Wen leicht sein Zorn zu Ungeduld
Bringt, der fällt bald in Sünd' und Schuld.
Geduld besänftigt Widrigkeit,
Eine weiche Zunge Härtigkeit;

All Tugend Ungeduld zerbricht,
Wer zornig ist, der betet nicht.
Vor schnellem Zorn dich allzeit hüte,
Denn Zorn wohnt in des Narrn Gemüte.
Viel leichter ist des Bären Zorn,

Hätt' er die Jungen auch verlorn,
Zu dulden als des Toren Wut,
Für den die Narrheit höchstes Gut.
Den weisen Mann ziert Mäßigkeit,
Der Jähe auf dem Esel reit'!

 
 
Wer vff syn eygnen synn vßflügt
Der selb zůn vogel næster stygt
Das er offt / vff der erden lygt

 
Wer auf den eignen Sinn ausfleugt
Und gern zu Vogelnestern steigt,
Der fällt zur Erde oft und leicht.

 
XXXVI.
Von Eygenrichtikeit

Der kratzet sich mit den dornen scharff
Wæn duncket das er nyemans darff
Vnd meynt er sy alleyn so klůg
Vnd allen dingen witzig gnůg

Der jrrt gar dick vff ebner stroß
Vnd fűrt sich jnn eyn wilttniß groß
Das er nit licht kumbt wyder heyn /
We dem der velt / vnd ist alleyn
Zů kætzer synt vil worden offt

Die woltten nit / das man sie strofft
Verlossend sich vff eygne kunst
Das sie eruolgtent rům vnd gunst
Vil narren fyelen ettwann hoch
Die stygen vogelnæster noch

Vnd sůchten wæg / do keyner was
On leytter mancher nyder saß
Verahtung dick den boden rűrt
Vermessenheyt vil schiff verfűrt
Nyemer erfolget nutz noch ere

Wer nit mag han / das man jn lere
Die welt wolt Noe hœren nye
Biß vndergingen lüt vnd vieh /
Chore wolt důn das jm nit zam
Dar vmb er mit sym volck vmb kam

Das sunder thier das frißt gar vil
Wer eygens koppfs sich bruchen will /
Der selb zertrennen vnderstat
Den rock gar offt / der do ist on nat
Wer hofft dem narren schiff entgan

Der můß des wachs jnn oren han
Das brucht Vlisses vff dem mer
Do er sach der Syrenen her
Vnd er durch wißheyt von jnn kam
Do mit eyn end jr hochfart nam

 
36.
Von Rechthaberei

Der kratzt sich mit den Dornen scharf,
Wen dünkt, daß niemands er bedarf,
Und meint, er sei allein so klug,
In allen Dingen gewitzt genug;

Der irrt gar oft auf ebnem Wege
Gerät gar leicht auf wilde Stege,
Auf denen Heimkehr nicht wird sein.
Weh dem, der fällt und ist allein!
Zu Ketzern wurden oft verkehrt,

Die rechter Tadel nicht belehrt,
Verlassend sich auf eigne Kunst,
Daß sie erlangten Ruhm und Gunst.
Viel Narren fielen schnell und jach,
Die stiegen Vogelnestern nach

Und suchten Weg, wo keiner was;
Ohn' Leiter mancher niedersaß;
Verachtung oft den Boden rührt; 107
Vermessenheit viel Schiff' verführt,
Und dem folgt Nutzen nie noch Ehre,

Wer nicht will, daß man ihn belehre.

Die Welt wollt' Noah hören nie,
Bis untergingen Leut' und Vieh;
Korah wollt' tun, was Schand' erwarb,
Drum er mit seinem Volke starb.

Das sondre Tier, 108 das frißt gar viel.
Wer eignen Kopf gebrauchen will,
Sich zu zertrennen untersteht
Den Rock, der nirgend ist genäht.
Wer hofft, vom Narrenschiff zu weichen,

Der muß vom Wachs ins Ohr sich streichen,
Das tat Ulysses auf dem Meer,
Als er sah der Sirenen Heer
Und ihm durch klugen Sinn entkam,
Womit ihr Stolz ein Ende nahm.

 
 
Wer sitzet vff des glückes rad
Der ist ouch warten fall / mit schad
Vnd das er ettwann næm eyn bad

 
Wer sitzet auf des Glückes Rade,
Der sehe, daß kein Fall ihm schade,
Und daß er etwan komm' zum Bade.

 
XXXVII.
Von gluckes fall

Der ist eyn narr der stiget hoch
Do mitt man sæch syn schand vnd schmoch
Vnd sůchet stæts eyn hœhern grad
Vnd gdencket nit an glückes rad

Eyn yedes ding wann es vffkunt
Zům hœchsten / felt es selbst zů grunt
Keyn mensch so hoch hie kumen mag
Der jm verheiß den mornden tag
Oder das er morn glück soll han

Dann Clotho loßt das rad nit stan /
Oder den syn gůt vnd gewalt
Vorm tod eyn ougenblick behalt /
Wer gwalt hatt der hat angst vnd nott
Vil synt durch gwalt geschlagen dott /

Den gwalt man nit langzyt behalt
Den man můß schyrmen mitt gewalt
Wo nit lieb ist vnd gunst der gmeyn
Do ist vil sorg vnd wollust kleyn
Der můß vil vœrchten / der do wil

Das jn ouch sœllen vœrchten vil
Nůn ist vorcht / gar eyn bœser knecht
Die leng mag sie nit hűtten recht
Wer hatt gewalt der selb der ler
Lieb haben gott / vnd sůch syn ere

Wer gerechtikeyt halt jn der hant
Des gwalt mag haben gůt bestant
Der hatt syn gwalt wol angeleyt
Vmb des abgang man truren treit
We dem regyerer noch des dot

Man sprechen můß gelobt sy gott
Wer waltzt eyn steyn vff jn die hœh
Vff den falt er vnd důt jm we
Vnd wer verloßt sich vff syn glück
Der vellt offt jn eym ougenblyck

 
37.
Von Glückes Zufall

Der ist ein Narr, der hochauf steigt,
Damit er Schmach und Schande zeigt,
Und sucht stets einen höhern Grad
Und denkt nicht an des Glückes Rad.

Was hochauf steigt in dieser Welt,
Gar plötzlich oft zu Boden fällt.
Kein Mensch so hoch hier kommen mag,
Der sich verheißt den künft'gen Tag,
Und daß er Glück dann haben will,

Denn Klotho 109 hält ihr Rad nicht still,
Oder dessen Macht und Güter
Wären vor dem Tod ein Hüter.
Wer Macht hat, der hat Angst und Not,
Viel sind um Macht geschlagen tot.

Die Herrschaft hat nicht langen Halt,
Die man muß schirmen mit Gewalt.
Wo keine Lieb' und Gunst der Gemein',
Da ist viel Sorg' – und Freude klein.
Es muß viel fürchten, wer da will,

Daß ihn auch sollen fürchten viel.
Nun ist die Furcht ein böser Knecht,
Sie kann nicht lange hüten recht.
Wer innehat Gewalt, der lerne
Liebhaben Gott und ehr' ihn gerne.

Wer Gerechtigkeit hält in der Hand,

Des Macht mag haben gut Bestand;
Des Herrschaft war wohl angelegt,
Um dessen Tod man Trauer trägt.
Weh dem Regenten, nach des Tod

Man sprechen muß: »Gelobt sei Gott!«
Wer einen Stein wälzt auf die Höh',
Auf den fällt er und tut ihm weh,
Und wer vertrauet auf sein Glück,
Fällt oft in einem Augenblick.

 
 
Wer kranck ist / vnd lyt jn der nott
Vnd volget nit eyns artztes rott
Der hab den schaden / wie es gott

 
Wer krank ist und liegt in der Not
Und folgt nicht eines Arztes Gebot,
Der hab' den Schaden, der ihm droht!

 
XXXVIII.
Vō krâckē die nit volgē

Der ist eyn narr der nit verstat
Was jm eyn artzt jnn nœten rat
Vnd wie er recht haltt syn dyget
Die jm der artzt gesetzet hett

Vnd er für wyn das wasser nymbt
Oder des glich das jm nit zymbt
Vnd lůg das er syn lust erlab
Biß man jn hyn treit zů dem grab
Wer will der kranckheyt bald entgan

Der soll dem anfang widerstan
Dann artzeny můß würcken langk
Wann kranckheyt vast nymbt vberhanck
Wer gern well werden bald gesund
Der zoug dem artzet recht die wund

Vnd lyd sich / so man die vff brech
Oder mit meißlin dar jn stech
Oder sie hefft / wesch / oder bynd
Ob man jm schon die hut abschynd
Do mit alleyn das leben blib

Vnd man die sel nit von jm trib /
Eyn gůtter artzt dar vmb nit flücht
Ob joch der kranck halber hyn zücht
Eyn siech sich billich lyden sol
Vff hoffnung / das jm bald werd wol /

Wer eym artzt jn der kranckheyt lügt
Vnd jn der bicht eyn priester drügt
Vnd vnwor seyt sym aduocat
Wann er will nemen by jm ratt
Der hatt jm selbs alleyn gelogen

Vnd mit sym schaden sich betrogen
Eyn narr ist / der eyn artzet sůcht
Des wort / vnd ler / er nit gerůcht
Vnd volget altter wiber rott
Vnd loßt sich segen jn den dott

Mitt kracter vnd mitt narren wurtz
Des nymbt er zů der hell eyn sturtz
Des abergloub ist yetz so vil
Do mitt man gsuntheyt sůchen will
Wann ich das als zů samen sůch

Ich maht wol druß eyn ketzerbůch
Wer kranck ist der wer gern gesunt
Vnd acht nit wo die hilff har kunt
Den tüfel rűfft gar mancher an
Das er der kranckheyt mœcht engan

Wann er von jm hülff wartend wer
Vnd nit műst sorgen grœsser schwer /
Der würt jnn narrheyt gantz verrůcht
Wer wider gott gesuntheyt sůcht
Vnd on die wore wißheyt gert

Das er well wyß syn vnd gelert
Der ist nit gsunt / sunder gantz blœd /
Nit wyß / sunder jn torheyt schnœd
In stætter kranckheyt er verhartt
In vnsünn blintheyt gantz ernarrt /

Kranckheyt vß sünden dick entspringt
Die synd vil grosser siechtag bringt
Dar vmb wer kranckheyt will entgan
Der soll gott wol vor ougen han
Lůgen das er der bicht sich noh

Ee er die artzeny entpfoh
Vnd das die sel vor werd gesunt
Ee dann der liplich artzet kunt
Aber es spricht yetz mancher gouch
Was sich gelibt das gesœlt sich ouch

Doch wurt es sich zů lest so liben
Das weder lib noch sel wurt bliben
Vnd werden ewig kranckheyt han
So wir der zyttlich went entgan
Vil sindt yetz ful / vnd langest dott

Hetten sie vor gesůchet gott
Syn gnad erworben / hülff / vnd gunst
Ee dann sie sůchten artzet kunst
Vnd meynten leben on syn gnad
Stűrben doch mit der selen schad /

Hett Machabeus sich verlon
Alleyn vff gott / vnd nit vff Rom
Wie er zům ersten dett dar vor /
Er hett gelebt noch lange jor
Ezechias wer gestorben dott

Hett er sich nit gekœrt zů gott
Vnd dar vmb erworben / das gott wolt
Das er noch lenger leben soltt
Hett sich Manasses nit bekert
Gott hett jn nyemer me erhœrt

Der herr zů dem bettrysen sprach
Der lange jor was gwesen schwach
Gang hyn / sünd nym / nit biß eyn narr
Das dir nit bœsers wider far /
Mancher gelobt jn kranckheyt vil

Wie er syn leben bessern will
Dem spricht man / do der siech genaß
Do wart er bœser dann er was
Vnd meynt gott do mitt btrogen han
Bald gont jn grœsser plagen an

 
38.
Von unfolgsamen Kranken

Der ist ein Narr, der nicht versteht,
Was ihm ein Arzt in Nöten rät,
Und der nicht recht Diät will leben,
Wie ihm der Arzt hat aufgegeben,

Und der für Wein nun Wasser nimmt
Und andres, was ihm sonst nicht ziemt,
Und lugt, daß er sein Lüstchen labe,
Bis man ihn hinträgt zu dem Grabe.
Wer bald der Krankheit will entgehn,

Der soll dem Anfang widerstehn,
Denn Arzenei muß wirken lang,
Wenn Krankheit schon nahm Überhang.
Wer gern will werden bald gesund,
Der zeig' dem Arzte recht die Wund'

Und dulde, daß man sie aufbreche
Oder mit Sonden darein steche,
Sie wasche, hefte und verbinde,
Ob man ihm auch die Haut abschinde,
Damit ihm nur das Leben bleibe

Und man die Seel' nicht von ihm treibe.
Ein guter Arzt darum nicht flieht,
Wenn auch der Kranke halb hinzieht;
Ein Siecher billig dulden soll
Auf Hoffnung, daß ihm bald werd' wohl.

Wer einem Arzt in Krankheit lügt

Und in der Beicht' den Priester trügt
Und Falsches sagt dem Advokaten,
Der ihm doch soll zum Guten raten,
Der hat sich ganz allein betrogen,

Zu seinem Schaden sich belogen.
Ein Narr ist, wer den Arzte befragt
Und dann nicht tut, was der ihm sagt,
Doch alter Weiber Rat hält fest
Und in den Tod sich segnen läßt

Mit Amulett und Narrenwurz,
So nimmt zur Hölle er den Sturz.
Des Aberglaubens ist jetzt viel,
Womit man Heilung suchen will,
Wenn ich den all zusammensuch',

Mach' ich wohl draus ein Ketzerbuch. 110
Der Kranke nach Gesundheit schmachtet
Und überall nach Hilfe trachtet;
Den Teufel riefe mancher an,
Daß er der Krankheit möcht' entgahn,

Wenn ihm von dem auch Hilfe würde
Müßt' er doch fürchten ärg're Bürde.
Der wird in Narrheit ganz verrucht,
Wer wider Gott Gesundheit sucht
Und ohne Weisheit doch begehrt,

Als klug zu gelten und gelehrt,

Der ist gesund nicht, sondern blöde,
Nicht klug, vielmehr in Torheit schnöde;
In steter Krankheit er verharrt
Und ist in Blindheit ganz ernarrt.

Krankheit aus Sünden oft entspringt,
Denn Sünde großes Siechtum bringt.
Drum wer der Krankheit will entgehn,
Dem soll Gott wohl vor Augen stehn,
Der soll sich erst der Beichte nahn,

Eh' er will Arzenei empfahn,
Und soll zuvor die Seele heilen,
Eh' er zum Leibesarzt will eilen.
Doch redet jetzo mancher Gauch:
»Was sich beleibt, beseelt sich auch!«

Doch wird es sich zuletzt so leiben,
Daß weder Leib noch Seele bleiben,
Und ewige Krankheit den ficht an,
Der hier will zeitlicher entgahn.
Viel sind verfault und längst schon tot,

Die, hätten sie gesuchet Gott,
Sich Gnad' erworben, Hilf' und Gunst,
Eh' sie gesucht Arzneienkunst
Und Leben hofften ohne Gnaden,
Hinstarben zu der Seele Schaden.

Hätt' Makkabäus recht vertraut

Auf Gott und nicht auf Rom gebaut,
Wie er zuerst beraten war,
Er hätt' gelebt noch lange Jahr'.
Hiskias wär' gestorben, tot,

Hätt' er sich nicht gekehrt zu Gott
Und so erworben, daß Gott wollte,
Daß er noch länger leben sollte.
Hätt' sich Manasse nicht bekehrt,
Gott hätt' ihn nimmermehr erhört.

Der Herr zu dem Bettsiechen sprach,
Der lange Jahr' gewesen schwach:
»Geh hin, bleib rein und sei kein Narr,
Daß dir nicht Schlimmeres widerfahr!«
Mancher gelobt in Krankheit viel,

Wie er sein Leben bessern will,
Von dem spricht man: »Der Sieche genas
Und wurde schlimmer, als er was!«
Er meinet Gott damit zu äffen:
Bald wird ihn größre Plage treffen!