Fabelverzeichnis
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Walther von der Vogelweide
ca. 1170 – 1230






Eine kleine Auswahl seiner Lieder

Frühe Lieder

Traditionelle Minnelieder

Mädchenlieder

Alterslieder

Der Leich

Palästinalied

Reichsklage

Religiöse Sprüche

Lebensweisheiten
 


Walther von der Vogelweide war ein Berufsdichter.
Schon im 13. Jahrhundert gehört er zu den allerersten Vorbildern, später zu den zwölf alten Meistern der Meistersinger.

Die einzige urkundliche Bezeugung ist eine Reiserechnung vom 12. November 1203 ausgestellt vom Bischof Wolfger von Passau bei Zeiselmauer
(zwischen Tulln und Klosterneuburg) dem "Walthero cantori de Vogelweide" sind 5 Solidi für den Kauf eines Pelzrocks geschenkt worden.


                                              
Der Name von der "Vogelweide" ist ein nicht seltener Flurname, der den Nist-oder Rastplatz von Zugvögeln bezeichnet.
Bis heute aber ist nicht einmal eine Familie nachgewiesen, die zu Walthers Zeiten seinen Namen trug.
Fast zwei Dutzend Orte in Deutschland, Österreich und der Schweiz streiten sich um die Ehre,
Geburtsort Wahlthers von der Vogelweide zu sein.
Nicht auzuschließen ist die Vermutung, dass es sich um einen sprechenden Beinamen handelt,
einen Übernamen, der Schicksal und Beruf charakterisieren soll.

Wo war sein Geburtsort wirklich: Nach seinen eigenen Worten – "ze Osterrîche lernt ich singen unde sagen"
stammte er aus dem Babenberger Herzogtum Österreich.
(Seine Sprache ist frei von mundartlichen Eigenheiten, die eine genauere Herkunftsbestimmung ermöglichten.)
In Österreich ist jedenfalls die einzige Urkunde ausgestellt, die seinen Namen trägt.-s.o.


Nachfolgend den ganzen Text, der seinen Geburtsort bestätigen könnte: Quelle: ©Reclam 1994 Band I. Spruchlyrik
 
Nû wil ich mich des scharpfen sanges ouch genieten.
dâ ich ie mit forhten bat, dâ will ich nû gebieten.
ich sihe wol, daz man hêrren guot und wîbes gruoz
gewalteclîch und ungezogenlîch erwerben muoz.
singe ich mînen höveschen sanc, sô klagent siz Stollen.
dêswâr, ich gewinne ouch lîhte knollen,
sît si die schalkheit wellen, ich gemache in vollen kragen!
ze Oesterrîche lernt ich singen unde sagen,
dâ wil ich mich allerêrst beklagen,
finde ich an Liupolt höveschen trôst, so ist mir mîn muot entswollen.
Nun will ich mich des scharfen Sanges auch befleißigen!
Wo ich einst in Ehrfurcht gebeten habe, da will ich nun gebieten.
Ich sehe wohl, daß man der Herren Gabe und der Frauen Gruß
gewaltsam und ungezogen erwerben muß.
Singe ich meinen höfischen Sang, dann klagen sie es Stolle.
Wahrlich, mir schwillt vielleicht auch der Kropf,
da sie die Grobheit wollen – ich werde ihnen volle Kragen machen!
In Österreich lernte ich singen und sagen,
dort will ich mich zuerst beklagen.
Finde ich bei Leopold höfischen Trost, dann schwillt mir mein Zorn ab.

Wenn man den Angaben in Walthers Liedern und vor allem in seinen Sprüchen folgt, dann könnte man die Stationen seines Lebens
etwa wie folgt rekonstruieren:
Um 1170 geboren, um 1190 am Hofe Herzog Leopold V. in Wien Dort wurde er zum Minnesänger ausgebildet.
Anfänglich noch unter dem Einfluss von Reinmar des Alten.
Walther lernt durch die Berührung mit den Vaganten, fahrenden Klerikern, die Lyrik des Mittelalters kennen,
die ihm wichtige Impulse für seine "Mädchenlieder" liefert.
Anschließend brach er in die Welt auf: 1198, nach dem Tode seines Gönners, des Herzogs von Österreich Friedrich I.
Er geht an den Hof Philipps von Schwaben (1177-1208 ermordet) bis etwa 1203.
Er war in der Umgebung verschiedener Fürsten zu finden, darunter waren z.B: Herzog Leopold VI. von Österreich,
Landgraf Hermann V. von Thüringen und Markgraf Dietrich IV. von Meißen, am Hofe Ottos IV.:1212/13,
des Herzogs Bernhard von Kärnten (1202-1256). u. a.
Mit Unterbrechung ab 1214 in der Umgebung von Staufer-Kaiser Friedrich II. in dessen Diensten er dichtet;
von 1227/28. Nicht ohne ihm vorher zum wiederholten Male ihn um ein Lehen gebeten zu haben.


Diese Bitte und Dank zum nachlesen:
Quelle: ©Reclam 1994 Band I. Spruchlyrik
 


Lehensbitte an Friedrich

 

Von Rôme voget, von Pülle künic, lât iuch erbarmen,
daz man bî rîcher kunst mich lât alsus armen.
gerne wolte ich, möhte ez sîn, bî eigenem fiur erwarmen.
ahî, wie ich danne sunge von den vogellînen,
von der heide und von den bluomen als ich wîlent sanc!
swelh schœne wîp mir gebe danne ir habe danc,
der lieze ich lilien unde rôsen ûz ir wengel schînen.
kume ich spâte und rîte fruo: gast, we dir, wê!
sô mac der wirt wol singen von dem grüenen klê.
die nôt bedenkent, milter künic, daz iuwer nôt zergê.

 
Schirmherr von Rom, König von Apulien, laßt es Euch erbarmen,
daß man mich bei reicher Kunst so arm sein läßt.
Gerne wollte ich, könnte es sein, an eigenem Feuer warm werden.
Ach, wie ich dann sänge von den Vöglein,
von der Heide und von den Blumen, wie ich einstmals sang!
Welche schöne Frau auch immer mir dann ihr Dankeschön sagte —
der ließe ich Lilien und Rosen auf ihren Wänglein erblühen.
Komme ich spät an und reite früh weg: Gast, weh dir, weh!
Dagegen kann der Hausherr gut vom grünen Klee singen.
Diese Not bedenkt, großmütiger König, damit (auch) Eure Not vergehe.

 

Um 1220 ist es endlich soweit! Er bekam von Friedrich II. sein lang ersehntes Lehen. Seine Freude darüber, ist im folgenden Text nachzulesen.
 


Lehensdank
 

Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen!
nû enführte ich niht den hornung an die zêhen
undwil alle bœse hêrren desterminre flêhen.
der edel künic, der milte künic hât mich berâten,
daz ich den sumer luft und in dem Winter hitze hân.
mînen nâhgebûren dunke ich verre baz getân,
sie sehent mich niht mêr an in butzen wîs als sî wîlent tâten.
ich bin ze lange arm gewesen ân mînen danc,
ich was sô volle scheltens daz mîn atem stanc.
daz hât der künic gemachet reine und dar zuo mînen sanc.

 
Ich hab mein Lehen, alle Welt, ich hab mein Lehen!
Nun fürchte ich den Hornung nicht mehr an den Zehen
und will alle schlechten Herren um so weniger anflehen.
Der edle König, der freigebige König hat mich versorgt,
so daß ich den Sommer über Luft, im Winter Hitze habe.
Meinen Nachbarn erscheine ich nun weitaus besser ausgestattet,
sie sehen mich nicht mehr an wie ein Schreckgespenst, wie sie es früher taten.
Ich bin zu lange arm gewesen — ohne mein Verschulden,
ich war so voller Schelten, daß mein Atem stank.
All dies hat der König rein gemacht, und ebenso meinen Sang.

 

Walther von der Vogelweide war nicht nur der bedeutenste und vielseitigste unter den mittelhochdeutschen Lieder-und Spruchdichtern,
sondern auch der mit Abstand produktivste.
Von ihm sind in verschiedenen Handschriften rund 80 Lieder, 100 Sprüche und ein Leich überliefert,
die meisten davon im Codex Manesse.
Sie weisen Walther nicht nur als souveränen Beherrscher und originellen Neuerer der verschiedenen Liedgattungen des Minnesangs aus,
sondern auch als eigentlichen Begründer und Meister der deutschen Spruchdichtung, besonders des politischen Gedichts.
In den politischen Sprüchen dominiert die Reichsthematik - Frage nach dem richtigen Herrscher -,
der Einfluss des Papstes wird heftig angegriffen.
Auch die religiösen Sprüche und Lieder - zum Beispiel das Palästinalied - beeindrucken durch ihre poetische Gestaltungskraft.
Das eindruckvollste Zeugnis für seine Künstlerpersönlichkeit gibt sein relativ klar abgrenzbares Alterswerk ab,
allem voran die so genannte "Elegie" - "Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr" -,
die zu den bedeutendsten Texten der deutschen Literatur zählt.


Spruchdichtung:

Neben dem Minnesang die 2. mittelhochdeutsche lyrische Gattung (Ende 12. bis Mitte 14. Jahrhundert),
im Unterschied zu diesem rein lehrhafte Dichtung.
Formale und inhaltliche Einheit ist die Strophe, metrische und musikalische Gestaltungsformen werden als "Töne" bezeichnet,
wobei Strophen mit gleichem Ton größere, mitunter thematisch verbundene Komplexe bilden.
Die anfangs spärliche und allgemein Gnomische Spruchdichtung wird bei Walther von der Vogelweide zum prominenten Medium
dichterischer Äußerung zu politischen, religiösen, künstlerischen und "persönlichen" Fragen aufgewertet und schlägt so
im 14. Jahrhundert die Brücke zum Meistersang.
Mit Bruder Wernher, Reinmar von Zweter, dem Marner und Friedrich von Sonnenburg, stammen weitere bedeutende Spruchdichter
des 13. Jhd. aus Österreich.

Walther mag um 1230 gestorben sein und hat im Kreuzgang des Neumünsters in Würzburg? seine letzte Ruhestätte gefunden.